Meine Güte habt Ihr da ein Thema drauf...sieht ja aus wie die Theorie zur Theorie...
Haiiiner bereitet sich vehement auf eine gehörlose Beethoven-Phase vor...
Mir ist auch der tiefere Sinn und Zweck des Ganzen nicht so ganz klar.
Ich will ja Theorie in der Tiefe nur soweit erfassen, wie ich es unbedingt selbst benötige, und das geht mir für mich selbst schon ein wenig zu weit.
Regeln in der Harmonielehre sind keine Naturgesetze wie in der Physik, nur Hilfen, um sich ein wenig besser zurecht zu finden im Akkordwirrwarr.
An Stellen, wo sie das nicht sind, dann eben nicht...
Es würde z.B. sicher Sinn machen, wenn abhängig von der detaillierten Analyse gänzlich unterschiedliche Skalen zur Anwendung kämen...
Für den Blues, für den traue ich mir eine Aussage ganz gut zu, gilt das wohl nicht. Ich bin mir recht sicher sagen zu können, dass weit
über 99% der Musiker, die sich in der Musikgeschichte Blues auf Ihre Fahnen geschrieben haben, von der theoretischen Tiefe dieses Threads
keinen blassen Dunst hatten.
Mit diesem Begriff "kadenzierend" stehe ich auf meinem Level schon ein wenig auf Kriegsfuß...hört denn ein Musikstück grundsätzlich auf,
sobald die Tonika erreicht ist? Doch wohl nicht...
Aber wenn was nach Blues aussieht, interessiert mich das schon wieder sehr, wenn auch nicht so sehr theoretisch in der Tiefe.
Ich habe ja über Jahre Blues-Schemata gesammelt, die als Noten oder Akkordfolgen veröffentlicht wurden.
Wobei ich die, die mir nicht gefallen haben, irgendwann gelöscht habe, sonst wäre das uferlos geworden. Ein Blues muss halt
auch nach Blues klingen. In jedem Fall habt Ihr da abgefahrene Varianten aufgeführt...habe mir das mal im Detail angeschaut...
Meine Einschätzung zu den genannten Blues-Varianten hier:
natürlich alles ohne Berücksichtigung einer Melodie wohlgemerkt, nur anhand der Akkorde und Skalen beurteilt.
Cold Duck Time:
richtig origineller Blues, der mir sehr gut gefällt. Das Akkordschema ist originell, hatte ich noch nicht, werde es wohl in meine Sammlung aufnehmen.
funktioniert aber nicht als Slow-Blues. Das muss eine Up-Tempo-Geschichte sein.
Der bIIImaj7 wird in einer Art genutzt, wie er im Blues häufig vorkommt. Nur die Stelle im Takt 9 des 12-Takt-Blues ist eher selten.
Sehr viel häufiger steht da ein II- oder bVI-Akkord oder halt noch der Einfach-Blues Kollege V7, letzterer aber in meinen gesammelten Schemata
fast gar nicht mehr.
Ich habe drei klasse Varianten mit bIII-Akkorden in Takt 9, die ich für würdig gehalten habe, in meine Sammlung zu kommen, die will ich Euch nicht vorenthalten.
Bei mir zur Vergleichbarkeit immer in C:
|| Cmj7 | Cmj7 | Gm7 |C7 | mit Cmj7 meine ich tatsächlich Cm(maj7), kein Schreibfehler
| Fj7 | Fj7 | Fm7 | Bb7 |
| Ebj7 | Ebm7 Ab7 | C#j7 |Dm7 G7 ||
|| Cm7 Ab/C | Cm7 Ab/C | Cm7 Ab/C | Cm7 Ab/C |
| Fm7 Eb/F | Fm7 Eb/F | Cm7 Ab/C | Cm7 Ab/C |
| Eb | Dm11/G G11 | Cm7 Ab/C | Cm7 Ab/C ||
|| C7 | F7 | C7 C#7 | C7 F#7 |
| F7 | F#°7 | C7 | C7 |
| Eb7 Ab7 | D7#5 G7#9 | C7 C/E F7 F#°7 | C/G Ebm7 Dm7 F7#9 ||
richtig coole Geschichte ist dieser IV7#9 am Ende und kein V-Akkord!
Es ist oft so im Blues, dass diese Maj7-Akkorde wie bIIImaj7, bVImaj7 und bIImaj7
direkt austauschbar oder zu ergänzen sind durch Ihre b7-Akkorde oder sogar m7-Akkorde.
The Kicker:
Die Vorbereitung des bIIImaj7 durch seine rel. IIm7 V7/bIII ist in der Tat sehr häufig im Blues,
das kann ich so auch bestätigen.
Natürlich ist der bIIImaj7 im Moll-Blues, damit meine ich also den mit Moll-Tonika, häufiger.
The Kicker ist eigentlich ein typischer Moll-Blues, bei dem in den ersten 4 Takten der Im7 durch den I9
ausgetauscht wurde. Kann man machen, muss aber nicht sein.
Nettles-Blues:
Die ersten 8 Takte göttlich, danach für meinen Geschmack, unterirdisch. Daher kam das so nicht in meine Sammlung.
Richtig süss und selten die Variante im Takt 3 und 4, danach die bekannte häufige Vorbereitung des bIIImaj7, der
diesmal im Takt 8 vom bVImaj7 gefolgt wird, was ich auch schöner finde als den bIIImaj7 über 2 Takte zu spielen
wie im Kicker. In Takt 8 ginge z.B. alternativ auch | bIIIm7 bVI7 |
Takt 9 und 10 finde ich schlichtweg grausam, das hat mit Blues wenig zu tun...
und dann dieses theoretische Konstrukt noch gefolgt durch einen Feld-Wald-Wiesen Turnaround...oh je....
Israel:
wunderschöner Moll-Blues. Ich mag solche Akkordfolgen mit diesen integrierten chromatischen Tonfolgen sehr gerne.
Da kommt immer so ein wenig James-Bond-Feeling auf. Diese Blues-Variante nehme ich gerne auf, aber ohne diesen
geradezu schauderhaften Imaj7 in Takt 7. Das geht so gar nicht. Der Komponist hatte wohl gedacht, da kommen so
viele IVm-Akkorde vorher, da schreibe ich keine rel.IIm7 V7/bIII im Takt 7, die bekannte Vorbereitung des bIIImaj7.
Das wäre aber trotzdem viel besser gegangen als der Imaj7. Wenn ein Akkord etwas zu häufig vorkommt, hilft eines
immer, das ist die Triton-Substitution.
Ich würde da im Takt 7 viele lieber | VII7 bVII7 | spielen,
oder schon mit Änderung im Takt 6: | IVm6 bII7 | VII7 bVII7 |
es ginge Takt 6 und 7 auch: | IVm6 bII7 | VIImaj7 bVIImaj7 |
oder auch: | IVm6 bII7 | bVImaj7 bVIImaj7 |
oder: | IVm6 bII7 | bVI7 bVIImaj7 |
Ihr seht im Blues habe ich oft viel zu sagen. Das ist auch so das Theorie-Level, das ich für sinnvoll halte bei dieser Musik.
Drüber hinaus, bringt nicht viel meines Erachtens.
In jedem Fall haben mich Eure Blues-Schemata wieder etwas bereichert, danke dafür...
ich hoffe, das war jetzt nicht zu sehr OT.