Ich frage mich, wie es zu dieser armeseligen Entwicklung gekommen ist. Als es Ende der 90er-Jahre mit der New Economy so richtig losging, wurden auch in der Musikbranche zahllose Prophezeihungen gemacht, von denen man sich eigentlich wundert, dass sie nicht eingetreten sind. So wurde bereits vor 20 Jahren vorausgesagt, dass es bald womöglich keine Plattenlabels mehr gibt, weil man sie in Zeiten von reinem MP3-Vertrieb nicht mehr bräuchte. Hier frage ich mich: Warum ist dieser Trend nicht eingetreten? Diese Crowdfundig-Idee ist jetzt auch schon rund 20 Jahre alt. Warum ist es bislang noch nicht einer einzigen Band gelungen, darüber wirklich bekannt zu werden. Eigentlich ist es absurd, dass auch heute noch die meisten Musiker/Bands auf einen Label-Deal hinarbeiten, also auf eine eigentlich völlig aus der Zeit gefallene Vertriebsform.
M. E. liegt das Problem an anderer Stelle: Jeder kann zwar was ins Internet stellen, konkurriert dort jedoch mit zigtausenden ähnlichen Anbietern und geht aufgrund seinen begrenzten Werbebudgets in der Masse schlicht unter. Daher braucht es immer noch reichweitenstarke Radio- und Fernsehsender, und finanzstarke Konzertveranstalter bzw. Discotheken, ohne die eine neue Platte auch in der heutigen Zeit anscheinend nicht bekannt werden kann. Diese Institutionen weigerten sich jedoch konsequent, die Produktionen z. B. aus Selbstverlagen, Heimstudios, Crowdfunding-Projekten etc. zu spielen. Während z. B. Ende der 90er unzählige Newcomer-Dance-Produzenten nicht mehr in sündteuren Profi-Studios unterwegs waren, sondern am heimischen Aldi-PC mit Software à la Magix Music Maker oder ReBirth die damit einhergehenden primitiveren Sounds produzierten und auf Seiten wie MP3.com, Vitaminic (leider schon lange nicht mehr existent) oder Myspace veröffentlichten, weigerten sich große DJ's wie Sven Väth oder Paul Van Dyk, mal solche Platten zu spielen. Während vor dem Aufkommen der Heimstudios die Dance-Szene immer auf der Suche nach dem "neuesten Kick" war, wurden auf einmal nur noch Titel, die auf "althergebrachte" Weise gemacht und veröffentlicht wurden, akzeptiert. Auch heute noch gibt es Musik-Veröffentlichungsplattformen wie z. B. Jamendo, aber kein aktueller Chart-Star hat seine Karriere dort begonnen. Ob nun Helene Fischer, Angelo Kelly, Calvin Harris oder David Guetta (die musikalische Qualität lasse ich mal als Geschmackssache stehen): Der große Erfolg kam überall nur durch eigentlich völlig überholte Label-Arbeit.
Allerdings sind die Radio- und TV-Sender, DJ's usw. aber auch nur Handlanger des Publikums. Hätte das Publikum mal diese neuen Formen von Musikproduktion und -vertrieb in nennenswertem Maße akzeptiert, hätten wir heute womöglich längst ein paar Selbstverleger, die sich ihr erstes Album per Crowdfunding finanziert haben, in den Charts. Letztlich liegt es also auch an uns, dass sich das nicht durchsetzt.
Im Internet gibt es ja unter
www.musik-train.de einen Radiosender, der nach der Maxime handelt: "Wovon mehr veröffentlicht wird, wird auch mehr gespielt." Das Problem ist aber auch da: So gut wie niemand interessiert sich für den.