Dann schließe ich an Telefunkys Beitrag doch direkt mal meinen Senf an - von mir aus kann mein erster Beitrag oben dann gelöscht werden (zumal ich den obigen Absatz zum Klang hier einfach runterkopiert habe, das Bild dito)...
Name
Siemens V276
Typ
einkanaliger Mikrofon-Vorverstärker
Preis
gebraucht, je nach Anbieter und Zustand, 400,- bis 650,- € (ohne Zusatzgeräte)
Spezifikation
Der Verstärker ist einem Einschub untergebracht, der ursprünglich in die siemens-eigenen SiTraL(Silizium-Transistoren-Leiterplattentechnik)-Kassettenträger eingesteckt wurde (und mit seinen Kontakten dort automatisch in einem Gegenstecker landete). Er benötigt eine 24-V-Gleichspannung. Siemens bot zu dem Zweck das Netzteil N224a oder ähnliche Varianten an.
Für den V276 passende Gegenstecker mit Lötfahnen kriegt man im Elektronikladen. Originale Kassettenträger werden gebraucht ziemlich teuer gehandelt - von daher lohnt es sich, ein passendes Netzteil ggf. selbst zu bauen.
Aufgebaut ist das gute Stück - Baujahr 1967 - in diskreter Transistortechnik. Bei den Ein- und Ausgangsübertragern und auch im Rest der Schaltung wurde kompromißlos auf Qualität geachtet - die Kosten spielten eine untergeordnete Rolle. Das Gerät kostete in den späten 60er Jahren an die 2000,- DM (das wären
nach Preisindizes umgerechnet heute etwa 2.900 Ocken
).
Ach ja: Die Spannungsversorgung für die Mikrofone war in den Funkhaus-Studios separat untergebracht, der V276 selbst bietet also keine 48-V-Phantomspeisung.
In der Handhabung empfinde ich das Gerät als sehr unkompliziert. Beim Gebrauchtkauf sollte man nur darauf achten, daß die Kontakte am Pegelschalter einwandfrei arbeiten (falls nicht: den Preis runterfeilschen
) - an meinem gab es Verschmutzungen, die mich allerdings nicht weiter stören; die Frequenz steht.
Verstärkung
0 bis 86 dB, grober Bereich wird über einen Drehschalter eingestellt, die Feineinstellung läuft über das darunterliegende Poti.
Zusätzlich gibt's einen dreistufigen Hochpaßfilter gegen Körperschall. Stand (meines Wissens) fürs Fernsehen bei 120 Hz, für den Hörfunk ("wir" bzw. unsere Hörer hatten damals eben doch die besseren Lautsprecher
) bei 80 Hz.
Klangbild
Entwickelt wurde der V276 Mitte der 60er Jahre (soweit ich weiß, vor allem vom Münchner
Institut für Rundfunktechnik) für die Funkhäuser der ARD-Hörfunk-(und Fernseh-)Sender. Man hört dem V276 an, daß er aus einer Zeit stammt, in der man noch nicht von Vintage-Touch sprach, in der man aber einen zuverlässigen Ersatz für die Verstärker der letzten Röhrengeneration brauchte - und der Vertreter dieser Generation, der V76, klang für ein Röhrengerät schon etwas neutraler als man so denken möchte.
Der V276 fungierte also als Nachfolger des V
76 (der seinerseits wiederum ein entfernter Abkömmling des legendären
"Beatles-Verstärkers" V72 ist) - eines Verstärkers, der heute zu den weltweit gesuchten Röhren-Mikrofonverstärkern zählt. Aus diesem Grunde würde ich vermuten, daß die ARD ein Nachfolge-Gerät haben wollte, das zwar die Vorteile der Transistortechnik mitbrachte, sich aber im Klang möglichst nicht allzusehr vom Vorläufer unterscheiden sollte. Schließlich blieben die Mikros und Studios dieselben wie vorher.
Ich habe mir mal den Spaß gemacht, den V276 bei Sprachaufnahmen über ein Neumann TLM49 mit einem seiner Vorläufer, einem 1964er (Röhren-)V76
zu vergleichen - bekanntlich ist der V76 mittlerweile ein gesuchtes und saumäßig teuer gehandeltes Teil. Nach meinem Eindruck hört man natürlich einen Klangunterschied - allerdings bleibt der V276-Transistor nicht so weit hinter der V76-Röhre zurück, wie man bei diesem enormen Gebrauchtpreis-Unterschied (nach meinem Eindruck kostet der V76 schnell das fünf- bis sechsfache, wenn man überhaupt mal einen findet) denken könnte.
Mein (hemdsärmeliger) Eindruck: der V276 klingt betont "neutral" und schnörkellos
, ohne auf Vintage-Charakter herumzureiten. Im Vergleich zum V76 vor allem mit etwas weniger schmusigem "Samt" in den Tiefmitten. Im Vergleich zu den Vorverstärkern meines Mackie-Mischpultes weniger tiefenbetont - schlanker.
Dirk Groll hat den Klang des V276 vor Jahren mal in der Zeitschrift
Keyboards so umschrieben:
"Über alle Zweifel erhaben. Er liefert eine absolut saubere, rauscharme Vorverstärkung sowie ein druckvolles und ausgewogenes Ausgangssignal mit einem Hauch Vintage-Touch. Die Bässe werden definiert und straff übertragen, die Mitten sind präsent, und auf den Höhen liegt ein feiner, seidiger Schimmer, der sich auch bei Gesangsaufnahmen für heutige R'n'B-Produktionen äußerst vorteilhaft macht. Die größte Stärke bei diesem glasklaren Klangbild liegt aber in einem extrem feinen Auflösungsvermögen, welches filigranste Details plastisch herausstellt."
Wenn sich mal jemand über den Klang meiner Sprachaufnahmen beschwert hat, dann lag das bislang jedenfalls nicht am V 276
.
Anwendungsbereich
Ich würde mal davon ausgehen, daß der V276 dazu gedacht war, alle Studiobereiche von Sprachaufnahmen über Hörspiel und Klangkunst bis hin zur Musikproduktion abzudecken. Schließlich sollte er in den Funkhäusern als universell einsetzbarer Verstärker fungieren. Klassisch kombiniert wurde er dort z.B. mit Neumann-Mikrofonen vom Typ M49, M50, KM84, mit XY-Stereomikrofonen oder natürlich später mit den bekannten U87 etc.
Alternativen
Parallelprodukte der Firmen Neumann, Telefunken, ANT, TAB, LAWO etc., sie alle tragen die Bezeichnung V x76, also je nach Hersteller V376, V476, V676 etc.
Mit kleineren Modifikationen gab es später den V x76a, also V276a etc.
Einige heutige Gebraucht-Anbieter bauen die alten Kassetten zusammen mit einem passenden Netzteil und ggf. einer Phantomspeisung in einen Kasten ein und verkaufen es en bloc. Das wird dann natürlich schon mal deutlich teurer als der Verstärker allein.