Um mal etwas grundlegender ranzugehen:
Blues wurde mit allem gespielt, was an Instrumenten verfügbar war. Zunächst wohl viel Banjo, später dann Gitarre. Und natürlich Mundharmonika, Klavier, Bass, Jug, Waschbrett, und so weiter. Resonatorgitarren waren beliebt weil sie laut waren (und robust), und später wurde es dann natürlich "elektrisch".
Es gibt viele Beispiele von Blues-Musikern, die in beiden Welten unterwegs waren. In der Regel kamen die - ganz klassisch - von der akustischen Gitarre und haben dann, auch wegen "lauter" und "mehr Auftritts-Chancen" und "das ist der Sound den die Leute wollen", zur E-Gitarre gewechselt.
Beispiele:
- Von Muddy Waters gibt es akustische Aufnahmen (zu finden z.B. unter "Plantation Recordings". Auf seinen ersten kommerziellen Aufnahmen mit E-Gitarre spielt er quasi identisch, gegen später konzentriert er sich dann mehr auf wenigere Lead-Parts.
- Mississippi Fred McDowell klingt auf der E-Gitarre sehr wie auf der A-Gitarre. Der macht halt sein Ding. Ist bei diesen rhythmischen Hill Country Blues Dingern aber immer so, siehe z.B. R.L. Burnside (Unterschied zwischen seinen "First Recordings" und den etwas wilderen Scheiben danach)
- Auch ein gutes Beispiel ist Lonnie Johnson - sehr solider Gitarrist mit Jazz-Einfluss, der auf beiden Instrumenten unterwegs war, von der Herangehensweise halt ein wenig anders.
Es hängt also nicht so sehr am Instrument, sondern auch und vor allem am Musik-Stil. Ewige krachende E-Gitarren-Soli gehen auf der A-Gitarre nicht ... aber es gibt eben ganz viel Blues, bei dem Soli quasi unbekannt sind. Auf den meisten legendären Aufnahmen z.B. aus der Chicago Blues zeit / Chess Recordings spielt die Gitarre eher rhythmische Riffs/Vamps, Akkorde, und ab und an mal "sowas wie ein kurzes Solo" (hat aber mit den heute weit verbreiteten x-Durchgang-Soli wenig zu tun).
Noch ein paar Beispiele:
- Der Gitarrist von Howlin' Wolf, eine Blues-Gitarren-Legende namens Hubert Sumlin, wurde von seinem Chef und Bandleader dazu verdonnert, gefälligst mit den Fingern zu spielen und nicht mit einem Plektrum. Mit Pick sei es zu schnell und nicht gefühlvoll genug.
- Auch B.B. King hat - man mag es kaum glauben - zunächst Akkorde auf einer akustischen Gitarre geschrubbt, bevor er mit Lucille und seinem Sound ganz bekannt wurde.
- Und andersrum - wer ein wirklich Hammer-Gitarrist ist, der spielt seine E-Gitarren-Sachen auch auf der A-Gitarre. Es gibt ein altes "Stevie Ray Vaughan Unplugged", war nur so ne halbe Stunde oder so, gibt diverse Clips auf YouTube. Da zeigt der Herr, wie er quasi 1:1 seine E-Gitarren-Parts auf der 12-String spielt.
Man darf nicht vergessen, dass das moderne Blues-Solo eher eine recht "neuzeitliche" Sache ist, die eigentlich erst so mit/nach...
... der Rock'n'Roll-Zeit (Startpunkt ist für mich immer Chuck Berry, Johnny B. Goode ist halt wirklich nur ein schneller Blues wo anstatt Shuffle halt straight gespielt wird),
... der British Invasion,
... diversen Star-Gitarristen (Clapton, Hendrix, Page, usw usw),
... der Akzeptanz von Blues als "Mainstream"-Musik (und nicht wie bis zur Mitte der 1950er Jahre als Musik für die Schwarze Landbevölkerung),
... der Annäherung an den Jazz
aufgekommen ist.
"Alter" Blues hat wie gesagt vielleicht ein Instrumental-Intro oder ein "Instrumental Break" über eine Form, aber das eher selten. Immer wieder rausgekramtes Beispiel: von Robert Johnson (und ob man will oder nicht, an dem Namen kommt man in der Blues-Welt nicht vorbei) gibt es auf allen Aufnahmen exakt ein rund 12-Taktiges Gitarrensolo. Eins. Auf 29 Songs, 42 Aufnahmen).
Ich breche also ganz klar eine Lanze dafür, dass - gerade im Blues - die akustische und elektrische Gitarre eng verwandt sind und - historisch gesehen - die meisten bekannten E-Gitarren-Blueser mit der A-Gitarre gelernt haben, und dass es da auch mehr als nur ein Paar enge Verbindungen in der Spielweise gibt. Aus Blues-Sicht sind E- und A-Gitarre meiner Meinung nach ein Instrument, nicht zwei grundlegend verschiedene.