Soulagent79
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Worum geht's?
Eine T-Style Gitarre für 109€ von einer Hausmarke?!?
Kann das gutgehen?
Meine allererste E-Gitarre überhaupt war daals eine Hohner Professional TE-Custom, Made in Korea, also eine der „amtlichen“ Kopien der späten 80er Jahre, die sich qualitativ ungefähr auf besserem Squier-Niveau bewegte.
Nachdem ich die ersten Gehversuche auf sechs Saiten hinter mir hatte, wurde die Hohner schnell in die Ecke verbannt und ich wollte eine Gitarre, die mir besser gefiel. Ihr kennt das sicher auch, man muss erst eine Zeit mit dem Hobby Gitarre verbringen, um dahinter zu kommen, was einem wirklich gefällt. Als ich schließlich meine erste USA Strat bekam, die ich als Teeny viel aufregender fand, wurde die Hohner von mir nicht mehr angefasst und schließlich irgendwann verschenkt, nachdem sie nach mehreren Umzügen einiges abbekommen hatte.
Ab diesem Zeitpunkt habe ich viele Jahre keine Tele-Style Gitarre mehr mein Eigen genannt, bis ich vor einiger Zeit durch einen Tausch an eine fast neue Fender American Special Telecaster gekommen bin.
Das war schon eine ganz andere Klasse als die Hohner aus den 80ern. Zwar kein Custom-Shop, aber trotzdem ein gutes Instrument der Oberklasse, das qualitativ alle Fernost- und Mexiko-Gitarren hinter sich gelassen hat (obwohl die natürlich mitunter auch gut sind).
Warum habe ich nun diese billige Variante von Jack & Danny, der Music Store-Hausmarke, gekauft?
Ganz einfach: Aus Langeweile und Neugier. Da ich in den gehobeneren Preissegmenten gut abgedeckt bin, macht es mir in letzter Zeit viel Spaß, mich durch die untersten Preisregionen diverser Marken und Hersteller zu kämpfen, wie ihr an meinen Reviews der letzten Zeit gut erkennen könnt. Allerdings muss eine billige Gitarre immer einen interessanten Aspekt an sich haben, der mich reizt. Eine 08/15-Schülergitarre interessiert mich beispielsweise nicht genug.
Bei der vorliegen T-Style von Jack & Danny hat mich das Spec-Sheet sehr gereizt. Alnico Pickups, authentische Kopfplatte (die förmlich nach dem ‚Lawsuit‘ brüllt), Saitenführung durch den Korpus und ansonsten klassische Features, für die man dieses Urgestein aller E-Gitarren ja nur zu gut kennt. Außerdem ist sie mit 109€ inkl. Versand wirklich ein Schnäppchen und liegt somit noch etwas unter vergleichbaren Billigmarken, die man so kennt.
Ich hatte mir dieses Modell schon letzten Herbst im Store in Köln näher angesehen und hätte es damals beinahe schon gekauft.
Was dann nach der Bestellung bei mir ankam, hat mich überrascht. Allerdings sind die vom Music Store angegeben technischen Details nicht ganz stimmig mit denen der gelieferten Gitarre. Aber dazu im nächsten Abschnitt mehr.
Technisches...
Die Jack & Danny will ein Klassiker sein! Korpusform, Halsprofil und Bauweise entsprechen fast zu 100% dem Original. Sogar die Kopfplatte wurde hier in Vollendung kopiert. Ich freue mich darüber, weil es, ehrlich gesagt, mit ein Grund dafür war, dass ich diese Gitarre gekauft habe. Im aktuellen Katalog vom Store hat die Gitarre übrigens nicht die original F-Style Kopfplatte, sondern einen zusätzlichen, kleinen „Verklag-mich-nicht“-Zacken an der Spitze, wie man ihn unter anderem auch von Harley Benton kennt. Ob es Absicht ist, dass der Music Store nur im Internet die richtige Kopflattenform dieser Gitarre zeigt?
Das Halsprofil würde ich als mittleres C beschreiben, er liegt gut in der Hand, kein Knüppel, aber auch kein dünnes Treppengeländer. Das Ahorngriffbrett ist von oben auf den Ahornhals aufgeleimt. Ja, das klingt wie ein Nachteil, mir persönlich ist es allerdings egal, weil es keinen Unterschied macht und selbst Fender USA in den späten 60ern aufgeleimte Ahorngriffbretter verwendet hat. Bei vielen japanischen Lawsuit-Marken wurde dies sogar noch bis in die 80er Jahre hinein in dieser Weise gehandhabt. Immerhin hat man dadurch auch keinen Ärger mit einem Palisander-Skunkstripe, der von der CITES-Gesetzgebung betroffen wäre.
Die zweite Überraschung ist, dass das Griffbrett an den Kanten abgerollt ist. Erstaunlich, dass bei einer so günstigen Gitarre in der Fabrik Zeit für diese Arbeit ist. Das abgerollte Griffbrett kennt man vor allem von den heutigen USA-Fenders und es ist wirklich sehr angenehm beim Spielen. Bei echten Vintage-Gitarren, die lange und oft gespielt wurden, nimmt das Griffbrett mit der Zeit von selber diese Form an, bei einer ladenneuen Gitarre ist es jedoch eine Seltenheit.
Die Lackierung des Halses ist wiederum überhaupt nicht vintage-mäßig. Sie ist sehr dünn und das Holz schimmert hell hindurch. Wer bei Ahornhälsen auf honiggelben Vintagelook steht, wird hier nicht zufrieden sein, dafür ist das Griffgefühl auf der Rückseite schön holzig-stumpf und man bleibt nicht dran kleben.
Die Bundstäbchen sind dünn und niedrig. Der Begriff ‚fretless wonder‘ fällt mir dazu ein. Jemand, der ausschließlich auf dicke Jumbo-Drähte steht, wird sich erst dran gewöhnen müssen, für jemand anderen ist es aber vielleicht genau das richtige. Die Stäbchen sind zudem über den gesamten Hals gut abgerichtet. Der Trussrod ist leichtgängig und funktioniert perfekt. Insgesamt würde ich den Hals wirklich als sensationell gut für eine 109€ Gitarre beschreiben. Ich wüsste nicht, wo die Hälse meiner USA Fenders entscheidend besser wären. Die Mechaniken sind nicht die billige Hülsen-Variante, die im unteren Preisbereich oft Verwendung finden, sondern geschlossene, solide Standard-Teile, die die Stimmung zuverlässig halten. Hier gibt es ebenfalls nichts zu meckern. Die Nut ist aus Plastik, aber ganz gut gekerbt. Da diese Gitarre eh kein Tremolo hat, geht das schon in Ordnung so.
Das Pickguard ist einlagig, wie in den 50's üblich, aber es ist schön dick, kein labbriges Teil.
Die Kontrollplatte ist typisch T-Style, mit Volume- und Tone Poti, sowie einem 3-Way-Switch. Alles natürlich Asia-Ware, kein CTS, kein Switchcraft, aber die Hardware tut ihren Dienst, wie sie es soll und von außen sieht man sowieso keinen Unterschied. Die Potis sind angenehm schwergängig und kratzen nicht beim Drehen.
Besonders erfreut bin ich auch über die Bridge. Wir haben es hier mit dem klassischen „Aschenbecher“ und den drei doppelten „Barrel“-Saitenreitern zu tun, mit allen Ecken und Kanten (im wahrsten Sinne des Wortes). Ich mag das so und kann moderneren Varianten der Tele-Bridge nicht viel abgewinnen, weil sie den Sound zu sehr verändern. Lediglich die Saitenreiter aus Druckguss habe ich direkt gegen klassische Tele-Barrels aus Messing ersetzt.
Das Body-Finish ist gut ausgeführt. Keine Fehler, keine Nacklasen, einfach ein schönes, tiefes three-tone-sunburst mit milden Farbübergängen. Kein schrilles Clownburst.
Die Saiten werden durch Hülsen auf der Korpus Rückseite aufgezogen und nicht wie bei vielen anderen günstigen Teles von oben in die Bridge eingehängt.
Jetzt kommen wir zu den angekündigten Kontroversen:
Laut Music Store Homepage (Stand 07.02.’18) kommt die Jack & Danny mit Alnico Pickups. Dies stimmt leider nicht. Unter den Pickups befinden sich dunkelgraue Keramikbalken, die die Bundstäbchen von unten magnetisieren. Dass die nicht unbedingt schlechter sein müssen, wenn der restliche Pickup auf diese Bauweise abgestimmt ist, versteht sich von selbst, aus Marketinggründen ist es jedoch relevant. Die Frage „Alnico oder Keramik?“ trägt auf jeden Fall bei vielen Gitarristen zur Kaufentscheidung bei. Auch bei mir. Ich neige dazu einer T-Style mit Alnico-Pickups zu unterstellen, dass sie „irgendwie“ besser ist bzw. in eine höhere Kategorie gehört, auch wenn das natürlich nicht immer stimmen muss und es viele Gegenbeispiele gibt.
Punkt zwei der Spec-Kontroverse, der mich allerdings positiv überrascht hat: Laut Music Store Homepage hat diese T-Style einen Erle-Korpus, wie auch viele Modelle des Originalherstellers. Als Fender-Fanatiker weiß ich aber natürlich, dass die klassischen Telecasters aus den 50ern einen Esche-Korpus hatten. Esche steht im Ruf, perkussiver und knochiger zu klingen und ein echter Connaisseur der Materie würde eine Esche-Tele wohl immer einer Erle-Tele vorziehen.
Bei der vorliegenden Jack & Danny scheint es aber so zu sein, dass wir es mit einem Esche- statt einem Erle-Korpus zu tun haben. Die Maserung des Holzes deutet meiner Meinung nach sehr darauf hin. Schaut euch die Fotos genau an und schreibt mir mal in den Kommentaren, was ihr dazu meint. Erle ist okay, aber Esche wäre mir lieber, daher würde ich mich über diesen Patzer auf dem Spec-Sheet freuen! Ein weiteres Indiz für Esche ist das Gewicht. Man hebt sich zwar keinen Bruch, aber 3,5 kg bringt die J&D schon auf die Waage.
Praxis
Die T-Style kommt recht gut eingestellt und mit 9er Saiten bezogen aus dem Karton. Ein beiliegendes Checkblatt, informiert uns, dass die J&D von einem Musictore-Mitarbeiter kontrolliert und eingestellt wurde. Tatsächlich kann man nach dem Stimmen auch sofort losrocken, ohne erst eigene Einstellarbeiten vornehmen zu müssen.
Die Steg-Pickup klingt wirklich gut. Hell, twangig, aber auch noch mit ein bisschen Mitten-Growl. Richtig gut gefällt er mir mit etwas Overdrive bei crunchigen Akkorden und den drei tiefen Leersaiten, wenn sie einzeln angezupft werden. Dabei twangt es doch schon so, wie man es von einer T-Style erwartet. Der Hals-Pickup ist wattig und dunkel, klingt dabei sehr kehlig. Hier muss man schon mit etwas Gain bzw. Overdrive arbeiten, um ihn um Singen zu bringen. Sicher kein Allrounder, aber insgesamt okay. Die Mittelstellung bzw. beide Pickups gleichzeitig bringen den gewünschten Effekt des Tele-Klingelns.
Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich glatt denken, dass wir es hier tatsächlich mit Alnico-Pickups zu tun haben, obwohl es keine sind. Die schrillen Hochmitten, die man von vielen Keramik-Pickups kennt, hört man hier glücklicherweise nicht. Wie ich schon sagte: Man kann auch gute Keramik-PUs bauen, die Vintage-Klänge liefern, wenn man nur den Rest des PUs entsprechend darauf abstimmt. Insgesamt sind die Tonabnehmer zufriedenstellend. Der Klang des Originals kommt durch, aber man kann mit Sicherheit noch mehr aus dieser Gitarre herausholen. Mal sehen, vielleicht spendiere ich der J&D ein Set Toneriders.
Leider brummt die J&D leicht am Amp, wenn man gerade keines der Metallteile (inkl. Saiten) berührt. Am Röhrenamp hört man es deutlicher als an der Transe. Interessanterweise hatte ich schon mal dasselbe Problem mit einem Jack & Danny P-Bass. Offenbar hat man bei dem Hersteller diesbezüglich noch nicht so ganz den Bogen raus.
Ich habe bei dem vorliegenden Modell die Bridge (bzw. den „Aschenbecher“) einfach mit einem zusätzlichen Kabel an die Masse auf dem Volume-Poti gelötet, wodurch das Brummen nun so gut wie verschwunden ist. Warum machen die das nicht schon im Werk?
Fazit
Als erstes muss man natürlich festhalten, dass das Team von Music Store die Spezifikationen bezüglich dieses Modells berichtigen muss. Dass ich offenbar eine Esche- anstatt eine Erle T-Style bekommen habe, freut mich zwar, aber der Patzer mit den (nicht vorhandenen) Alnico-Pickups ist allerdings nicht so schön und wird sicherlich schon so manchen Käufer geärgert haben. Vielleicht hat auch der Hersteller in Fernost eigenmächtig etwas an den Specs geändert? Eine weitere Kuriosität ist, dass im Online-Shop und im Print-Katalog offenbar leicht verschiedene Gitarren gezeigt werden. Ich glaube, da ist dem Music Store irgendwas durcheinandergeraten.
Insgesamt liefert die Jack & Danny T-Style aber schon eine tolle Basis. Man darf nicht vergessen, dass diese Gitarre nur 109€ kostet. Sie spielt sich und sie klingt charakteristisch wie das große Vorbild. Haptisch, optisch und akustisch ist das Gesamtbild verblüffend authentisch, wenn natürlich auch die Vorbilder von Fender nicht gänzlich erreicht werden, dafür langt es dann freilich doch nicht. Auf besseres Squier-Niveau kann man sich aber mit J&D durchaus begeben.
Unglaublich, dass das zu diesem Preis überhaupt möglich ist. Das Highlight dieser Gitarre ist der Hals, welcher wirklich astrein bespielbar und gut verarbeitet ist. Ohne zu übertreiben, kann ich sagen, dass er durchaus mit den Hälsen meiner USA Strats mithalten kann. Gut finde ich auch die vom Original unverändert übernommene F-Style Kopfplatte und die Saitenführung durch den Korpus. Das findet man bei der Konkurrenz in dieser Preisregion so gut sie gar nicht. Selbst die fast doppelt so teure Squier Affinity Tele hat eine Toploading-Bridge, in die die Saiten von oben eingehängt werden, noch dazu auf sechs einzelne Reiter, wie bei einer Strat.
Klar, das kann man mögen, aber den klassischen Telesound kann damit nicht erreichen. Ich finde die Kombination von Barrel-Sattel und String-Through-Bridge, die die J&D liefert, sogar noch ausschlaggebender für den Sound als die Bauweise der Pickups.
Insgesamt würde ich euch die Jack & Danny T-Style, unter Beachtung der genannten Schwächen, doch empfehlen. Im Großen und Ganzen kann man hier nichts falsch machen. Selbst, wenn ihr bloß einen guten Hals und Korpus für ein eigenes Projekt sucht, lohnt sich die Anschaffung.
- Eigenschaft
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