Ich habe mal ein paar Screenshots mit einem Oszilloskop gemacht, um den hier neugierig Mitlesenden die Sache mit den "Phasen" etwas anschaulicher zu machen.
Bei den Tönen handelt es sich um 1000 Hz-Sinustöne erzeugt mit einem zweikanaligen Funktionsgenerator.
Wenn beide Töne "in Phase" sind , dann addieren sie sich bei einer Überlagerung (wenn man sie z.B. in einem Mischpult oder der DAW als Mono-Kanäle exakt übereinander pannt) zu einem Sinuston mit der doppelten Amplitude. Wellenberg trifft auf Wellenberg und Wellental trifft auf Wellental.
Hier der Screenshot, wobei oben (gelb) der 1. Kanal und unten (pink) der 2. Kanal abgebildet ist. Die weiße Linie in der Mitte zeigt die mathematische Summe beider Kanäle:
Wenn man den zweiten Kanal um 180° verschiebt, was bei so einem konstanten Sinussignal einer Verpolung entspricht (was der "Phasenumkehrschalter" am Mischpult macht), treffen nunmehr die Wellenberge auf die Wellentäler und umgekehrt. Die Signale löschen sich gegenseitig aus:
Was passiert nun, wenn die beiden Signale eine chaotische Korrelation haben, weil sie hinsichtlich der Zeitverschiebung (Laufzeitunterschiede) bzw. ihrer Frequenz-Zusammensetzung völlig unterschiedlich sind?
Um das zu demonstrieren, habe ich auf jedem Kanal ein "weißes" Rauschsignal eingestellt. Die Phasen- und Frequenzbeziehungen beider Kanäle sind jetzt zu jedem Zeitpunkt x völlig zufällig. Es ist daher zu erwarten, dass sich im statistischen Mittel ebensoviele Auslöschungen wie Verstärkungen ergeben. Das würde bei den obigen exakt identischen Signalen einer Phasenverschiebung von 90° entsprechen (als mathematisches Mittel zwischen 0° und 180°). Die zu erwartende Lautstärkeerhöhung sollte also zwischen den beiden Extremen Null und Verdopplung des ersten Beispiels liegen.
Hier der Screenshot:
Es ist tatsächlich genau so!
Wenn die zu mischenden Signale Laufzeitunterschiede haben, wobei sie sich aber ansonsten ähneln, wie bei den Hauptmikrofonsignalen in ORTF/NOS/EBS/AB-Technik usw., dann haben sie in der Praxis von Aufnahmen akustischer Ensembles mit solchen Hauptmikrofonsystemen in der Regel ausreichend große "chaotische" Korrelationen (wie im Beispiel 2), so dass in dieser Aufnahmepraxis die gefürchteten Auslöschungen eher nicht zu erwarten sind und auch bei einer Zusammen-Mischung auf Mono das Signal nicht oder nur unwesentlich leidet.
Es wird meine Meinung ein viel zu großer Popanz diesbezüglich aufgebaut. Nichtsdestotrotz sollte an sich mit dem Thema ausreichend detailliert auskennen und wissen, wie man die Anzeigen eines Korrelationsgradmessers und einer Stereosichtanzeige zu interpretieren hat.
Ansonsten kann ich nur der Aussage E. Sengpiels beipflichten aus dem oben verlinkten Text, dass man vornehmlich seine Ohren gebrauchen soll, um die Qualität des Signals zu beurteilen.
Wenn der Einsatz des "Phasen"-Schalters und/oder die Laufzeitkorrektur eines Signales den besseren Klang bringt, ist alles richtig. Wenn man daran nur herum schraubt, weil es sonst "Phasen" gibt vor denen man überall gewarnt wird, und weil man irgendwelche optischen Anzeigen ins Lot bringen will (die man womöglich gar nicht wirklich versteht), läuft man Gefahr, die Klang nur zu "verschlimmbessern".
Also Ohren auf!