Die Text-Idee: UFO am lyrischen Himmel!?

  • Ersteller Jongleur
  • Erstellt am

Was ist eine künstlerische Idee

  • Perverse Erfindung phanatasieloser Deutschlehrer?

    Stimmen: 0 0,0%
  • Die Hook?

    Stimmen: 3 50,0%
  • Der komplette Inhalt?

    Stimmen: 3 50,0%
  • Der Refrain?

    Stimmen: 0 0,0%
  • Die Ästhetik des "Wortkörpers"?

    Stimmen: 0 0,0%

  • Umfrageteilnehmer
    6
Wenn ich Parallelen zu meiner beruflichen Tätigkeit als Therapeut ziehe, habe natürlich einen großen Handwerkskoffer an Methoden der Gesprächsführung, Prozesssteuerung, Kommunikation, Joining etc. Meistens lasse ich aber Gespräche einfach erstmal "laufen". Das geht, weil ich aufgrund meines Handwerkszeugs weiß, dass ich jederzeit die Möglichkeit habe, ein Gespräch wieder in konstruktive Bahnen (für's Gegenüber) zu lenken, wenn es sich verlieren sollte. Das gibt mir erst die Freiheit, kreativ zu agieren, mutige Fragen zu stellen, ungewöhnlich Hypothesen auszuprobieren, Paradoxien zu installieren, unerwartete Dinge zu sagen.
Das klingt aber verdammt nach all dem, was man braucht, um einen songtext zu schreiben ...

Vielleicht fängst Du wirklich mal mit einer Idee (Was ist eine Idee?) an - und gehst mal in einen inneren Dialog mit Dir, beziehst ein imaginäres Team ein, das genau so um die Idee kreist wie Du im beruflichen Gespräch ...

Was ist eine Idee?
Eine Behauptung? Aber was ist dann mit dem Zauber und der Eigenwilligkeit der Sprache und der Form? Für mich ist ein song - in den allerallerallermeisten Fällen - keine ausgeschmückte These, keine Fabel, die konstruiert ist, um eine Botschaft hübsch zu verpacken ... Diese Herangehensweise wird für mich dann tatsächlich zur Arbeit und selten zum ergötzlichen Spiel ...
Ein Bild?
Bei mir schon eher. Der Text "dancing through life on my own" ist aus einem Bild heraus entstanden: die betrogene Frau packt die Sachen des Mannes zusammen, Trauer und Verletzung sind stark, aber Stolz und Selbstbehauptung überwiegen ... dann habe ich mir das als Film vorgestellt: Wie kommt sie an die Information? Wo befindet sie sich? Was macht sie dann? Daraus entstand dann die Story, das ihre Freundin den als unzuverläßlich vermuteten Ehemann verführen soll, der auch prompt der Versuchung erliegt. Die Freundin teilt das Ergebnis der Frau mit, früh morgens. Diese hat eine unruhige Nacht gehabt, die aber in der vermuteten Sicherheit des Betrugs endet - sie verbrachte die Nacht ja allein. Die Selbstbehauptung findet sich im Refrain: Sie tanzt nun alleine, aber selbstbestimmt durch ihr Leben. Das war zwar auch Ausschmückung und Beschreibung, aber die Bilder haben mich gepackt - und der Reiz, erst im Verlauf des Textes die story Stück für Stück zu enthüllen. Show, don´t tell, sozusagen.
Eine Frage, ein Widerspruch?
Gerne. Inhalt sind quasi die beiden Enden bzw. die sich gegenüberstehenden Antworten. Beide haben etwas, das für sich spricht. Eine Antwort wird nicht gegeben. Der Hörer entscheidet. Ich liefere den Stoff. Gerne als Geschichte, gerne durch unterschiedliche Perspektiven.
Bei so Sachen, wie auch beim "Drehbuch-Vorgehen" gehe ich meist zwischendurch auf Distanz - schaue mir die Figuren aus einer anderen Perspektive an, bringe verschiedene Personen oder Zeitebenen rein, probiere verschiedene Abläufe durch. Beschreibe mal Dinge, bastele mal das gleiche als Dialog oder als Gedanken. Gehe also immer mal wieder in eine Metaposition.

Meist aber schreibe ich irgendwie drauf los.
Und entweder etwas entwickelt sich - oder nicht.

Eine Sache fand ich mal spannend: Hier gab es mal so eine Art Aufruf: Ein songtext, Sprache war vorgegeben, zum Thema love lies in a cage. Die Liebe, in einem Käfig liegend - das fand ich ein spannendes Bild. Viele Texte gingen nicht ein - aber ich fand das trotzdem extrem anregend - sich auch mal auf eine Idee, eine Ausgangssituation einzulassen, die nicht von einem selbst kommt.

Frage an den jongleuer und in die Runde: Hätte "love lies in a cage" schon Ideen-Status?

x-Riff
 
Das klingt aber verdammt nach all dem, was man braucht, um einen songtext zu schreiben ...
Oh Gott, so wollte ich das aber nicht verstanden wissen!!! Ich würde mir nicht anmaßen, das zu behaupten.

Schon gar nicht als jemand, der diesem Forum immer noch einen Text schuldet. ;)

Was ist eine Idee?
Ich probier‘s mal mit Mathe:

Idee (gleich) Emotionaler Mehrwert bei Rezeption (minus) Thema

...?
 
.... dass zu viel (oder überhaupt) Struktur meine Kreativität killen könnte. Ich flüchte mich ... gern In ..... Ideen (sic) wie: "Wer entscheidet schon, dass das eine besser ist als das andere...?"

Sprichst du von zwei verschiedenen Sachen?
1. Aufzählung (zu) vieler Widersprüche als Bestandteile einer Struktur.
2. Demonstrative Unsicherheit bei der Bewertung der Aspekte?

Ich meine, der Texter sollte sich seiner Idee ganz sicher sein Aber er sollte seine Wahrheit möglichst nicht laut behaupten, sondern dramaturgisch dezent gestalten. Und wenn seine Idee lautet: Wer entscheidet das schon, dann kann er im Text alle Entscheider scheitern lassen. Wie ist hier nicht wichtig - Hauptsache unterhaltend! Ich habe lange gebraucht, bis ich meinen Hang zu psychologisieren, als künstlerisch kontraproduktiv erkannte. Im Zweifelsfall soll Psychologe heilen und der Künstler unterhalten. Auch deshalb mein Fokus auf die Stilmittel des Texters, von denen keines Gerechtigkeit, aber alle rhetorische Eleganz versprechen. :D

Hier bekomme ich sicher Einsprüche..;-)


Wenn ich Parallelen zu meiner beruflichen Tätigkeit als Therapeut ziehe, habe natürlich einen großen Handwerkskoffer an Methoden der Gesprächsführung, Prozesssteuerung, Kommunikation, Joining etc. Meistens lasse ich aber Gespräche einfach erstmal "laufen". Das geht, weil ich aufgrund meines Handwerkszeugs weiß, dass ich jederzeit die Möglichkeit habe, ein Gespräch wieder in konstruktive Bahnen (für's Gegenüber) zu lenken, wenn es sich verlieren sollte. Das gibt mir erst die Freiheit, kreativ zu agieren, mutige Fragen zu stellen, ungewöhnlich Hypothesen auszuprobieren, Paradoxien zu installieren, unerwartete Dinge zu sagen. Viele kleine Weichen stelle ich aber auch im "freien" Gespräch intuitiv aufgrund meines Theorie- und Erfahrungsbackgrounds. Das heißt deshalb nicht, dass jemand ungelerntes nicht auch ein Gespräch führen könnte, das im Ergebnis genauso effektiv und anregend und therapeutisch sein kann wie meins, das ist dann aber eher eine wilde Mischung aus Zufall und vielleicht Begabung. Ich kann aber halt mit weitaus höherer Sicherheit ein "gutes" Ergebnis (prozessual, nicht inhaltlich) voraussagen.

Phantastisch! Das hab ich mir für meinen Workshop kopiert. Du beschreibt haargenau meinen Schreibprozess... Denn ich bin Viele, aber vor allem Autor. Leider ein eitler Autor, der meistens mit grossem Vergnügen seine blödesten Ideen und Missgriffe beobachten muss, um dennoch halbwegs lebendig texten zu können.

Danke

Lg
 
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Sprichst du von zwei verschiedenen Sachen?
1. Aufzählung (zu) vieler Widersprüche als Bestandteile einer Struktur.
2. Demonstrative Unsicherheit bei der Bewertung der Aspekte?
Ich glaube, hier schreiben wir völlig aneinander vorbei. :tongue:

Ich meinte „Wer entscheidet schon, dass ein strukturierter Prozess besser ist als ein unstrukturierter?“ ist mein konstruktivistisches Lieblingsasyl, wenn ich Schiss vor einschränkenden Strukturen bekomme.

Dann geht’s wieder weiter mit:
Aber das ist natürlich nichtmal die halbe Wahrheit
 
Stimmt, @Slidemaster Dee , da hab ich dich falsch verstanden. Also gaaanz langsam: ich brauch die Struktur, beginnend mit einer am Rande notierten Idee, um mit größter Selbstsicherheit über meine Beispiele, Schlußfolgerungen, Scheinwertungen usw entscheiden zu können. Ich sehe mich oft wie einen Zauberkünstler, der seinen an und für sich simplen Trick mit viel Raffinesse verkaufen muss. Ich muss oft falsche Fährten legen, besonders beim Übergang zum Refrain. (Siehe den klassischen Dialog zwischen Theaterdirektor, Dichter und lustiger Figur im „Faust«)

Ich kann auch sagen, der Autor braucht geistige Struktur, um sich u.a. verkraftbare Strukturlosigkeit leisten zu können. Sonst landet er bei seinen schlimmsteh Ängsten... Ja und was dann? Hat irgendwer dazu eine "Idee"? [leicht geduckter, theatralischer Abgang]
 
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Oh Gott, so wollte ich das aber nicht verstanden wissen!!! Ich würde mir nicht anmaßen, das zu behaupten.

Schon gar nicht als jemand, der diesem Forum immer noch einen Text schuldet. ;)
Es war so gemeint, wie es auch Jongleur aufgefaßt hast - ich fand, Du beschreibst imho alle oder doch viele der Zutaten (meine Sicht), die man benötigt ... ohne Dir zu unterstellen, Du wärst im Besitz der Wahrheit oder würdest das behaupten oder könntest das dann naruralmente aus dem Ärmel schütteln wie von selbst ...

Und für einen Autor hast Du vielleicht ein zu gutes Gedächtnis - das Vergessen ist ein sehr produktiver Vorgang ... :cool:

x-Riff
 
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Ich bin vielleicht noch nicht ganz dabei, die Idee als etwas konstantes zu sehen. Vielleicht ist sie eher so eine Meta-Muse, die den Schaffensprozess leitet. Ich beharre über alle notwendigen Maße hinaus noch etwas auf meiner Mathe-Formel weiter oben.

Es war so gemeint, wie es auch Jongleur aufgefaßt hast - ich fand, Du beschreibst imho alle oder doch viele der Zutaten (meine Sicht), die man benötigt ... ohne Dir zu unterstellen, Du wärst im Besitz der Wahrheit oder würdest das behaupten oder könntest das dann naruralmente aus dem Ärmel schütteln wie von selbst ...
Oh, aber beruflich findet das an einer anderen Stelle statt, nämlich im Dialog, in der Kommunikation, jenseits meiner Ich-Umwelt-Grenze. Das passiert beim Song-Schreiben bei mir und für mich erst in der Musik. (Hab ich irgendwo hier mal beschrieben.) Das unterscheidet sich von einer Diskussion meiner inneren Anteile miteinander.

Und für einen Autor hast Du vielleicht ein zu gutes Gedächtnis - das Vergessen ist ein sehr produktiver Vorgang
Gruselig. Story of my life. Woher weißt du das denn jetzt?
 
Also @Slidemaster Dee , da wir gerade so lustig beieinander sind: Eigentlich ist ja die Konstante guter Unterhaltung nicht die Idee, sondern noch einfacher - die Wiederholung. Und deshalb wiederhole ich erstmal deine Formel: Id= Emo - Thema. Und daraus folgt: Emo= Id + Thema.
Also hat sich bei mir noch nicht 100% gesetzt. Aber das wird vielleicht noch dein Hit in der Poetik.;-)

Und in der Zwischenzeit kurz und ernsthaft zu @ x-Riff : Ja, die Idee ist für mich eine (temporäre) Behauptung. Erinnere ich mich richtig, dass wir alle beide große Dylanfans sind? ich meine, jeder zweite Dylantext besteht aus einem Paradigma im Refrain und und 3 bis 6 längeren Strophen-Listen voller bildhafter Beispiele, die dieses Paradigma mehr oder weniger folgerichtig stützen.

But something is happening
And you don't know what it is
Do you, Mister x-Riff?

Und die lose Verbindung zwischen Mantra und den Beispielen, das war es, was mich ewig über Dylans Texte grübeln ließ. Bis ich ich selber begann, solche Baupläne zu entwerfen. und je mutiger ich werde, umso mehr verwandel ich meine simplen persönlichen Gefühle und Gedanken in Lyrics. Was ist daran schlecht? :good_evil:



Und das künstlerische Bild und die Idee vertragen sich doch perfekt. Im Grunde kann jede Idee am wirkungsvollsten über ein Bild transportiert werden. Denn gute Bildern beinhalten Handlung und Emotionen zugleich, so dass man als Autor vordergründige Bewertungen unterlassen kann und die Flugzeuge im Bauch für sich sprechen.:m_sing:

Du erwähnst einen eigenen Text, den du wie ein kleines Filmscript geschrieben hast. Eine wichtige Regel beim Drehbuchschreiben lautet, jede Einstellung muß die Charaktere und die Handlungsidee vorantreiben.
Eine andere lautet: Eine Filmidee, die sich nicht in 3 kurzen Sätzen erzählen läßt, ist keine.
Und die Existenz versteckter Regeln verhindert doch keine witzigen Einfälle. Im Gegenteil! Es kitzelt sie erst recht heraus.

Warum erzähl ich das? Ich bin der Meinung, dass viele Anfänger mit viel gereimter Energie einen roten Faden spinnen... und am Ende die Perlen vergessen. Warum nicht mit wenig Aufwand einen roten Faden benutzen und dann volle Pulle Perlen sammeln.

" Die Liebe liegt im Käfig " wäre für mich eine unvollendete Idee. Sie wäre mir zu passiv. Aber vielleicht wäre meine Idee, mich an dieser passiven Liebe bis zur Erschöpfung abzuarbeiten... vielleicht hieße meine Idee "Liebe im Käfig" ...hm... das hat für mich etwas sehr Subtiles... Figuren beginnen sich zu bewegen.

Es gibt Lyrik-Portale die veranstalten regelmäßig Gedichte-Wettbewerbe zu Bildern. Hab da auch schon teilgenommen. Die Breite der Themen und Paradigmen ist erstaunlich....

Und was, lieber x- Riff, löste oder löst die vorgegebene Bildunterschrift in Dir aus?
 
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Und deshalb wiederhole ich erstmal deine Formel: Id= Emo - Thema. Und daraus folgt: Emo= Id + Thema.
Also hat sich bei mir noch nicht 100% gesetzt.
Für mich trifft es das ganz gut. (Emo) ist ja der Emotionale Mehrwert. (Thema) löst also mein Interesse aus - oder selten auch nicht - verbunden mit den für mich „üblichen“ Emotionen, die daran hängen. (Id) ist dann das, was es für mich besonders macht - oder halt ich nicht - hier könnte man von einer „guten“ oder „schlechten“ Idee sprechen.

Die musikalische Lebensabschnittsliebemeineslebens („mein“ aktueller Gitarrist) sagt in dem Zusammenhang über meine (besseren) Texte, sie würde „Türen in seinem Kopf öffnen“. Das ist ein schönes Kompliment.

Nochmal kurz zurück zum „Rezept“. Meine Oma machte beim Kochen immer an alles „eine Idee“ Curry. Also eine kleine, nicht genau definierte, dem Moment geschuldete und nie 100% reproduzierbare Menge Mehrwert, die den Unterschied zwischen besonders und nicht besonders macht. Quasi der emotionale Mehrwert.


Nehmen wir Dylan.

„Simple twist of fate“ ist ein Song, der mich tief berührt - aber textlich erst in der Budokan-Version.

Vorher: Okay, er verliebt sich in eine Prostituierte, am Ende wacht er morgens auf und sie ist gegangen.
Dylan schrieb:
He woke up, the room was bare
He didn't see her anywhere
He told himself he didn't care
Pushed the window open wide
Felt an emptiness inside
To which he just could not relate
Brought on by a simple twist of fate
Dann folgt noch „Hätte, wäre wenn...“ - ganz nett, aber nichts, womit er mich nachhaltig „kriegt“. Dafür dann doch zu klischeehaft und eindimensional für mich.

Schnitt.

Budokan im Jahre vor meiner Geburt (1 BD) : Er verändert den Text, nun taucht am Ende die grandiose alternative Strophe auf:
Dylan schrieb:
He woke up, and she was gone
He didn't see nothing but the dawn.
Got out of bed and put his shoes back on,
Pushed back the blinds,
Found a note she’d left behind
But he couldn‘t concentrate
On anything except that simple twist of fate.
Sie hinterlässt einen Zettel. Rums! Da hat er mich! Die kleine Prise Curry am Song. Warum tut sie das? Ist das auch nur Teil ihres Jobs? Hat sie gemerkt, dass er Gefühle hat? Ist seine Story mehr als nur spinnerte Träumerei eines alten Mannes? Hat sie auch Gefühle für ihn? Oder ist sie nur genauso verzweifelt auf der Flucht vor ihrem Leben? ...

Türen öffnen sich. Danke. Gute Idee, Herr Dylan.
 
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Momentane Arbeitshypothese meinerseits:
Die Idee bei songtexten bezieht sich auf die Art und Weise, wie ich ein Thema darstelle.
(Die Frage, worüber soll ich schreiben bzw. wie finde ich ein Thema, über das sich zu schreiben lohnt, hätte zwar auch was mit einer Idee dazu zu tun in dem Sinne, dass einem etwas einfallen muss, damit ein Thema da ist, aber das wäre halt etwas anderes.)

Höre grade sowieso Dylan rauf und runter. Genauer gesagt: street legal rauf und runter.
Und bin beim Hören auf die Arbeitshypothese gekommen.
Wenn ich dazu komme, schreibe ich anhand von ein paar Dylan-songs, wie sich das für mich darstellt.

x-Riff
 
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Momentane Arbeitshypothese meinerseits:
Die Idee bei songtexten bezieht sich auf die Art und Weise, wie ich ein Thema darstelle.
(Die Frage, worüber soll ich schreiben bzw. wie finde ich ein Thema, über das sich zu schreiben lohnt, hätte zwar auch was mit einer Idee dazu zu tun in dem Sinne, dass einem etwas einfallen muss, damit ein Thema da ist, aber das wäre halt etwas anderes.
Hallo @x-Riff : Herzlich willkommen an Bord. :) ich würde mich sehr über Deine Dylanbeispiele freuen.

Hallo @Slidemaster Dee : die Brise Curry bringt mich zu dem Einfall, dass die künstlerische Idee die Art und Weise ist, wie wir unser Leben möglichst schmackhaft zubereiten und servieren.

O Mann, die Plauderei übertrifft bereits meine Erwartungen. ;-)

Nebenbei: Verrate mir mal, Slidemaster, was hält dich wirklich davon ab, hier mal einen deiner Texte zu posten?

lg
 
Nebenbei: Verrate mir mal, Slidemaster, was hält dich wirklich davon ab, hier mal einen deiner Texte zu posten?

Ich zitiere mich mal selbst aus einem anderen Thread (inklusive der Rechtschreibfehler, sehe ich gerade:rolleyes:):

Ich mag das „Eigene Texte“-UFo, lese dort gern und verfolge gern die Entwicköing vom Songs mit (und sag neuerdings hier und da sogar mal was). Ich hab schon öfters drüber nachgedacht und ich äre neugierig, selbst mal einen Text einzustellen, hänge aber noch an dem „wozu“.

Eigentlich sind meine Texte der individuelle Teil meiner Musik (meiner = meiner und die meiner Bands) - quasi mein sprach-alternatives Kommunikationsangebot an die Welt. Der kommunikative und gegenseitiges Wachstum katalysierende Aspekt ist dann erst die Vertonung und das gemeinsame Musizieren. Und dann erst kommt die Außenwelt. Wo (und ob) ich da Platz für Textanregungen und Kritik finde, weiß ich noch nicht.

Dazu kommt, dass die Texte, die mir (gerade) am Herzen liegen bewusst auf englisch geschrieben sind und ich ihnen in einer möglichen Übersetzung (die ja verständlicher Weise oft gewünscht wird) niemals gerecht werden kann, denn dann werden sie was anderes.

Tatsächlich schreckt mich da auch das „Ringen“ um Details eher ab. Ich hätte vielleicht das Gefühl, meine Texte zu zerdenken. Aber das muss man ja auch nicht machen, wenn man nicht will.

Schwierig... ich bleibe neugierig... mal sehen...
--- Beiträge wurden zusammengefasst ---
O Mann, die Plauderei übertrifft bereits meine Erwartungen. ;-)
Sehr schöner Thread hier finde ich. :great:
 
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Mir geht heute mehrfach ein Gedanke durch den Kopf: Ja, mein Wunsch, über Ideen plaudern zu wollen, entspringt tatsächlich u.a. meiner professionellen Arbeit.

Tatsächlich muss ich, anders als die meisten Dichter im stillen Kämmerlein, meine Texte kontinuierlich und an mehreren Fronten verteidigen. - Zuerst vor dem Komponisten. Dann vor dem Interpreten und manchmal auch noch vor einem Produzenten. Und außerdem auch noch vor einem imaginären Publikum, das ja alle gut zu kennen meinen. Und schließlich auch noch vor meinem inneren Zensor.

Kein Wunder, dass mir schon bis ins Blut vertraut ist, mich mit dem Wort "Idee" freiwillig zu beschäftigen, so dass ich mir gar nicht (mehr) vorstellen kann, dass Andere meinen, gefühlt 100%ig selbstbestimmt zu schreiben.

Wenn mich die Erinnerung nicht sehr trügt, kann ich mich noch grob daran erinnern, wie, wann und was ich als Kind und Jugendlicher schrieb. Ich schrieb Liebeslieder, um die Mädchen meiner Träume zu beeindrucken, schrieb, um mich vom Küchentisch weg auf die großen Bühnen zu beamen und suchte im Schreiben gedankliche Tiefe, die mir meine damalige Umgebung absolut nicht geben konnte oder wollte.
Schau ich mir meine damalige "Werke" an, sehe ich, wie egozentrisch und escapistisch meine empfundene "Tiefe" war.

Aber tatsächlich hätte ich von Niemandem Vorschläge gebraucht, wie ich besser schreiben könnten. Denn ich erkannte den Zusammenhang zwischen distanzierender Abstraktion und dem Grund, vor dem ich Abstand suchte, noch nicht. Ich gefiel mir darin, Zusammenhänge zu kreieren, die die Anderen weder sahen, noch sehen wollten. Ich hatte für alles hinreichend treffende Namen und Beschreibungen. Nur etwas blieb unberührt: Meine unmittelbaren Gefühle.

Ich wurde trotzdem ein Textdichter. Mußte mit meinen Liedern auf die Bühne und hatte Erfolg. Unter anderem auch wegen meiner recht vitalen Auftritte. Ich verausgabte mich sehr beim Performen. Lyriker und Kritiker lobten mich. Alles schien gut zu laufen.

Dann wurde ich Textdichter für Andere. Ich gab die Bühne auf und richtete mich dahinter ein. Anfangs brachte ich noch frischen Wind in die alte Garde der Texter. Mit den Jahren wurde ich selber altes Eisen.

Und altes Eisen schreibt vermutlich zunehmend mehr über das Leben und weniger aus dem Leben heraus. Ich war noch immer da, wo ich angefangen hatte: Bei der Vermeidung einer zu großen Ursprünglichkeit. ;-)

Und jetzt bringe ich mit aller Macht die Idee ins Spiel. Ich baue neuerdings meine Mantras, Paradigmen, Interjektionen vor allem so, dass sie mich möglichst zu emotional geprägten Zeilen anregen. Zu Worten, hinter denen ein Herz schlägt, so gut es dass noch kann. Die mich zu Widersprüchen, Sprüngen und Unsinn verleiten. Damit mein Herz Löcher in die Uniform des Bildungsbürgers brennt.

Ich war in einigen Foren unterwegs und bemerke vor allem die Blutleere vieler eingestellter Texte. Überwiegend muß ich Meinungen und Gemütlichkeiten lesen statt Darstellungen. Auch wenn sich meine Zeilen lesen wie der Wunsch einer öffentlichen Beichte: Nie war ich weiter davon entfernt, vertrauensvoll einer Öffentlichkeit etwas beichten zu wollen. Nie war mein Glauben an das Gute im Menschen verhaltener.

Ich schreibe über meinen Wunsch, dass Autoren offener mit und über ihre Gefühle schreiben, formal Konstellationen schaffen, aus denen sich der Geist nicht windig rauswinden kann, wo er die Gefühle als Partner erkennt, fordert und fördert. das ist meine Idee seit einiger Zeit und deshalb werbe ich dafür, emotionale Paradigmen zu kreieren, vor denen der Versuch, mit verstaubten Bilderj und Weisheiten Kunst machen zu wollen, sich von selbst entlarvt.

Können wir auch darüber plauschen, in wie weit wir unsere Idee benutzen, uns hinter unseren Texten zu verstecken, statt zu offenbaren... ? Beispielsweise, indem wir eine Sprachen wählen, die sich nur Wenigen oder Gleichgesinnten erschließt...;-)
 
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Können wir auch darüber plauschen, in wie weit wir uns hinter unseren Texten verstecken, statt zu offenbaren... ? Beispielsweise, indem wir eine Sprache wählen, die sich nur dem Gleichgesinnten erschließt...;-)
Erster Impuls: Mir fällt die Separation des Textes von der Musik so schwer. Ich schreibe ja keine Gedichte, sondern Songs - eben weil sie in der Musik - nein! Fast noch eher in der Performance, oder im Tryptichon aller drei - die nicht-sprachliche und nicht in Sprache darstellbare Ebene offenbaren können, um die ich mich verbal so häufig reduziert führe. Das hat natürlich einen deutlich geringen Verständnis-Konsenz mit dem Hörer als ein rein sprachlicher Text mit seinem Leser. Wer bewertet, ob dies ein Verstecken ist, frei nach dem Motto „Ist dir mein Text zu flach, such in meiner Musik nach Tiefe“... Wer sollte da widersprechen?

Ich könnte z.B. einen Text von mir zum besten geben, den du „flach“ findest, dir die Musik vorspielen, die dir nichts gibt, um dich schließlich in meiner Live-Performance im Innersten zu berühren. Das ist ja genau mein Problem mit dem Posten von Texten hier: Bewertbar ist damit immer nur ein Drittel von dem, was es für mich ist.

Zur gewählten Sprache: Meinst du die Sprache oder das Sprachniveau? Also die gewählte Sprache oder die gewählte Sprache? ;)
 
Lieber @Slidemaster Dee , leider treffen meine generellen Bemerkungen eher zufällig unmittelbar mit deinen Bedenken zusammen, hier zu veröffentlichen. So wie du hier mit einer uns plaudern :great:, kann ich mir allerdings überhaupt nicht vorstellen, dass du platte Texte schreibst. Und: Ich meine die gewählte Sprache. :D


Lyrik und Lyrics unterscheiden sich gewaltig, Ich lese lieber Lyrics - da sind meine Erwartungen nicht so hoch, da ich immer von einem Primat der Musik ausgehe. Kann letztlich alles nur noch besser werden ;-) Ich traf im Netz wenige Dichter, die beides beherrschen.

Was mich, wie gesagt am meisten an einem Songtext interessiert, ist: Gelingt es dem Dichter AUF ANHIEB, meine "Seele" anzusprechen? Beherrscht er mMn die hohe Kunst der einfachen Sprache? Kann ich etwas von ihm lernen? ;-)
 
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So wie du hier mit einer uns plaudern :great:, kann ich mir allerdings überhaupt nicht vorstellen, dass du platte Texte schreibst.
Danke für das Kompliment!

Unvollständig ist tatsächlich mein größeres Problem als platt. Ich komm mir dann vor, als würd ich ne Portion Parmesan servieren und dann fragen, wie die Pasta war. :tongue:

Aber eigentlich bin ich schon kurz davor, es zu tun.
 
Da ist man mal paar Tage mit dem furiosen Abschluss einer wahnwitzigen Idee beschäftig (ein eigener Film) und verpasst die besten Diskussionen im Forum.

Text-Ideen oder Ideen im Allgemeinen - für mich eher ein dynamisches Gefüge: eine Art Frequenz zwischen Input und Output, die es schafft eine größtmögliche Resonanz zu erzeugen.
Aber im Grunde fand ich den Befriff "spirit" von @Slidemaster Dee schon sehr passend, sodass ich keine weltbewegenden Erkenntnisse hinzuzufügen habe und interessiert der Unterhaltung gefolgt bin :great:
 
Dylan Street Legal
(vorab: ich höre Dylan extrem selektiv, gibt ungefähr 5 bis 7 CDs, die ich habe und liebe und die mich lange schon begleiten.)
((Ziel: ich höre die CD und schreibe zu jedem song was in Bezug auf die Idee, so wie ich sie versteh, solange der song läuft.))
(((Alles, was ich wahrnehme und schreibe, ist subjektiv.)))

1. changing of the guards
Treibende Musik, Chor, Einzelstimme, Rock.
Thema: Was man aus Liebe bereit ist zu tun.
Idee: Ein capain wird vor die Situation gestellt, aus Liebe zu handeln: und zwar den Ersatz der guards zu fordern, weil diese seiner Geliebten etwas angetan, sie gedemütigt, möglicherweise mißbraucht haben.
Eine Geschichte wird chronologisch geschildert, aus der Sicht eines Beobachters, der innerhalb dieser Szenerie wandelt und schildert, was er sieht. Das sind neben der Geschichte und den Protagonisten atmosphärische Bilder, die sich zu einem Sittengemälde ausweiten.
großartigste Zeile: she's begging to know what measures he now will be taking.
He's pulling her down and she's clutching on to his long golden locks.

2. new pony
Country & Western, reduziert, ungeschliffen, nach vorne gehender groove, Chor.
Thema: Liebe, Leidenschaft, Sex und der Mann.
Idee: Chronologie der Pferde, die ein Mann besitzt als Metapher für Frauen.
Verflossene Liebe muss überwunden werden, sometimes I wonder what´s going with me sex, Distanz schaffen. Es geht darum, wozu ein Mann eine Frau braucht und: es verschwimmen immer die Grenzen von Sex, Leidenschaft und Liebe. Nach vorne treibender Chor mit der Frage: How much, how much, how much longer?
härteste Zeile: She broke her leg and needed shooting
I swear it hurt me more than it could ever have hurted her
coolste Zeile: Oh, baby, that God you been prayin' to
Gonna give ya back what you're wishin' on someone else

3. no time to think
langsam, aber mächtig, Walzer wechselt mit 6/8-tel Blues, Anklage, soul- und gospel-Anklänge, Chor
Thema: Jeder will was von einem und man selbst findet keine Zeit mehr
Idee: Eine andauernde, anklagende Schilderung aller Umstände, die einen vom wirklich wichtigen abhalten als Mix zwischen persönlichem, gesellschaftlichem, Besonderen und Allgemeinen.
Die sich über 18 (!) Strophen hinziehende Aufzählung von Leuten, die einem auf die Nerven gehen und einen jagen und ausnehmen plus ideologische Hauptsätze oder Schlagworte, die einen fordern und nichts mit dem Leben zu tun haben, was einem wichtig ist, wirken in ihrer schieren Anzahl überwältigend, der einzelne versinkt, findet vor Ablenkung nicht zu sich selbst. Keine Wertung, keine Lösung.
Als Refrain, vom Chor untermalt, auf den jede zweite Strophe hinausläuft: and there´s no time to think.
Zeile, die mich nächtelang nicht schlafen ließ: socialism - hypnotism, patriotism – materialism.
Härteste Zeile: I'd have paid the traitor and killed him much later
But that's just the way that I am
Zeile für die Ewigkeit: But the magician is quicker and his game
Is much thicker than blood and blacker than ink

4. baby stop crying
Ans Herz gehende balladenartige Musik, Chor
Thema: Was Liebe mit einem machen kann - Trauer und Verzweiflung durch Liebe
Idee: Freund (nicht Liebhaber) hört seiner Freundin zu, die durch Liebeskummer in tiefer Trauer und Verzweiflung ist. Durch ihn erfahren wir die Ambivalenz zwischen Helfen-Wollen, Wut auf den, der ihr dies antat, dem aufkommenden Bewußtsein, dass eine Grenze da ist, denn es sind ihre Gefühle und nicht die eigenen, um die es geht und die zählen und: die eigene Unfähigkeit, ihre Tränen (länger) zu ertragen.
Der Chor trägt das Stück: Baby, please stop crying
gelogendste und gleichzeitig wahrste Zeile des Refrains ever: You know, I know, the sun will always shine
Zweitzeile: Well I don´t have to be no doctor baby to know that you´re madly in love

5. is your love in vain?
langsame Musik, breit aufgestellt, tragende Orgel, Chor, fließend
Thema: Liebe ist höchstes Risiko - Willst Du mich wirklich lieben?
Idee: Das Lyrische Ich antwortet auf das Angebot einer Frau, die Nacht mit ihm zu verbringen.
Es sind die Fragen, die offen bleiben, die den song tragen: Denn es sind Fragen, die jede/r kennt – als Liebende/r oder Geliebte/r: Willst Du mich wirklich lieben? Weißt Du was Liebe ist und mit mir macht? Mit Dir macht und machen kann? Bist Du dazu wirklich bereit? Kann ich auf Dich zählen?
Das Lyrische Ich macht das Gegenangebot: Du kannst die Nacht haben und den Morgen dazu.
Zeilen, die mich umhauen: Do you understand my pain? Are you willing to risk it all or is your love in vain?

6. Senior
Tex-Mex-Ballade, reduzierte Musik, Chor
Thema: Trauma und Wiederaufbruch ins Leben
Idee: Wir erfahren von der Tragik eines Lebens dadurch, dass die Person, die sie erlebt hat, einem Fremden, dem angesprochenen Senior, erzählt. Wir sind also Beobachter und verfolgen die in Einzelszenen und Erinnerungen bestehenden Fetzen der Vergangenheit. Auf der Gegenwartsebene faßt die Hauptfigur im Laufe des songs den Entschluss zum Aufbruch. Auch hier ist ein treibendes Moment die Fragen, die der Ich-Erzähler dem senior stellt: durch die Art der Fragen erkennen wir den derzeitigen Zustand des Leidenden und Wiedergenesenden.
großartigste Zeile: just give me one minute to pick myself up off the floor, I´m ready when you are Senior

7. true love tends to forget
Ballade, Beschwörung, Hoffnung, touch of Gospel & soul
Thema: Wahre Liebe heilt alle Wunden
Idee: Den allgemeingültig daherkommende Satz, dass Liebe alle Wunden heilt, erleben wir ambivalent: als Mantra eines um Erlösung ringenden Liebenden, als notwendigen Bestandteil der Liebe und als reale Erfahrung und möglicherweise als (unausgesprochene) Forderung der Geliebten – alles aus dem Munde einer Person und zum Teil als Dialogfetzen zu seiner Geliebten bzw. großen Liebe gesprochen, die mal in Mexiko und mal in Tibet ist und mal gesehen wird in the wilderness among the men … und wir als Zuhörer dürfen wählen und schwanken und einstimmen in den Chorus: true love, true love, true love – tends to forget


8. we better talk this over
midtempo, zum Teil ungradige Nummer zwischen Rock und soul
Thema: Das Ende einer Beziehung
Idee: Das ist grad kein guter Zeitpunkt für einen Streit … sagt der Mann mit hangover, der die Nacht, so ist zu vermuten, woanders verbrachte … und um eine Ruhepause bittet und im weiteren Fortgang feststellt, dass es das war … vermeidbar? Es gibt zumindest viele Hinweise seinerseits, wie es besser oder zumindest nicht mit dieser Endgültigkeit hätte enden müssen – aber ihre Sicht bleibt Außen vor …
hoffnungsvollste endzeitzeile: You don't have to yearn for love, you don't have to be alone,
Somewheres in this universe there's a place that you can call home

9. Where are you tonight? (Journey through the dark heat)
midtempo, soulfull, groove, treibend, beschwörend, Chor
Thema: Wo bist Du, der ich Dich so brauche?
Idee: Ein Mann schreibt einen Brief an die Frau, die er vermißt und erzählt dabei deren beider Geschichte – ob der Brief einen Empfänger hat, ob es eine Adresse gibt, ob er gelesen und beantwortet wird: wir wissen es nicht. Aber wir erfahren die Geschichte, die irgendwie dazu führt, dass der Ich-Erzähler durch die Hölle ging und am Ende erstaunt feststellt, dass er lebt, dass dies aber nicht reicht ...
Intro-Zeile: There's a long-distance train rolling through the rain
Tears on the letter I write
Mittendrin 1: The truth was obscure, too profound and too pure
To live it you had to explode
Mittendrin 2: I fought with my twin, that enemy within
Till both of us fell by the way
Endzeile: I can't believe it, I can't believe I'm alive
But without you it doesn't seem right
Oh, where are you tonight?

Eine Art Zwischenfazit:
Es ist die Idee zur Geschichte, die Dylan erzählt, die das Thema interessant macht – die Art und Weise ist der Hebel, der ab da den ganzen Kosmos der Protagonisten bewegt. Die Hörenden sind Beobachtende des Geschehens, keine direkt Angesprochenen; zuweilen bietet sich das „I“ als Identifikation an – aber darauf legt es Dylan, glaube ich, nicht an: es geht eher darum, eine Geschehen zu verfolgen und sich seinen eigenen Reim zu machen.

Es geht nicht um Botschaften – obgleich diese dargereicht werden in großen Krügen, die vollgefüllt sind … es geht darum, dass die Hörenden die dargereichten Kelche bis zur zuweilen bitteren Neige leeren – um ihre eigenen Lehren zu ziehen, eine Geschichte zu hören, die einen möglicherweise „streetwise“ macht. Und möglicherweise sieht man anderes am Grund der Kelche – je nachdem, was man gerade selbst erlebt oder erlebt hat.

Immer wieder wechselt Dylan die Zeitebenen, zwischen beiläufigend Schilderungen kommen plötzlich Sätze, die einen umhauen, chronologische Geschichten werden durchbrochen von atmosphärischen Bildern, die zuweilen wie die apokalyptischen auf einen zugallopiert kommen, dann wieder holt der Chor einen in Gefilde, die Vereinzelung aufheben, aber auch nur für Momente - und dann es geht weiter und weiter und weiter ...

Der Chor hat eine immens wichtige Rolle: Er ist auf einer Ebene angesiedelt, die weder der Ich-Erzähler noch ein Allwissender Erzähler ist, aber eine Kommentator, eine Gemeinschaft, ein Background – eine Zwischenebene, derer ich mich nullkommanull bediene …
Zudem: treibend, belebend, ausladend, zuweilen Wunden leckend – emotional großartig greifend.

Zudem: groove, groove, groove, so weit man sieht. Das Tempo kann langsam sein bis zum Umfallen – aber es groovt.
Zudem: musikalisch eher größeres Besteck: neben Chor tritt eine Orgel auf oder ein Klavier, drum ist durch percussion verstärkt, Mandoline / Violine ist an Bord, Leadgitarre, mal Bläser. Sehr effektvoll, selbst bei reduzierten songs.

Bin mir nicht sicher, ob die Idee eines songtextes die Geschichte und der Bezugsrahmen ist, in der das Thema dargeboten wird – aber das ist eine These, die ich sicher weiter verfolge.

Anmerkung: Ich kenne die songs von Dylan, die ich höre, so gut, dass ich sie mitsinge. Trotzdem ist es etwas ganz anderes, auf den Text zu achten, ihn zu lesen, ihn bewußt wahrzunehmen. Und mich zu fragen, wie dieser Text funktioniert: und dabei habe ich gerade mal an der Oberfläche der Oberfläche gekratzt.
Und: Ich merke, dass ich das nie gemacht habe, weil ich eine unbewußte Abneigung dagegen habe. Genau so, wie ich mir nie die Akkorde angeschaut habe von Led Zeppelin. Mich hat es Nullkommanull gedrängt, mir das anzuschauen oder sie nachzuspielen.
Meine Vermutung: Ich will mir die Ehrfurcht bewahren. Ich will gar nicht zu genau wissen, wie es gemacht ist. Ich will lieber immer wieder überwältigt sein.
Seltsam und vermutlich höchst magisch bzw. mythisch gedacht - irgendwie wie im Traum, wo man auf keinen Fall etwas genauer anschauen will, um seinen Reiz zu erhalten - oder seine Furcht.
ln anderen Belangen bin ich eher das Gegenteil: neugierig, wissbegierig, spielerisch erforschend, Dinge auseinandernehmend und wieder zusammensetzen.

Ich glaube, beim Texten bin ich beides. Aber meistens nicht zur gleichen Zeit.

x-Riff
 
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Hallo @x-Riff, danke für deine ausführliche Behandlung von "street legal"

Weder "Blood on tracks" noch "Street legals" hab ich bisher konzentriert gehört.
Ich beginne das dank Eurer Anregungen nachzuholen. Denn es eignet sich mMn ausgezeichnet, gemeinsam über das Thema "Idee" weiter zu spekulieren.

Nehmen wir Dylan 1978. Seit einem Jahr lebte nun Dylan von seiner Frau und Muse Sara getrennt. Das Scheidungsverfahren war hart und endete für Bob Dylan sehr verlustreich. Das dürfte sein Frauenbild vorübergehend stark getrübt haben. Finanziell sah er sich plötzlich gezwungen, seine Tourneetätigkeit zu erhöhen. Dazu mußte schnell eine neue LP aufgenommen werden...

Ich höre diese Verbitterung und den Zeitdruck aus der LP. Dylankenner bemängeln an dieser innerhalb einer Woche aus dem Boden gestampften LP Dylans musikalischer Verlust an Stimme und Timing sowie Empathie.

Daneben war für Dylan wieder einmal die Zeit reif, sich neu zu erfinden. Dylans noch viele Jahre währende christliche Phase stand unmittelbar vor der Tür. Als wolle er sich vorher ein letztes Mal dagegen stemmen, knüpft der Dichter nochmals an seine hymnischen Ausdrucksformen der 60iger Jahre an.
Allein - es klingt in meinen Ohren seltsam hohl, ohne gesellschaftlich Relevanz. Bis heute gilt "Legal Street" als eine seiner schwächsten Kreationen. - Na gut, eine muß ja schließlich die Schwachste sein..:D

Was unser Thema "Idee" betrifft,

a) finde ich die Idee überwiegend in den Überschriften

b) dominiert in den angeblichen Liebesliedern vor allem Bob Dylans Wunsch, die Schmerzen der Trennung von seiner Exfrau Sara zu überwinden. Auch da, wo von angeblichen Gemeinsamkeiten die Rede ist, mutiert der romantische Dylan plötzlich zum Macho.

1. changing of the guards
Gleich in Zeile 1 spricht Dylan von 16 Jahren Schlacht. Damit könnte er seine Musikerjahre meinen. Und die "geliebte Maid", von der er spricht, könnte also gut Sara sein. Ich höre den Song als Verklärung seiner Ehejahre, wo er immer wieder " nach der Schlacht" in den heimischen Hafen zu sich finden konnte.
Zwischendurch läßt er in dem Text die Sprache räsonierend fliegen zum Thema Schlacht, was ich angesichts seiner vielen Konflikte mit Fans und Presse nur zu gut verstehe.

2. sieben weitere Songs
Die selbe Aufarbeitung findet mMn in 7 weiteren Songs statt. Abwechselnd geht es um Unterordnung (new Pony) Getriebensein (No Time to think) Sehnsucht nach Geborgensein (Baby Stop Crying) Sehnsucht nach Verständnis (isYour Love in vain) Enttäuschung (True Love Tends to forget) Schluß machen ( We better Talk this over) Verlassenheit (Where are you tonight? )

3. Die beiden restlichen Songs
(Legionaire desease) und ( Senor) beschäftigen sich mit dem Krieg.

Zum Thema "Idee" : ich finde Dylans Aufarbeitung seiner Scheidung hochinteressant. Die Themen scheinen für eine solche Situation durchaus normal und vielfältig, Aber Dylan verlagert sie bei fast jedem Song ins Metaphorische. Einerseits entspricht dies einfach seiner Sprache. Andererseits kann er SO hoch klingen und dennoch teilweise niedrig argumentieren. :D

Die Idee ( die Verlagerung ins Metaphorische) gestattet
- zum einen die (sorry, ich mag klare Worte) direkteTriebabfuhr...
- zum anderen ein mehr oder weniger zufälliges Räsonieren* über sonstige, momentan irgendwie akut bedrängende (sagen wir Mal) intellektuelle Fragen

Das klingt schärfer, als ich es meine. Künstler nehmen, aus welchem Grund auch immer, das Leben oft schwerer als der Durchschnitt. Sie leiden und träumen oft ( auch ohne Geld und Ruhm) für den Rest der Menschheit. Dafür benötigen sie Tricks. Ihre Zaubertricks sind sprichwörtlich - über die anderen plaudern wir gerade. ;-)

Widerspruch?

EDIT: * dieses nebenbei Räsonieren mag ich von Jahr mehr:
1. Alles nebenbei Gesagte nimmt sich (scheinbar) nicht so wichtig
2. Man freut sich als Hörer, wenn man über so eine Perle stolpert
3. Es lockert das Erzählen der Story wunderbar auf

Die meisten Anfänger übersehen die belebende Wirkung von überraschend Eingestreutem, zum Beispiel von spontanen Interjektionen! Vastehste, du Penna:rofl:

Lg :)
 
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Wow, Respekt! @x-Riff das du dir die Zeit genommen hast, so tief zu gehen.

Dylan. Hmmm, also den Namen habe ich schon mal gehört :D ... naja, ok. Ich wills mal so ausdrücken, habs einfach nie angehört. Aber ich denke mal das Dylan seine Texte und sich selbst nicht so wichtig genommen hat. Und das, gerade dann, wenns für ihn zu wichtig wurde. Er läßt es einfach weg oder bildet es anders ab.

Zum Songwriting mal ein aktueller Fall/Fail vom letzten WE. Und super typisch von mir.

Samstag: Ich am Keyboard. Drei Harmonien. Neugier das auszubauen. Gesungen was mir spontan dau einfiel, was schon für einen sinnvollen Text der erste Fehler war. Ich hab nur keine Zeit oder Geduld (kein Bock?) mich hinzusetzten und mir dazu Gedanken zu machen. Also kam das bei raus.

"Hört du mich, in der Ferne. Siehst du mich, Ach wie gerne. Hörst du mich, hinter Sternen. Siehst du mich, wenn ich träume. von dir, wenn ich träume vor dir."

Es ging mir nicht um den Text, sondern darum das sich die Gesangsmelodie über die Harmonien spannt. Und da ich mit dem entstandenen Inhalt auf zu viele Ideen/Wieso/Warum kam, hab ich mir lieber was zu Essen genommen. Später bin ich dann nur nochmal dran die Verse Harmonien zu bestimmen. Dann wars Zeit zu stoppen.

Sonntag:

Ich habe mir das Instrumental davon angehört und versucht Bilder im Kopf zu erhalten, die der Stimmung entsprechen. Was spüre ich wo? Wo bin ich? Wer ist da?, etc. etc... Ergebnis: Kindergarten. Mittagsruhe. Sich hinlegen müssen. Leise sein. Augen zu. Halb schlafend. Raschelnde Decken. Husten. Kurzes brabbeln. Schummrigen Raum. Sonne blitzt hinter schwarzen Vorhängen durch. Ich habe nur selten gelegenheit dort hinzureisen als ich 4 oder 5 war. Und weiss auch so nichts mehr davon, aber wenn ich es fühle dann seh ich es. Dann weiss ich sozusagen mehr als ich wissen kann. Wie als wäre es eine Art Traum, vergesse ich es wieder, wenn ich am nächsten Tag aufwache.

Alles schläft. zur Mittagsruh. Kalt greift die Sonne hinter Vorhängen lang. Betäubt bricht die Stille. Tonlose Schemen. Flüstern mich an und nehmen mich mit.

Gehalten und geborgen. Körperwärme nah. Würde ich jemals missen, das ich bin.

Macht kaum Sinn, da hier die Zeilene unvollständig erscheinen. Abgebrochen sind. Zu klein wirken. @Jongleur

Montag:
Text vom Samstag mit dem Text vom Sonntag zusammengeführt.

Strophe:
Alles schläft. zur Mittagsruh. Kalt greift die Sonne hinter Vorhängen lang. Betäubt bricht die Stille. Tonlose Schemen. Flüstern mich an und nehmen mich mit.

Steigung: Gehalten und geborgen. Wärmende Nähe. Würde ich jemals missen, das ich geboren bin.

Refrain: Hört du mich, in der Ferne. Spürst du meine Wärme. Hörst du mich, hinter den Sternen. Siehst du mich, wenn ich träume. von dir, wenn ich träume vor dir.

Ich hab das dann so stehen lassen, weil mir der Song als Instrument und die Gesangslinie spass macht. Gefällt mir textlicht nur überhaupt nicht. Das sind wieder 2 von einander unabhängige Sachen drin, die unwichtiger nicht sein könnten. Gerade weil es sich wichtig machen will. Ich könnte jetzt zehnmal neu ansetzen und auf keinen Konsens kommen. Was ich wieder mal habe ist eine Melodie OHNE Text. Und es schlumpft mich!

Die Idee mit dem Mantra schön und gut. Aber was ist wenn das nicht meine Arbeitsweise ist?

"Der arme Poet"

Ja, soviel dazu :)
--- Beiträge wurden zusammengefasst ---
Die meisten Anfänger übersehen die belebende Wirkung von überraschend Eingestreutem, zum Beispiel von spontanen Interjektionen! Vastehste, du Penna:rofl:

Schnüff. Schon, aber kann ich nicht. Und das schlumpft mich. WIRKLICH!
 
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