Ich habe mit dieser Thematik einige Erfahrungen sammeln können, die ich hier gerne mal ein bisschen zusammenfassen möchte.
Zunächst mal ein paar Gedanken zur Auswahl der Kamera selbst. Falls eine GoPro aus Kostengründen nicht in Frage kommt, gibt es auch gute Alternativen. Ich habe mich als Hauptkamera für die Xiaomi Yi 4K entschieden, die in Tests recht gut abgeschnitten hat und mit der ich jetzt schon bei mehreren Auftritten gute Erfahrungen gemacht habe. Die 4K-Auflösung war für mich ein wichtiges Kriterium (wichtig, dass bei 4K die Framerate nicht unter 25 FPS fällt). Beim Schneiden des Videos bietet sich hierdurch die Option, mit der dynamischen Auswahl eines Bildauschnitts künstliche Kameraschwenks und Zooms zu erzeugen. Ddurch kommt zwar eine sehr große Datenmenge zusammen und man hat auch viel Aufwand beim Videoschnitt, aber dadurch bekommt man auch mit wenigen Kameras ein viel weniger statisch wirkendes Ergebnis. Auch finde ich das vorhandene Standard-Stativgewinde praktisch. Zusätzlich habe ich noch eine sehr billige Activeon CX dabei (Full HD, nicht 4K), deren Bild qualitativ gegenüber der Yi 4K deutlich abfällt, aber immer noch gut verwendbar ist. Auch habe ich immer noch einen normalen einfachen Full-HD-Camcorder (Panasonic HC-V270) im Einsatz. Das macht sich ganz gut, um z.B. aus größerer Entfernung eine Bühnentotale aufzunehmen. Mit den weitwinkligen Action-Cams geht das nicht so gut. Auch ist es ja so, dass aufgrund der Beschränkungen des Dateisystems auf der Speicherkarte die einzelnen Videodateien max 4GB groß sein können. Bei länger durchlaufendem Video wird daher bei Überschreitung dieser Größe automatisch eine neue Datei angelegt. Bei dem Panasonic-Camcorder bin ich absolut sicher, dass zwischen den einzelnen Files keine Pausen oder Aussetzer entstehen (die Activeon CX erzeugt hier gut 2s Pause). Das synchrone Zusammenfügen der einzelnen Clips wird so sehr erleichtert.
Außer der Kamera selbst gibt es noch zwei weitere wichtige Faktoren, um die Aufnahme eines u.U. mehrstündigen Auftritts zu ermöglichen. Der erste ist die Größe der Speicherkarte. Für die 4K-Kameras verwende ich eine 128GB-Karte, womit ich locker über vier Stunden 4K-Video aufzeichnen kann. Für die Full-HD-Kameras reichen 32GB für mehr als drei Stunden Video. Ich verwende sicherheitshalber 64GB, was in jedem Fall mehr als ausreichend ist. Wichtig ist eine ausreichend hohe Schreibgeschwindigkeit der Karte (Class 10), insbesondere für 4K. Der zweite wichtige Faktor ist die Spannungversorgung der Kameras. Die integrierten Akkus der Action-Cams reichen normalerweise nur für gut eine Stunde. Wenn der Auftritt kurz genug ist, kann man damit hinreichen. Weil es aber keine gute Idee ist, mitten im Konzert die leeren Akkus von evtl. mehreren Kameras zu wechseln, muss für ein abendfüllendes Programm eine andere Lösung her. Für den Panasonic-Camcorder gibt es größere Akkus als Zubehör, damit habe ich schon einen Abend von viereinhalb Stunden aufgenommen. Alle meine Action-Cams erlauben den Betrieb über ein externes Netzteil. Ob das praktikabel ist, hängt von der Platzierung der Kamera ab. Nicht überall ist eine Steckdose in ausreichender Nähe. Für solche Fälle bietet sich eine Powerbank an, die anstelle des Netzteils angeschlossen wird. Manche Powerbanks benötigen allerdings einen gewissen Mindeststrom, der an ihrem Ausgang entnommen wird. Wird der nicht erreicht, schaltet die Bank ab. Bei mir hat es in dem Fall geholfen, die Kamera ohne den internen Akku, nur über die Powerbank zu betreiben. Das muss im Einzelfall getestet werden.
Es ist auf jeden Fall gut, sich vor dem Auftritt genügend Zeit für den Aufbau und die Ausrichtung der Kameras zu nehmen. Wenn an einem Abend mit mehreren Bands zwischen den Auftritten nur eine halbe Stunde Umbaupause zur Verfügung steht, hat man mit dem Bühnenequipment, Soundcheck etc. schon genug zu tun und es ist schwer, dann die nötige Sorgfalt in die Videotechnik zu stecken. Wie viele Kameras verwendet werden und wo genau diese am besten platziert werden, hängt sehr von den Gegebenheiten vor Ort ab. Je größer die Bühne ist, desto mehr Kameras lassen sich sinnvoll verwenden. Eine Totale von gegenüber der Bühne ist keine schlechte Sache, wenn der Auftrittsort es zulässt. Auf der Bühne versuche ich immer mindestens eine Kamera vorne links oder rechts etwas erhöht zu platzieren, die ebenfalls möglichst viel der gesamten Bühne erfasst. Hinter dem Schlagzeug oder seitlich davon kommt immer gut. Bei Befestigung an den hinteren Bühnentraversen muss man bedenken, dass sich die Kamera in einer 90°-Ecke befindet. Action-Kameras erfassen aber einen weiten Bildwinkel von 120° oder mehr, so dass der schwarze Stoff, mit dem die Bühne hinten und an den Seiten abgehängt ist, links und rechts immer im Bild ist:
Darüber hinaus ist experimentieren angesagt. An Mikroständern, Instrumenten... Vorne mittig am Bühnenboden kann u.U. eine interessante Perspektive sein...
...sofern ein gewisser Mindestabstand eingehalten wird.
Hier hängt sehr viel von den Platzverhältnissen auf der Bühne und auch sehr vom Aktionsradius der Bandmitglieder ab. Ausgesprochene Nahaufnahmen funktionieren mit statischen Kameras eigentlich nur, wenn der gefilmte Akteur sich wirklich kaum aus dem Sichtfeld bewegen kann. Ich hatte z.B. mal eine Kamera direkt neben dem Mikroständer unseres einen Gitarristen aufgebaut, um eine Nahaufnahme der Gitarre zu haben. Er bewegt sich auf der Bühne sehr wenig, aber es zeigte sich, dass seine drei Schritte zur Seite doch ausreichten, um soweit aus dem Bild zu geraten, dass meist nur ein Stückchen Gitarrenhals oder -korpus am Bildrand zu sehen war:
Blöd, weil so ein paar schöne Soli nicht im Bild festgehalten wurden. Da wäre ein größerer Abstand besser gewesen.
Für die Befestigung gibt es neben normalen Kamerastativen verschiedene Möglichkeiten. Ich mag z.B. solche kleinen Klemmen mit Kugelkopf und Stativgewinde, um die Kameras an Bühnentraversen zu befestigen. Auch diese kleinen flexiblen Stative á la GorillaPod sind eine gute Variante, um die Kameras an allen möglichen Stellen zu befestigen. Bei Befestigung an Traversen o.ä. ist das Kameradisplay oft nicht mehr gut ablesbar. Um die Kamera auszurichten, finde ich es dann ausgesprochen hilfreich, wenn eine Handy-App verfügbar ist, mit der man das Kamerabild beobachten kann. Man kann die Kameras natürlich auch über die App starten, aber ich finde es oft zu nervig, weil jede Kamera ihren eigenen WLAN-AP erzeugt, zwischen denen man am Handy wechseln muss, um per App auf die jeweilige Kamera zuzugreifen. Da geht das manuelle Starten für mich schneller und einfacher. Zum Ausrichten sollte man sich unbedingt genügend Zeit nehmen. Gerade auch, wenn die Kamera z.B. auf einem Verstärker platziert wird. Mir ist es dabei schon passiert, dass ich auf dem kleinen Kameradisplay übersehen habe, dass die Kamera nicht genug Abstand zum Rand des Verstärkers hatte und dieser dadurch die ganze Zeit am unteren Bildrand zu sehen war.
Oder eine Kamera seitlich aufs Schlagzeug ausgerichtet, während der Drummer noch nicht dran saß und dabei natürlich nicht bedacht, dass dessen Kopf hinterher auch noch ganz mit ins Bild passen sollte.
Es ist sehr ärgerlich, wenn das Video hinterher wegen solcher Kleinigkeiten unbrauchbar ist. Wie hier auch schon erwähnt, ist es immer gut, wenn jemand aus dem Publikum oder auch auf der Bühne ein paar Aufnahmen mit Handkamera oder Handy macht. Die wechselnden Perspektiven werten das Ganze am Ende ungemein auf.
Zum Synchronisieren der verschiedenen Kameraaufnahmen habe ich bis jetzt immer Bildinhalte gefunden, an denen man sich gut orientieren kann. Den Drummer, Mitklatschen des Sängers, Aufblitzen der Bühnenbeleuchtung... Frameweise vergleichen und schieben, bis es passt. Das erwähnte Klatschen zu Beginn der Aufnahme ist gut gemeint, bringt aber spätestens dann nichts, wenn Filmschnipsel eingebaut werden sollen, die nicht von Anfang bis Ende durchlaufen. Alles was an Handkamera- oder Handyvideos dazukommt, hat dieses Klatschen nicht drauf und da muss man sich eh anders orientieren, was in der Regel völlig problemlos ist. Auf die Beleuchtung hat man beim Auftritt im Allgemeinen keinen Einfluss, die Konzertbühne ist eben kein Filmstudio und man muss die Bedingungen annehmen, wie sie sind. Mit etwas Geschick lassen sich auch so ganz präsentable Ergebnisse erzielen.
Zum Abschluss vielleicht noch etwas Anschauungsmaterial:
Long Train running - Hier sind drei Kameras auf der Bühne: Xiaomi Yi 4K als Hauptkamera vorne seitlich, die billige Activeon CX auf dem Bassamp seitlich fürs Schlagzeug und der Panasonic HC-V270 von schräg hinten. Das funktioniert erstaunlich gut, auch wenn das Sax-Solo so leider nicht wirklich gut im Bild ist.
Let me entertain you - Selbes Setup wie zuvor, aber zusätzlich eine nicht besonders hochwertige Handyaufnahme (Schwenk ins Publikum im ersten Refrain) und eine DSLR als Handkamera vor der Bühne. Man sieht glaub ich ganz gut, wie die zusätzlichen Einstellungen das Video beleben.
Inside - Zwei Xiaomi Yi 4K vorne und hinten an den Traversen befestigt (eine dritte vorne auf der anderen Bühnenseite hat leider nicht aufgenommen), die Activeon CX für die eine Gitarre und eine DSLR als Handkamera vor der Bühne.
Mama told me not to come - Selbes Setup wie zuvor, nur am Anfang kurz zusätzlich eine Bühnentotale vom Panasonic HC-V270. So eine Totale macht mehr Spaß, wenn vor der Bühne mehr los ist. Das wurde später am Abend noch deutlich voller. Hier ist es ärgerlich, dass die Kamera auf der anderen Bühnenseite abgeschaltet hatte, weil ich die Keys hier gerne gezeigt hätte...