cantulia
Registrierter Benutzer
Zuerst ein wenig zur Firma Bertone Locatelli.
Der Sitz des Akkordeon Herstellers Bertone Locatelli lag in Vercelli, dem dritten Zentrum der Akkordeonherstellung in Italien, neben Castelfidardo und Stradella. Hinter dem Namen verbergen sich zwei Personen, Carlo Bertone und Eusebio Locatelli. Der Vorname Eusebio läßt die Vermutung aufkommen daß zumindest er auch aus Vercelli stammt, da Sant'Eusebio di Vercelli ein örtlicher Heiliger ist. Es sind außer den Jahren der Existenz der Firma praktisch keine weiteren Angaben zur Historie der Firma einfach recherchierbar. Angegeben werden in verschiedenen Listen von Akkordeonherstellern 1921-1948/49. Andere bekannte Akkordeon Hersteller aus Vercelli sind/waren Cooperfisa, Guglielmo Ranco sowie auch die nun in Lyon beheimatete Firma Cavagnolo.
Das hier vorgestellte Instrument entstammt sicherlich den 40iger Jahren, da es schon über eine über der Tastatur, wie schwebend, gelagerte Registerleiste verfügt. Diese wirkt jedoch sehr wie "nachträglich" angebracht, was natürlich so nicht stimmt. Es zeigt nur daß das Instrument aus der Übergangszeit zwischen, auf der Rückseite der Klaviaturlade angebrachter Registerschieber, und einer modernen (Nachkriegs) Registermechanik stammt. Da die Firma 1948/49 geschlossen wurde, ist dies nach oben hin die zeitliche Begrenzung. Ein wenig irritierend ist, daß manche Bertone Locatelli Akkordeons die durch Recherche zu finden sind, moderner gestaltet sind als dieses hier Vorgestellte. Sie weisen auch eine eleganter integrierte Registermechanik auf. Zwei Möglichkeiten: Entweder stimmt das Datum der Schließung der Firma nicht, oder mein Instrument ist ein paar Jahre älter. Sicherlich wurden nach dem Krieg auch noch Bestände von Vorkriegsmodellen montiert und gegebenfalls leicht modernisiert/modifiziert.
Schon der erste Blick verrät daß es sich um ein Luxusinstrument der Zeit handelt. 120 Bässe, 9 Register im Diskant, eine durchaus ästhetische Gestaltung des gesamten Akkordens im Art-Deco Stil. Viele Luxus Akkordeons der Zeit sind allzu oft im Stil der Schow-Akkordeons übersäht mit Strass-Steinen und Perlmutt. Dieses hier, erfreulicherweise, übt da Zurückhaltung.
Erstanden habe ich das Akkordeon im Elsaß, dem Heimatland meiner Vorfahren. Dort findet man relativ häufig Tastenakkordeons, während im restlichen Frankreich eher das Knopfakkordeon vorherrscht. Ich bat einen nahezu ortsansässigen Freund es abzuholen.
Ein paar Wochen später stattete ich dann ihm einen Besuch ab, schon lange ungeduldig darauf die Neuanschaffung in Händen zu halten.
Äußerlich ist das Instrument leidlich bis relativ gut (fürs Alter) erhalten, keine zusätzlichen Bohrungen, nahezu keine fehlenden Verzierungen, keine größeren Schadstellen oder Ausbrüche, keine Fehlteile etc..
Äußerlich fallen dann schon ein paar Details auf, wie die hier zu erkennende Umrahmung des Bassgurteinlasses sowie der Öffnung für die Rändelmutter der Gurtverstellung.
Ein weiteres interessantes Détail sind die neben den Bassknöpfen angeordneten Schallöffnungen, rechts und links. Bis dato hatte ich das noch nie gesehen.
Auch das Bassverdeck ist mit aufwändigen Ornamenten als Schallöffnungen versehen wie hier zu erkennen
Interessant auch die dezente Abdeckung der Öffnung für die Klaviaturachse:
Und nicht zuletzt der auseinandergezogene blaue Balg mit Leinenbezug:
Es war "spielbar", wenn man darunter versteht, daß ein Ton erzeugt wurde wenn der Balg ausgezogen oder zusammengedrückt wurde,die Bassmechanik gängig, die Klappen schließen alle halbwegs dicht, ein paar Töne unangenehm daneben, aber halt alles funktionierend (irgendwie). Letztendlich aber eine gute Basis für eine Komplettrestaurierung. Und mir war natürlich vor dem Kauf klar auf was ich mich da einlassen würde.
Meine Freund meinte schon vorab am Telephon, daß das Instrument aber einen gehörigen "Bums" hätte. Das kann man schon so sagen.
Einmal zerlegt konnte ich dann auch endlich die inneren Werte erkennen. Einige Details sind recht außergewönlich und aufwändig, andere dann eher so wie ich es von meinen Cantulias her kenne: Im Innern sind die Holzteile eher nur sehr grob bearbeitet wo nicht die Funktion eine höhere Präzision verlangt. Andererseits muß man aber auch berücksichtigen, daß das Instrument aus Kriegszeiten bzw. frühen Nachkriegszeiten stammt.
Der Bass ist wie hier zu erkennen 5 chörig ausgeführt, es verfügt über zwei Register, betätigt über einen Registerschalter!
Er funktioniert mit einem Rastenmechanismus und kehrt immer wieder in eine Ausgangsstellung zurück, d.h. man muß zum Wechsel des Registers lediglich die eine Taste drücken, und dann wieder drücken, und dann wieder drücken...
Für ein Akkordeon mit nur zwei Registern im Bass sicherlich die bessere Lösung als zwei Tasten, da einfacher zu bedienen.
Auch die Bassmechanik ist sehr solide und übersichtlich ausgeführt, die obere Partie der Akkordmechanik mit den Knopfdrückern ist als Gesamtteil herausnehmbar. Das ist einfacher als heute bei italienischen Instrumenten üblich.
Der Endanschlag der Knopfdrücker besteht aus mit Garn umsponnenem Kupferdraht. Immerhin hat man sich damals dort schon Gedanken um eine Dämpfung des Anschlages gemacht (auch wenn Kork oder Filz dort angebrachter wären)
Praktisch alle Bauteile des Akkordeons sind mit Stempeln gemarkt, meiner Meinung nach ein wenig inflationärer Umgang damit. Auf der Innenseite der Bassabdeckung ist hier auch die Seriennummer (97) zu erkennen.
Hier nun das Diskantteil von Innen:
Gut zu erkennen die innenliegende Balgdichtung, Teile der Registermechanik und die 4 Stimmstöcke mit den Stempeln.
Das Instrument verfügt über Doppeloktavstimmung mit einer zusätzlichen Schwebetonreihe im 8", ist , also 4 chörig im Diskant.
Die meisten Schrauben, Bolzen und Hebel sind aus Messing gefertigt, die sonstigen Metallteile erfreulicherweise ohne Rost.
Die Schraubverbindungen der Registerkulissen sind mit Schraubensicherungslack gegen Lösen gesichert. Ein Détail welches Sorgfalt erkennen lässt.
Wie hier zu erkennen sind alle schwarzen Tasten sowie diejenigen Weißen, die auf die Stimmstöcke der schwarzen Tasten ausgelagert sind, mit einem Hebelmechanismus der Clavishebel versehen:
Noch ein paar Worte zum Balg.
Wie schon oben zu erkennen liegt die Balgdichtung im Innern des Gehäuses und nicht, wie zumeist üblich, zwischen den Außenkanten des Balgrahmens und den Gehäusen. Dies alleine bringt den Vorteil, daß eine außgeleierte Balgnagelbohrung im Bass sowie Diskantgehäuse keinen Einfluss auf die Dichtheit des Akkordeons hat. Doch Bertone Locatelli ist noch weiter gegangen um die Dichtheit rund um die Balgnägel herum sicherzustellen. Balgrahmenseitig sind Messingbuchsen eingelassen, mit passgenauen und verschleißfreien Bohrungen für die Balgnägel.
Das alles alleine ist schon super, doch man ging noch weiter wie folgende Aufnahme zeigt:
Man hat Balglederecken an der Innenseite des Balgrahmens um den "Ausgang" der Messingbuchsen angeklebt. Damit hat man jeglichen Luftverlust über die Balgnägel ausgeschlossen. Ein unglaublicher Aufwand.
Irgendwer hat im Laufe der Geschichte des Akkordens wohl mal die Balgnägel, in verschiedener Länge, vertauscht, so daß ein zu langer Balgnagel dann "schön" mehrere der Ledertaschen durchlöchert hat.
Der Balg verfügt auch auf der Innenseite Kalikostreifen.
Nun zu den Stimmstöcken, Stimmplatten und Ventilen.
Die Stimmstöcke selber sind nicht aus besonders hochwertigem Holz, doch die Stimmstocksohle ist recht präzise aus m.E. Buche gefertigt.
Im Diskant sind die Tonlöcher rechteckig, im Bass ist es eine Mélange aus runden und rechteckigen, letztere für die per Registerschieber gesteuerten Chöre. Die Registerschieber im Diskant sind in die Füllung integriert, die der Baßseite befinden sich in der Stimmstocksohle.
Die Stimmplatten sind alle nicht gewachst sondern auf Leder genagelt.
Dies ist insofern interessant, da dies hauptsächlich für Länder gefertigt wurde in welchen diese Befestigungsart üblich ist. Da in Frankreich dies die Regel ist, wäre es ein Indiz dafür daß das Instrument für den französischen Markt produziert wurde, vielleicht hat aber Bertone Locatelli auch generell diese Befestigung der Stimmplatten bevorzugt. Da wäre ein Vergleich mit anderen Instrumenten der Fa. von innen interessant. Diese Nagelung der Stimmplatten, mit Lederdichtung zwischen Stimmstock und Platte, bedingt auch andere Hölzer für den Stimmstockkörper. Das Holz darf nicht zu fest und dicht sein, da es sonst durch die Nägel reißen würde. Man verwendet dafür wohl Ulmenholz.
Die Qualität der Stimmplatten scheinen Maschinenplatten zu sein, die Nieten der kleinen im Piccolo liegenden Messingplatten sind jedoch handgenietet.
Natürlich sind die Ventile aus Leder. Was muß dem Akkordeon widerfahren sein daß der Stimmstock zu reparieren war?
Restaurierung:
Ziel der Restaurierung soll auf jeden Fall ein gut zu spielendes Akkordeon sein, doch aufgrund des Alters und der Seltenheit soll genauso Wert darauf gelegt werden daß so viel wie möglich an Originalteilen und Substanz bewahrt wird. Da werde ich dann immer wieder vor einem Konflikt stehen. Das fängt schon bei den Ventilen an. In Bezug auf gute Ansprache und Zuverlässigkeit wären Plast-Ventile im Großteil des Diskantes angesagt, doch das würde auch den Klang verändern und original wäre es auch nicht. Daher wird es wohl bei Lederventilen bleiben, aber warscheinlich, mehr als original, mit Federn verstärkt. Der nächste Punkt wäre die Nagelung der Stimmplatten. Ich bin ziemlich sicher, daß das Instrument mindestens einmal komplett renoviert wurde, inklusive einer Neunagelung der Platten. Darauf schließen die aus verschiedensten zusammengeschusterten Stücken zusammengesetzen Lederdichtungen.
Was würde mich erwarten wenn ich die Stimmplatten entfernen würde? Wahrscheinlich ein Stimmstock mit Nagellöchern übersäht. Lösung wäre dann die Platten mit Wachs zu befestigen. Doch keine Lösung im Sinne das alles so original wie möglich bleiben soll, letztendlich hat dies ja auch einen Einfluß auf den Klang. Und der soll ja auch so nah wie möglich am Original der 40er dran sein. Schön sind die benutzen Lederreste wahrlich nicht. Nach eingehender Prüfung werde ich da eine Entscheidung treffen müssen.
So das weitere Zerlegen hat begonnen:
Ein Haufen Tasten liegt da nun vor mir, alle sind schon mit Bleistift durchnummeriert, auch dies ein Zeichen daß schon einmal eine Grundüberholung durchgeführt wurde.
Hier die zerlegte Registermechanik, sie war sehr kompliziert aus dem Gehäuse zu separieren, aber vorher war die Tastatur nicht zerlegbar:
So hier das Ende des 1. Teils der Restaurierung mit der Vorstellung des Instrumentes. Ich werde in lockerer Folge den Fortschritt der Arbeiten anfügen.
Übrigens hat Herr Diaz aus D. auch ein solches Instrument restauriert, es ist auf seiner HP mit guten Photos zu finden. Es handelt sich aber um das entsprechende Knopfakkordeon.:
http://www.media-konkret.de/akkordeonshop/gx3/de/bertone-locatelli-c-griff-120-bass-musette.html
Es ist ein wenig anders dekoriert, vor allem mit Strass-Steinchen, wobei ich mir nicht sicher bin ob das keine "Verschönerung" seitens Herrn Diaz ist welcher so etwas liebt.
Wer weitergehende Informationen über diesen Akkordeonhersteller bzw. Unterlagen darüber hat kann sich natürlich gerne melden.
Roland
Der Sitz des Akkordeon Herstellers Bertone Locatelli lag in Vercelli, dem dritten Zentrum der Akkordeonherstellung in Italien, neben Castelfidardo und Stradella. Hinter dem Namen verbergen sich zwei Personen, Carlo Bertone und Eusebio Locatelli. Der Vorname Eusebio läßt die Vermutung aufkommen daß zumindest er auch aus Vercelli stammt, da Sant'Eusebio di Vercelli ein örtlicher Heiliger ist. Es sind außer den Jahren der Existenz der Firma praktisch keine weiteren Angaben zur Historie der Firma einfach recherchierbar. Angegeben werden in verschiedenen Listen von Akkordeonherstellern 1921-1948/49. Andere bekannte Akkordeon Hersteller aus Vercelli sind/waren Cooperfisa, Guglielmo Ranco sowie auch die nun in Lyon beheimatete Firma Cavagnolo.
Das hier vorgestellte Instrument entstammt sicherlich den 40iger Jahren, da es schon über eine über der Tastatur, wie schwebend, gelagerte Registerleiste verfügt. Diese wirkt jedoch sehr wie "nachträglich" angebracht, was natürlich so nicht stimmt. Es zeigt nur daß das Instrument aus der Übergangszeit zwischen, auf der Rückseite der Klaviaturlade angebrachter Registerschieber, und einer modernen (Nachkriegs) Registermechanik stammt. Da die Firma 1948/49 geschlossen wurde, ist dies nach oben hin die zeitliche Begrenzung. Ein wenig irritierend ist, daß manche Bertone Locatelli Akkordeons die durch Recherche zu finden sind, moderner gestaltet sind als dieses hier Vorgestellte. Sie weisen auch eine eleganter integrierte Registermechanik auf. Zwei Möglichkeiten: Entweder stimmt das Datum der Schließung der Firma nicht, oder mein Instrument ist ein paar Jahre älter. Sicherlich wurden nach dem Krieg auch noch Bestände von Vorkriegsmodellen montiert und gegebenfalls leicht modernisiert/modifiziert.
Schon der erste Blick verrät daß es sich um ein Luxusinstrument der Zeit handelt. 120 Bässe, 9 Register im Diskant, eine durchaus ästhetische Gestaltung des gesamten Akkordens im Art-Deco Stil. Viele Luxus Akkordeons der Zeit sind allzu oft im Stil der Schow-Akkordeons übersäht mit Strass-Steinen und Perlmutt. Dieses hier, erfreulicherweise, übt da Zurückhaltung.
Erstanden habe ich das Akkordeon im Elsaß, dem Heimatland meiner Vorfahren. Dort findet man relativ häufig Tastenakkordeons, während im restlichen Frankreich eher das Knopfakkordeon vorherrscht. Ich bat einen nahezu ortsansässigen Freund es abzuholen.
Ein paar Wochen später stattete ich dann ihm einen Besuch ab, schon lange ungeduldig darauf die Neuanschaffung in Händen zu halten.
Äußerlich ist das Instrument leidlich bis relativ gut (fürs Alter) erhalten, keine zusätzlichen Bohrungen, nahezu keine fehlenden Verzierungen, keine größeren Schadstellen oder Ausbrüche, keine Fehlteile etc..
Äußerlich fallen dann schon ein paar Details auf, wie die hier zu erkennende Umrahmung des Bassgurteinlasses sowie der Öffnung für die Rändelmutter der Gurtverstellung.
Ein weiteres interessantes Détail sind die neben den Bassknöpfen angeordneten Schallöffnungen, rechts und links. Bis dato hatte ich das noch nie gesehen.
Auch das Bassverdeck ist mit aufwändigen Ornamenten als Schallöffnungen versehen wie hier zu erkennen
Interessant auch die dezente Abdeckung der Öffnung für die Klaviaturachse:
Und nicht zuletzt der auseinandergezogene blaue Balg mit Leinenbezug:
Es war "spielbar", wenn man darunter versteht, daß ein Ton erzeugt wurde wenn der Balg ausgezogen oder zusammengedrückt wurde,die Bassmechanik gängig, die Klappen schließen alle halbwegs dicht, ein paar Töne unangenehm daneben, aber halt alles funktionierend (irgendwie). Letztendlich aber eine gute Basis für eine Komplettrestaurierung. Und mir war natürlich vor dem Kauf klar auf was ich mich da einlassen würde.
Meine Freund meinte schon vorab am Telephon, daß das Instrument aber einen gehörigen "Bums" hätte. Das kann man schon so sagen.
Einmal zerlegt konnte ich dann auch endlich die inneren Werte erkennen. Einige Details sind recht außergewönlich und aufwändig, andere dann eher so wie ich es von meinen Cantulias her kenne: Im Innern sind die Holzteile eher nur sehr grob bearbeitet wo nicht die Funktion eine höhere Präzision verlangt. Andererseits muß man aber auch berücksichtigen, daß das Instrument aus Kriegszeiten bzw. frühen Nachkriegszeiten stammt.
Der Bass ist wie hier zu erkennen 5 chörig ausgeführt, es verfügt über zwei Register, betätigt über einen Registerschalter!
Er funktioniert mit einem Rastenmechanismus und kehrt immer wieder in eine Ausgangsstellung zurück, d.h. man muß zum Wechsel des Registers lediglich die eine Taste drücken, und dann wieder drücken, und dann wieder drücken...
Für ein Akkordeon mit nur zwei Registern im Bass sicherlich die bessere Lösung als zwei Tasten, da einfacher zu bedienen.
Auch die Bassmechanik ist sehr solide und übersichtlich ausgeführt, die obere Partie der Akkordmechanik mit den Knopfdrückern ist als Gesamtteil herausnehmbar. Das ist einfacher als heute bei italienischen Instrumenten üblich.
Der Endanschlag der Knopfdrücker besteht aus mit Garn umsponnenem Kupferdraht. Immerhin hat man sich damals dort schon Gedanken um eine Dämpfung des Anschlages gemacht (auch wenn Kork oder Filz dort angebrachter wären)
Praktisch alle Bauteile des Akkordeons sind mit Stempeln gemarkt, meiner Meinung nach ein wenig inflationärer Umgang damit. Auf der Innenseite der Bassabdeckung ist hier auch die Seriennummer (97) zu erkennen.
Hier nun das Diskantteil von Innen:
Gut zu erkennen die innenliegende Balgdichtung, Teile der Registermechanik und die 4 Stimmstöcke mit den Stempeln.
Das Instrument verfügt über Doppeloktavstimmung mit einer zusätzlichen Schwebetonreihe im 8", ist , also 4 chörig im Diskant.
Die meisten Schrauben, Bolzen und Hebel sind aus Messing gefertigt, die sonstigen Metallteile erfreulicherweise ohne Rost.
Die Schraubverbindungen der Registerkulissen sind mit Schraubensicherungslack gegen Lösen gesichert. Ein Détail welches Sorgfalt erkennen lässt.
Wie hier zu erkennen sind alle schwarzen Tasten sowie diejenigen Weißen, die auf die Stimmstöcke der schwarzen Tasten ausgelagert sind, mit einem Hebelmechanismus der Clavishebel versehen:
Noch ein paar Worte zum Balg.
Wie schon oben zu erkennen liegt die Balgdichtung im Innern des Gehäuses und nicht, wie zumeist üblich, zwischen den Außenkanten des Balgrahmens und den Gehäusen. Dies alleine bringt den Vorteil, daß eine außgeleierte Balgnagelbohrung im Bass sowie Diskantgehäuse keinen Einfluss auf die Dichtheit des Akkordeons hat. Doch Bertone Locatelli ist noch weiter gegangen um die Dichtheit rund um die Balgnägel herum sicherzustellen. Balgrahmenseitig sind Messingbuchsen eingelassen, mit passgenauen und verschleißfreien Bohrungen für die Balgnägel.
Das alles alleine ist schon super, doch man ging noch weiter wie folgende Aufnahme zeigt:
Man hat Balglederecken an der Innenseite des Balgrahmens um den "Ausgang" der Messingbuchsen angeklebt. Damit hat man jeglichen Luftverlust über die Balgnägel ausgeschlossen. Ein unglaublicher Aufwand.
Irgendwer hat im Laufe der Geschichte des Akkordens wohl mal die Balgnägel, in verschiedener Länge, vertauscht, so daß ein zu langer Balgnagel dann "schön" mehrere der Ledertaschen durchlöchert hat.
Der Balg verfügt auch auf der Innenseite Kalikostreifen.
Nun zu den Stimmstöcken, Stimmplatten und Ventilen.
Die Stimmstöcke selber sind nicht aus besonders hochwertigem Holz, doch die Stimmstocksohle ist recht präzise aus m.E. Buche gefertigt.
Im Diskant sind die Tonlöcher rechteckig, im Bass ist es eine Mélange aus runden und rechteckigen, letztere für die per Registerschieber gesteuerten Chöre. Die Registerschieber im Diskant sind in die Füllung integriert, die der Baßseite befinden sich in der Stimmstocksohle.
Die Stimmplatten sind alle nicht gewachst sondern auf Leder genagelt.
Dies ist insofern interessant, da dies hauptsächlich für Länder gefertigt wurde in welchen diese Befestigungsart üblich ist. Da in Frankreich dies die Regel ist, wäre es ein Indiz dafür daß das Instrument für den französischen Markt produziert wurde, vielleicht hat aber Bertone Locatelli auch generell diese Befestigung der Stimmplatten bevorzugt. Da wäre ein Vergleich mit anderen Instrumenten der Fa. von innen interessant. Diese Nagelung der Stimmplatten, mit Lederdichtung zwischen Stimmstock und Platte, bedingt auch andere Hölzer für den Stimmstockkörper. Das Holz darf nicht zu fest und dicht sein, da es sonst durch die Nägel reißen würde. Man verwendet dafür wohl Ulmenholz.
Die Qualität der Stimmplatten scheinen Maschinenplatten zu sein, die Nieten der kleinen im Piccolo liegenden Messingplatten sind jedoch handgenietet.
Natürlich sind die Ventile aus Leder. Was muß dem Akkordeon widerfahren sein daß der Stimmstock zu reparieren war?
Restaurierung:
Ziel der Restaurierung soll auf jeden Fall ein gut zu spielendes Akkordeon sein, doch aufgrund des Alters und der Seltenheit soll genauso Wert darauf gelegt werden daß so viel wie möglich an Originalteilen und Substanz bewahrt wird. Da werde ich dann immer wieder vor einem Konflikt stehen. Das fängt schon bei den Ventilen an. In Bezug auf gute Ansprache und Zuverlässigkeit wären Plast-Ventile im Großteil des Diskantes angesagt, doch das würde auch den Klang verändern und original wäre es auch nicht. Daher wird es wohl bei Lederventilen bleiben, aber warscheinlich, mehr als original, mit Federn verstärkt. Der nächste Punkt wäre die Nagelung der Stimmplatten. Ich bin ziemlich sicher, daß das Instrument mindestens einmal komplett renoviert wurde, inklusive einer Neunagelung der Platten. Darauf schließen die aus verschiedensten zusammengeschusterten Stücken zusammengesetzen Lederdichtungen.
Was würde mich erwarten wenn ich die Stimmplatten entfernen würde? Wahrscheinlich ein Stimmstock mit Nagellöchern übersäht. Lösung wäre dann die Platten mit Wachs zu befestigen. Doch keine Lösung im Sinne das alles so original wie möglich bleiben soll, letztendlich hat dies ja auch einen Einfluß auf den Klang. Und der soll ja auch so nah wie möglich am Original der 40er dran sein. Schön sind die benutzen Lederreste wahrlich nicht. Nach eingehender Prüfung werde ich da eine Entscheidung treffen müssen.
So das weitere Zerlegen hat begonnen:
Ein Haufen Tasten liegt da nun vor mir, alle sind schon mit Bleistift durchnummeriert, auch dies ein Zeichen daß schon einmal eine Grundüberholung durchgeführt wurde.
Hier die zerlegte Registermechanik, sie war sehr kompliziert aus dem Gehäuse zu separieren, aber vorher war die Tastatur nicht zerlegbar:
So hier das Ende des 1. Teils der Restaurierung mit der Vorstellung des Instrumentes. Ich werde in lockerer Folge den Fortschritt der Arbeiten anfügen.
Übrigens hat Herr Diaz aus D. auch ein solches Instrument restauriert, es ist auf seiner HP mit guten Photos zu finden. Es handelt sich aber um das entsprechende Knopfakkordeon.:
http://www.media-konkret.de/akkordeonshop/gx3/de/bertone-locatelli-c-griff-120-bass-musette.html
Es ist ein wenig anders dekoriert, vor allem mit Strass-Steinchen, wobei ich mir nicht sicher bin ob das keine "Verschönerung" seitens Herrn Diaz ist welcher so etwas liebt.
Wer weitergehende Informationen über diesen Akkordeonhersteller bzw. Unterlagen darüber hat kann sich natürlich gerne melden.
Roland
- Eigenschaft
Zuletzt bearbeitet: