...und Lana Del Rey ist eine durchaus talentierte Musikerin, die es nach diversen Fehlstarts nun recht weit nach oben gebracht hat. Übrigens gerade auf Tournee. Heute Abend in Chicago, davor 1-2 Auftritte wegen Grippe abgesagt.
So schlimm man ihre Musik finden kann - so kann man sich dann aber auch fragen "hm, wann war ich das letzte Mal auf Welttournee"?
Ich finde es nach wie vor - besonders seit dieser Thread auf der ach so tollen Forums-Startseite gelandet ist - etwas erschreckend, wie in einem Musiker-Board über andere Musiker geredet wird.
Ich kann Ablehnung gegenüber Kommerz-Musik verstehen, absolut. Nicht verstehen kann ich - unter Musikern - das Ausblenden dass die jeweils heißgeliebte "eigene" Musik oft auch Kommerz ist. Ob es nun die ganzen HairMetal-Bands der 1980er oder die diversen gepushten "Grunge"bands nach Nirvana waren, oder selbst die Glam-Rocker der 70er oder einige Punkbands oder auch die Rolling Stones und Beatles... kopiert, gecovert und abgekupfert wurde immer. Kommerz war immer schon dabei. Auch die von mir so innig geliebten alten Blues-Aufnahmen der 1920er Jahre kann ich nur hören, weil die US-Plattenindustrie damals die schwarze Landbevölkerung als Zielgruppe entdeckt hat. Kommerz.
Klar, es gibt auch die armen und verkannten Genies, die dann oft erst nach dem Tod auf einmal wichtig sind (z.B. Nick Drake) ... aber meistens prägen doch diejenigen, die zu Lebzeiten ein paar richtige Erfolge feiern konnten.
Allen in den 60er- bis 90er Jahren steckengebliebenen kann ich weiterhin nur immer wieder empfehlen, sich mal grössere Ohren anzuschaffen und auch mal neue Sachen zuzulassen. Es gibt viel gute Musik da in der Welt. Ich habe auch meine Favoriten aus der guten alten Zeit, und ich mache beileibe nicht jeden Trend mit. Aber ich finde jedes Jahr doch 2-5 Alben, die mir wirklich wirklich gut gefallen. Die letzte Scheibe von The War On Drugs beispielsweise. Oder die allerletzte Platte von Sharon Jones. Oder auch die letzte von Michael Kiwanuka. Kauft Euch mal das englische "Uncut" Magazin, hört mal in den "All Songs Considered" Podcast von NPR Music rein, sucht mal Playlists auf Spotify oder sonstwo... für einen ernsthaft an Musik interessierten Menschen gibt's da ganz viel zu finden, und mal was Neues auf die Ohren. Erfirschend!
Das beste Beispiel für den Umgang mit "Kommerzkacke" hat einer meiner Lieblings-Artists geschaffen. Ryan Adams sollte man als Rock-Interessierter mal gehört haben, über seine mittlerweile auch über 20jährige Karriere ein gutes Spektrum von Folk, Country und Rock abgedeckt. Und eben mit "1989" das komplette gleichnamige Album von Taylor Swift gecovert - jedes Lied, selbe Reihenfolge, eigene Arrangements. Und siehe da - auch so funktionieren die Songs. Und noch "schlimmer" - Adams und Swift kennen sich, sind befreundet, und das über Genregrenzen hinweg! Ein guter Song hält ganz ganz viele Genres und Versionen aus und bleibt immer noch gut.
Um die Kurve zu kriegen: Mann kann mögen oder nicht mögen was man will, das steht jedem frei. Man kann Trends mitmachen oder nicht, auch hier kann jeder wie er will. Man kann sogar ganz offen protestieren, ablehnen, dagegen sein... alles gut. Ein pauschales allgemeines Runtermachen von kommerzieller Popmusik bzw. deren Anhängern finde ich in Musiker-Kreisen unangebracht. Meiner Meinung nach muss sich ein Musiker, der den Appeal von ... sagen wir mal "Video Games" von Lana Del Rey ... nicht versteht fragen, ob er sich wirklich "Musiker" nennen sollte.
Oder ganz kurz: "Radiohead ist besser als Lana Del Rey" ist aus meiner Sicht eine untragbare Aussage für Musiker. "Radiohead finde ich besser als Lana Del Rey" ist absolut in Ordnung.
Ansonsten empfehle ich mal Füsse stillhalten ob es bei diesem Thema nun eine weitere Runde gibt oder nicht. So schnell wird sich die Welt hier nicht drehen nehme ich an.