Ich weiß was du meinst. Mein Gitarrenlehrer hat mit mir Pentatonik auf Ex gelernt. Heute bin ich ihm aber dankbar dafür und hab die letzten Jahre den größten Teil meines Übens der Improvisation und Pentatonik gelegt.
Habt ihr einfach ganz "stumpf" die Pattern auswendig gelernt und "verschiebt" sie einfach je nach Tonart?
Ja und ja. Es war in der Tat am Anfang ein stumpfes auswendig Lernen. Und das ist leider nötig um irgendwann gut darin zu werden.
Nutzt ihr außer Pentatoniken andere Tricks/Techniken zum improvisieren?
Ja natürlich und ich wette, dass genau das dein Problem ist: Das du nur weißt, dass es da irgend so ein System gibt, bei dem man nur 5 Noten spielt und damit in alle Modes der Dur Tonleitern reinpasst, aber nicht weiß, was es alles für Tricks gibt und was man damit alles anstellen kann. Am Anfang klingt es ja zugegebenermaßen auch wirklich stumpf und einfallslos. Das liegt aber nicht daran, das die Pentatonik nutzlos ist, sondern daran, das man nicht weiß, was man damit machen muss. Hier mal ein paar Sachen, was ich so kenne und finde, was man können kann/sollte:
- Bendings, Du musst gut benden können, damit das ganze lebhaft klingt.
- erweitere auf die volle A moll /C Dur Tonleiter. Je länger man 5 Töne spielt, desto weniger reichen 5 Töne aus. Irgendwann sollte man die restlichen 2 Töne der Tonleiter dazu nehmen.
- dasselbe gilt für die Töne, damit man im mixolydisch, lydisch, dorisch und wie der ganze Kram heißt, spielen kann. Wie oben gesagt, mit der Pentatonik kann man in allen Modes spielen und es hört sich immer harmonisch an. Mit der vollen Am C Tonleiter geht das je nach Mode nicht mehr. Dafür braucht man andere andere Noten. Du solltest wissen, wo welche Töne wo reinpassen.
- Arpeggios, Arpeggios bringen eine ganz neue Form der Melodik rein.
- Du musst wissen, dass man nicht einfach irgendetwas planlos runter rattern sollte, sondern das die Noten prinzipiell diejenigen des Akkords sind, über den du grade spielst.
- Du musst wissen, das man Nichts andauernd machen sollte! (D.h. eine bestimmte Technik oder Spielweise/Spielart andauern verwenden.) Alles was man andauernd macht, wird langweilig. Da ist es egal, ob das was man macht technisch gut ist. Selbst das stumpfe Runterrattern der Pentatonik kann für den Zuschauer in einer bestimmten Konstellation durchaus gut sein, nämlich wenn du grade über Minuten hochkomplexes und hochrythmisches Zeug gespielt hast. Das Gehirn kann diese Sachen nur ungefähr 30 - 60 sek erfassen. Anschließend wird ihm langweilig, und dann braucht das Gehirn eine Abwechslung. Achtung: Das gilt nicht unbedingt für entspannte Jazzimprovisationen. Da will man diesen Effekt grade nutzen.
- Du musst lernen die Geschwindigkeit und die Verzerrung bzw. Dynamik variieren zu können. Dynamik ist ein sehr mächtiges Instrument abwechslungsreich zu klingen. Viele Backing Tracks arbeiten ja auch nach einem Strophe Refrain Schema, bei dem der ,,Vers" eher ruhig ist und die ,,Strophe" laut und aufregend. Dem sollte man sich anpassen, also die Strophe ebenso "laut" zu spielen und Vers "leise". Wenn du ein Footswitch hast, kannst du den bei sowas prima einsetzen.
- lerne den Mut zur Lücke und mal ne Pause zu lassen.
- lerne rythmisch zu spielen. Pentatonik und Skalen heißt nicht nur Melodie, sondern auch Rythmus zu haben. Und Rythmus zu haben heißt nicht nur alles zu vierteln oder achteln. Beschränke dich um das mal zu üben auf 4 Noten. Weil du dir damit die Einschränkung in der Melodik gemacht hast, musst du nun auf rythmische Spielereien ausweichen. Bei mir funktioniert das ganz automatisch. Dann nehme Bendings dazu um das ganze auf die nächste Ebene zu heben. Und irgendwann kannst du dann mal 6 Noten spielen, und irgendwann daraus ganz ausbrechen.
- lasse mal Noten ausklingen. Bei vielen Songs/Backing Tracks gibt es Stellen die einen Akkord ausklingen lassen. Das sollte man prinzipiell bei der Improvisation auch machen. Prinzipiell kommt es gut, wenn die Note die man ausklingen lässt, der Grundton des Akkords ist.
- Freimachen. Der Anfang ist deswegen auch so schwer, weil man sich als schlechter Improvisateur fühlt und meint, seine schlechten Improvisationskünste vor anderen verstecken zu müssen. Es erfordert Überwindung wirklich aus sich rauszukommen. Als ich das erste Mal mit Leuten gejammt habe, hatte ich so ein Gefühl gehabt, als würde ich tiefe Geheimnisse von mir preis geben. Das muss man zulassen, denn tut man das nicht, blockiert man und Blockaden sind unglaublich hinderlich. Das Gefühl habe ich auch heute noch immer wieder, wenn ich mit neuen Leuten was zusammen mache.
- Zwischendurch sollte man immer wieder Wiederholungen seiner Licks haben. Wiederholungen implizieren, dass man weiß was man gespielt hat, was eine Professionalität suggeriert.
- Lerne zwischendurch Akkorde oder Teile von Akkorden zu spielen. Und zwar angepasst an den Akkord, den dir der Song vorgibt.
- Lerne Triolen und triolisch zu spielen. Ich glaube das gilt unbegründet als Selbstverständlichkeit?
- Wenn du Fortgeschrittener Gitarrist bist, kannst du dich ja mal an der Three Notes per String Technik probieren.
- und und und. Darüber gibt es soooo viel zu erzählen.
Wenn man manches (oder besser alles
) davon kann, dann hört sich das r i c h t i g gut an! Viele von diesen Sachen sind große Lektionen. Man lernt nicht einfach mal innerhalb eines Monats perfekt Arpeggios zu spielen und perfekt einzusetzen. Ich denke mit all den Sachen hat man Stoff für die nächsten Jahre, wollte man sie bis zu einem halbwegs stattlichen Level bringen.
Und vorallem: hattet ihr irgendwelche Eselsbrücken um die Theorie mit der Praxis zu verbinden?
Ich weiß jetzt leider nicht, was du mit Eselsbrücken meinst. Vielleicht ist das ja schon, dass was du suchtest.
Eine Frage hätte ich dazu noch, habt ihr gelernt die Pattern auswendig zu spielen/greifen oder habt ihr tatsächlich alle Noten auf dem Griffbrett intuitiv greifen gelernt?
Hatte ich in der Tat gemacht und man hat denke ich auch keine andere Möglichkeit als auf diese Weise anzufangen. Die Intuition was man greifen muss, stellt sich erst mit sehr viel Erfahrung ein. Und wer diese Intuition hat, der ist ein sehr guter und vor allem sehr fortgeschrittener Improvisierer.
PS: Ein Videohinweis hab ich noch:
Viel Erfolg und viel Spaß beim Üben!
PPS: Bevor mir irgendeiner wegen der direkten Ratschläge und Verallgemeinerungen reingrätscht: Ich weiß. Aber ich kann nicht für jede erdenkliche Situation das passende Verfahren beschreiben, sonst säße ich das nächste Jahr noch hier dran.