Bei einer Stratocaster gehört das Spiel mit den verschiedenen Stellungen eigentlich zum Standard-Handwerkszeug. Die Strat klingt in allen fünf (früher: drei) Stellungen vollkommen anders, und jede Stellung ist ein eigener Sound mit hohem Wiedererkennungswert. Interessant ist aber, dass nicht alle berühmten Strat-Spieler alle Stellungen benutzen. Ritchie Blackmore benutzte etwa in der klassischen Deep Purple-Zeit entweder alleine den Steg- oder alleine den Neck-Pickup und hatte den mittleren als toten Dummy-Coil. Er hatte einen Drei-Wege-Schalter, und das Wiring war praktisch so, wie bei einer Telecaster. Mark Knopfler und Robert Cray benutzen wiederum meistens die Stellung mit hinterem und mittlerem Pickups gleichzeitig für ihre typischen glasklare Signature-Sounds und die anderen Stellingen eher selten. Das andere Extrem war SRV, der einen Fünf-Wege-Schalter hatte und auch alle Stellungen praktisch gleichberechtigt nutzte.
Wenn Du den Sound eines Songs kopieren möchtest, dann achte auf Deine Ohren, im Großteil der Fälle hörst Du mit etwas Übung schnell, welche Stellung gerade verwendet wird.
Hier mal ein paar Beispiele für sehr typische Verwendungen der einzelnen Stellungen bei einer Strat:
Neck: der fetteste und weichste Sound, sehr häufig bei Slow Blues. Klingt sowohl clean als auch mit etwas (!) Overdrive gut und lässt große Bendings und Vibrato noch größer klingen. Beispiel: Studio-Version von Texas Flood, Red House. Jimi verwendete die Stellung auch gerne für cleanes Rhythmus-Spiel (Albumversion von The Wind Cries Mary)
Neck und Middle: die etwas zurückhaltendere Schwester der berühmten Zwischenstellung Bridge-Middle. Wird häufig bei Hendrix-artigem Akkordspiel verwendet. Meine Erfahrung zeigt mir, dass sie die Bitch unter den fünf Stellungen ist: Du musst schon gutes Equipment benutzen und ein wenig experimentieren, bis Du hier einen guten Sound findest. SRV benutzte diese Stellung bei Lenny völlig clean und bei Little Wing ganz leicht angezerrt.
Middle: interessanterweise die am seltensten verwendete Stellung, obwohl sie sehr ausgewogen klingt. SRV spielte sie oft bei Scuttle Buttin'
Bridge und Middle: der klassische gläserne Sound der Stratocaster. Auch ein wenig eine Bitch. Sie klingt am besten mit einem großen, cleanen Fender-Amp. Sie offenbart alle Feinheiten (und auch alle Schwächen) Deines Spiels. Verwenden kannst Du sie z.B. für den typischen Knopfler-Sound. Robert Cray und John Mayer spielen sie auch gerne. Hier kannst Du auch mit einem Compressor experimentieren und bekommst so schnell einen guten Sound für Funk/RnB.
Bridge: die klassische Stellung für verzerrte Sounds: Blackmore hat viele seiner berühmten Riffs mit dieser Stellung eingespielt. Sehr gut eignet sie sich auch für die Jimi-Verwendung von Fuzz-Pedalen. Also: Verzerrung und Volume am Pedal (fast) vol aufdrehen und dann den Rest über den Volume-Regler der Gitarre machen. Hat Jimi oft live gemacht und hat so seinen typischen (fast) cleanen Sound mit den schneidenden, gläsernen Höhen bekommen. Clean wurde die Stellung von frühen Rock n Roll-Gitarristen wie Buddy Holly verwendet, später auch von Hank Marvin. Da der Sound wirklich beißend werden kann, solltest Du mit Reverb am Amp nicht sparen. Der macht ihn etwas weicher. Hör dir mal die Alben von den Shadows an, dass weisst Du, was ich meine.
Im Vergleich zu der Strat hat die Tele (und das ist jetzt nicht wertend gemeint) deutlich weniger Signature-Sounds. Die großen Tele-Gitarristen wie James Burton oder Roy Buchanan spielen/spielten überwiegend Bridge. Der Tele-Sound ist nun einmal als höhenbetonter, twangiger Country-Sound berühmt geworden. Compressor, Reverb, Slapback Delay passen hier wie der Maßanzug...auch viele RnB/Funk/Black Music-Gitarristen greifen gerne zur Tele.
Wenn Du die Tele über den hinteren Pickup mit einem Tubescreamer spielst, hast Du den (von mir persönlich überhaupt nicht gemochten) Stones-Rhythmus-Sound, und ich denke, dass auch Joe Strummer überwiegend Bridge gespielt hat.
Der Neck-Pickup der Tele ist nicht ganz so markant, klingt aber sehr schön und ist eigentlich ähnlich, wie der Neck-Pickup der Strat: nicht ganz so fett, aber auch sehr gut für Blues geeignet.
Natürlich sind das alles nur Verallgemeinerungen, viele Gitarristen weichen drastisch von diesen Vorschlägen ab, aber für die ersten Schritte können sie vielleicht trotzdem helfen.