(witzigerweise hat hier im Forum auch schon mal jemand geschrieben, das habe höchstens Schülerbandniveau; aber lassen wir das)
Dies alles nach und nach zu durchdringen, macht eine Menge Mühe, kostet viel Zeit, ist auch frustrierend (weil oft nicht klar heraushörbar) macht aber auch jede Menge Spaß. Wohlgemerkt; mir persönlich geht es dabei nicht um das pure Nachspielen - Das habe ich in meiner Arroganz schon immer verabscheut - sondern um das zu eigen Machen von Licks, um sie ins eigene Repertoire einzubauen. Das anspruchsvollere Klauen sozusagen ;-) hat der Reverend ja auch immer gemacht ...
Frag doch mal den Typen, ob er eine Hörprobe von sich posten kann. Normalerweise werden solche Statements von Gitarristen gemacht, die nicht nur nicht spielen können, sondern noch dazu so dämlich sind, dass sie nicht einmal zuhören und die Feinheiten im Spiel von Gitarristen wie Billy bemerken können. Konnte Hemingway nicht schreiben, weil er einfache Sätze verwendet hatte? Konnte Rocky Marciano nicht boxen, weil er mit einfachen Schlägen alle schnell plattgemacht hat?
Zurück zum Reverend: wir sollten uns keine Illusionen machen, er ist zu Recht ein absolut legendärer Gitarrist, der alle Techniken der Bluesgitarre perfekt beherrscht. Das er selten schnell spielt, stimmt schon, aber nicht deswegen, weil er es nicht kann, sondern deswegen, weil er es einfach nicht nötig hat.
Das "pure Nachspielen" solltest du nicht verachten. Gerade dann, wenn Du Dein eigenes Ding machen willst, musst Du damit anfangen, dass Du die Sachen von Billy sorgfältig sezierst, sie dann nach belieben änderst, Deinem eigenen Stil anpasst und sie dann in Dein Repertoire aufnimmst. Das braucht Zeit und Arbeit.
Ich denke, dass der Reverend nicht leicht zu kopieren ist. Er spielt nicht nur die richtigen Noten, sondern er spielt die Noten auch richtig! Am Anfang solltest du auf seinen Rhythmus achten. Er spielt sehr laid Back, und besonders bei langsameren Shuffles liegt er oft ein ganz kleines Stückchen hinter dem Beat. Diese Shuffles spielt er texanisch, also so, wie sie vor ihm T Bone Walker gespielt hat: im 4/4-Takt liegt die Betonung auf zwei und auf vier. Zähle also immer Eins - ZWEI - drei - VIER. Bei den schnellen Boogies macht er es auch oft so, hier zählst Du dann Eins - UND - Zwei - UND - Drei UND - Vier - UND. Check mal Rude Mood von SRV, da hast Du auch diesen Texas-Boogie, nur eben brutal schnell.
Wenn Du die Akzente nicht richtig setzt, wirst Du nicht swingen. Noch etwas: es klingt sehr cool und entspannt, wenn Du bei zwei und vier (also bei den akzentuierten Beats) ein ganz kleines Bisschen zu spät kommst. Check hier auch mal die Originalaufnahme vom T Bone-Shuffle. Billys Spiel ist eben tief im Texas Blues verwurzelt, und T Bone ist einer seiner wichtigsten Einflüsse. Und wenn wir schon hier sind: Lightning' Hopkins und Freddie King solltest Du auch studieren.
Ich habe den Eindruck, dass Billy bei seinen Improvisationen nur bei den schnelleren Läufen skalenorientiert spielt und sonst eher Versucht, mit Spannung/Intervallen der Pentatonik zu spielen. Verlasse Dich einfach auf Dein Gehör und auf Dein musikalisches Gefühl: akkordfremde Töne schaffen Spannung, Akkordtöne lösen sie. Dies dürfte leicht zu verstehen sein, Billy spielt ja eher sparsam. Außerdem ist er nicht so sehr der Lick-Spieler wie z.B. SRV oder Freddie King, sondern versucht oft, mit kleinen Motiven und Melodien zu arbeiten und "Hooks" zu schaffen. Natürlich ist es ironisch, dass viele dieser kleinen Ideen mittlerweile zu seinen Signature-Licks geworden sind und von vielen anderen nachgespielt werden.
Aufgefallen ist mir noch, dass er verschiedene Vibrato-Techniken hat: besonders bei schnelleren Songs spielt er ein singendes, schnelles und flaches Vibrato, das mich an BB King erinnert. Bei langsameren Nummern wie Blue Jean Blues benutzt er hingegen ein sehr langsames und etwas weiteres Vibrato, ähnlich wie Clapton. Dies klingt unfassbar schön, ist aber sehr schwer zu kopieren.
Billy gilt als Gearhound und hat eine riesige Equipment-Sammlung. Trotzdem musst Du es nicht allzu kompliziert machen. Jede Les Paul bzw. ähnliche Gibson-artige Gitarre sollte es tun. Ein Tweed-Amp oder einen klassischer Marshall sind beide geeignet für den Sound, aber wahrscheinlich zu laut. Der kleine Tweed Champ aus dem Fender Custrom Shop macht die Sache auch leise perfekt, wäre mir persönlich aber zu teuer. Versuche es am besten mit einem Amp in a Box-Pedal wie Goran Fat Boy, Carl Martin Plexitone oder (genial) Lovepedal Les Lius. Dabei viel (aber nicht zu viel Gain) nehmen und den Lautstärkeregler der Gitarre benutzen: für crunchy Rhythmus aus etwa 5-6, für Solo dann weiter aufdrehen. Als Bonus sind ein wenig (!) Delay und Hall nicht verkehrt.
Zu den viel diskutierten dünnen Saiten: ich würde es lassen! Auf einer Gibson-Mensur sind für mich 09-er schon Spaghetti, weiter runter würde ich nie gehen!