austauschbaren Plastikprodukt
Ein paar Gedanken zu diesen Schlagbegriffen:
Die gleichklingende "Plastikmusik" - der viel zitierte "Einheitsbrei" - ist kein Produkt der heutigen digitalen Musikindustrie und das gab es auch schon lange vor der Tonkorrektur, wurde ja auch schon mal angemerkt. Musikprodukte, die von Produzenten gezielt für ein großes Pubikum geformt, optimiert und eben auch
gefälscht wurden, sind also fast so alt wie die Popmusik selbst. Beispiele finden wir ab "The Monkees".
Was ist überhaupt Mainstream, was ist ein Hit? Ein Hit ist, wenn viele Menschen ungefähr gleichzeitig einen Tonträger kaufen oder bei einem kostenpflichtigen, nicht werbefinanzierten Screamingdienst mindestens 31 Sekunden lang anhören. Für eine Goldene Single braucht es heutzuge in Deutschland 150.000 verkaufte Einheiten, wobei 200 Streams einer verkauften Einheit entsprechen.
150.000 Einheiten sind - auch wenn man es nur auf Deutschland bezieht - ein Witz. Auch dann noch, wenn man sich nur auf die "werberelevante Zielgruppe" von +/-30 Mio potentiellen Konsumenten beschränkt, sind das gerade mal ca. 0.5%, die diesen Mainstream abbilden.
Was machen die restlichen 99,5 Prozent? 29,5 Millionen relevante Konsumenten hören und kaufen Musik vermutlich völlig divers. Sie hören kostenlos auf YT, Soundcloud oder anderen Portalen, kaufen sich ältere Alben, Raritäten oder Special Editions. Alles mögliche, aber nicht das, was in den Medien den Ton angibt.
Das heißt: Wer innerhalb von vier Wochen 300.000 Einheiten eines Songs verkauft, hat einen ziemlich ordentlichen Hit. Wer aber innherhalb von fünf Jahren 2 Millionen Alben verkauft, hat keinen. Er ist also für den Mainstream nicht relevant. Dennoch erfolgreich.
Auf einen kurzen Zeitraum begrenzte Verkaufszahlen sind kaum noch ein glaubhafter Indikator für großen Erfolg oder einen Trend in der Musik. Die sogenannte "Masse" ist im Prinzip nur noch eine Nische. Und dieser recht kleinen Nische ist es tatsächlich völlig egal, ob ein Sänger nun wirklich singen kann oder nicht.
Diskussionen über "den Konsumenten" oder "die Medien" sind also durch die heutige Diversität sowohl der Hörerschaft als auch der Medien eigentlich obsolet, denn sie werden von einer relativ kleinen Menge abgebildet.
Fazit:
Man kann also durchaus sagen, dass vieles, was mit einem gewissen kommerziellen Erfolg produziert wird, aufbereitet, verfälscht, korrigiert und glattgebügelt wird. Man kann aber nicht sagen, dass das der allgemeine Trend ist, den die Masse hört. Der größte Teil der Hörer hört genau das, worauf er gerade Bock hat und das findet nicht zwingend im TV, auf Itunes oder im Radio statt und es braucht auch nicht zwingend Melodyne.
Der tatsächliche Wermutstropfen ist meiner Ansicht nach: dass es eben keine Massen mehr gibt. Alles, was sich jenseits einer kleinen Schnittmenge dessen befindet, was als "Trend" wahrgenommen wird, kann als Einheit nicht bemessen werden und fällt aus dem Raster.
Um das mal an oben genanntem Beispiel zu unterstreichen.
Vielleicht sind sie Vorbote einer neuen Anti-Welle... vielleicht aber auch nur eine Band die verpufft.
Ich würde eher sagen: Sie sind mitten drin in einer Welle. Bands, die klingen wie früher, die Alben rausbringen, oft sogar neben den digitalen Medien auf Vinyl oder sogar Kassette, sind absolut im Trend. Aber das passiert halt alles jenseits jener Medien, die viele von uns älteren Semestern noch immer als trendgebend empfinden (was sie aber längst nicht mehr sind).
Aber das ist halt keine "Anti-Welle", sondern eher eine parallele Welle. Ins Nachmittagsprogramm zu Lady Gaga werden sie sich nicht gesellen. Denn zu dieser Parallel-Welle gehört auch, dass junge Künstler gar nicht mehr so selbstverständlich erpicht auf Major-Deals sind.