Hallo mikemeloni,
ich finde den Ton der ersten beiden Antworten auch unangebracht, aber hier bist du mit deiner Frage richtig.
Das Mellotron M4000 ist einerseits sehr übersichtlich und man kann schnell ohne Vorkenntnisse die Instrumente auswählen. Die zwei Displays zeigen dabei vor allem die ausgewählten Instrumente an, so dass sich der Einsatz auf ein Minimum beschränkt.
Andererseits solltest du aber bedenken, dass das M4000 vor allem Mellotron-Sounds erzeugt.
Das Mellotron ist ein Musikinstrument aus den 1960er-Jahren, das Tonbandaufnahmen von echten Instrumenten abspielen konnte. Dessen Klangcharakter ist ziemlich speziell und stark von leichten Verstimmungen, Rauschen und ähnlichen "Störgeräuschen" geprägt. Daher klingt so ziemlich alles, was damit gespielt wird, als wäre es vor einem halben Jahrhundert aufgenommen worden. Das ist manchmal gewünscht, wenn man bewusst einen Vintage-Charakter erzielen will. Der Nachteil ist aber, dass man diesen Charakter kaum los wird, wenn man moderner, realistischer klingen will.
Zudem ist die Soundauswahl relativ beschränkt. Man muss sich vor allem mit dem begnügen, was ursprünglich mit dem Mellotron (und verwandten Instrumenten) möglich war und was dafür aufgenommen wurde. Das bedeutet: jeder Sound ist auf die 35 ursprünglichen Tasten des Mellotrons beschränkt. Gerade bei Instrumenten mit größerem Tonumfang wie beispielsweise Klavieren oder Orgeln stößt man da schnell an die Grenzen. Es kann sein, dass das M4000 bei den Noten jenseits des Tonumfangs die vorhandenen Aufnahmen entsprechend tiefer oder höher abspielt, um das zu umgehen, allerdings klingt das dann noch einmal ein Stück künstlicher.
Du schreibst, du würdest gerne Sitars und Banjos verwenden. Beides ist mit dem M4000 nicht möglich. Sitars wurden meines Wissens nie für ein Mellotron oder verwandtes Instrument aufgenommen und spielbar gemacht. Banjos gab es zumindest mal für das dem Mellotron ähnliche Chamberlin, aber der Sound ist nicht
unter den 100 Sounds des M4000. Das Nächste wären wohl Mandolinen.
Des weiteren gibt es bei jedem Sound pro Taste nur eine Aufnahme, die abgespielt wird. Instrumente, die je nach Lautstärke auch anders klingen, beispielsweise Blechblasinstrumente, klingen damit noch einmal weniger authentisch. Überhaupt sind Mellotrons in der Regel sehr undynamisch, die Originale aus den 60ern hatten nicht einmal eine Anschlagdynamik, jede Note war etwa gleich laut. Beim M4000 lässt sich die Anschlagdynamik zumindest in den Optionen hinzuschalten, allerdings klingt das immer noch eher statisch.
Ich selbst besitze nicht das M4000, aber habe eine recht umfangreiche Software-Sammlung an Mellotron-Sounds, die das selbe Ausgangsmaterial nutzen wie das M4000. Den speziellen Sound-Charakter nutze ich gerne hin und wieder. Aber als Mittelpunkt der Musikproduktion, mit dem man alle möglichen Instrumente realistisch nachbilden will, würde ich davon stark abraten.
Wenn es im Modul/Expander-Format sein soll (also Klangerzeugung ohne eingebaute Tastatur) gibt es aktuell nicht so viele Alternativen, aber dennoch würde ich diese dem M4000 vorziehen:
- Von Yamaha gäbe es den Motif Rack XS. Banjo und Sitar gibt es, dazu noch Unmengen an anderen Sounds (ab Seite 2). Im Grunde ist dort wirklich alles dabei, allerdings ist das Modul schon von 2008. Gerade auch, weil du meintest, die Yamaha-Flöten würden dir weniger gefallen, würde ich mir dennoch ein paar Demos durchhören.
- Von Roland gäbe es den Integra-7, aus dem Jahr 2012. Das Konzept ist ähnlich wie beim Motif Rack XS: durch die Bank ist alles dabei. Und zwar wirklich alles. Noch mit deutlich mehr Sounds als beim Motif. Banjo und Sitar gibt es gleich in mehreren Ausführungen, konventionellere Instrumente selbstverständlich auch. Nachteil ist, dass man bei all diesen Sounds natürlich erst einmal etwas Herumsuchen muss, wenn man etwas Spezielles sucht. Zudem sind manche Sounds auf (vorinstallierten) Erweiterungssets enthalten, die man aber erst manuell laden muss, bevor man sie benutzen kann. Und davon gehen maximal vier gleichzeitig. Das ist mit etwas mehr Einarbeitung verbunden.
Beide liegen bei um die 1500€. Mehr Expander für Allrounder-Sounds gibt es aktuell nicht, der Markt ist in den letzten Jahren recht geschrumpft. Gebraucht ist die Auswahl natürlich größer, allerdings sind die Sounds teilweise nicht mehr ganz aktuell, so dass man sich vorher Demos dazu anhören sollte.
Für Video-Demos der beiden aufgeführten Expander kann ich den YouTube-Channel "musictrackjp" empfehlen, der beide Module getestet hat:
Motif Rack XS und
Integra-7. Die Sprache ist Japanisch, allerdings lassen sich englische Untertitel einschalten. Zudem sprechen die Sounds wohl für sich selbst.
Mit Tastatur gäbe es dann natürlich ein paar Workstations. Das ist zugegeben nicht mein Spezialgebiet.
Aber, was ich mir bei dir noch vorstellen könnte: etwas von Clavia/Nord.
Deren Geräte sind in der Regel sehr intuitiv bedienbar und nutzen das Display fast nur zum Anzeigen vom Namen des ausgewählten Sounds. Sie haben Sample-Speicherplatz, den man nach eigenen Wünschen befüllen kann und auf ihrer Webseite finden sich
auch ziemlich viele unterschiedliche Sounds. Diese kann man einfach runterladen und per USB aufs Gerät laden. Wie viel Speicherplatz zur Verfügung steht, ist je nach Modell unterschiedlich, aber man bringt bei den neueren Modellen schon relativ viel unter. Zudem ist bei vielen Modellen noch eine gute Orgel-Simulation dabei, die keinen Speicherplatz braucht. Für detaillierte Klavier-Sounds (Flügel, Rhodes, Clavinet etc.) gibt es zudem noch getrennten Speicherplatz.
Falls du die original Mellotron-Sounds magst, findest du einen Großteil davon übrigens auch in der Nord Sample Library. Selbst das Chamberlin Banjo, das im M4000 nicht dabei ist.
Dafür sind die orchestralen Sounds wie Bläser und Streicher oftmals nicht ganz so detailreich wie bei anderen Herstellern. In erster Linie sind sie für den Live-Einsatz gedacht. Man kann sie durchaus für Produktionen nutzen, aber so wie bei echten Studiomusikern wird es nicht klingen. Das ist ein bisschen der Preis, den man für die einfache Bedienung zahlen muss.
Und wo wir schon beim Preis sind, kommt ein weiterer Nachteil: Clavia/Nord kostet in der Regel mehr als Vergleichbares von Yamaha, Roland oder Korg.
Das günstigste Modell wäre derzeit der Nord Electro 5D 61, der neu bei etwa 1800€ liegt. Der Speicherplatz dort reicht für etwa ein Dutzend Klaviersounds und 50-100 sonstige Sample-Sounds (Orchester, Mellotron, Zupfinstrumente etc.).
Da der Speicherbedarf pro Sound schwankt und teilweise auch Sounds in unterschiedlichem Detailgrad und Speicherbedarf angeboten werden, soll das nur mal ein grober Richtwert sein. Es zeigt aber, dass das schon andere Dimensionen als bei den Expandern von Yamaha und Roland sind. Dafür bleibt es aber auch übersichtlicher. Und bei den Expandern gibt es auch einige Sounds in mehrfacher Ausführung, zum Beispiel mit unterschiedlichen Effekten. Das kann man bei Nord natürlich auch machen, ohne dass der Speicherplatz für Samples mehrfach benötigt wird.
So, das war jetzt eine Menge Text. Kurz zusammengefasst:
- Das Mellotron M4000 hat einen sehr speziellen Charakter und ist an manchen Stellen recht eingeschränkt. Ich würde es daher nicht als (einzigen) Allrounder-Soundlieferant empfehlen.
- Yamaha Motif Rack XS und Roland Integra-7 wären als Module für realistische Sounds besser geeignet und etwas vielseitiger, erfordern dafür aber auch etwas mehr Einarbeitung.
- Mit Tastaturen gäbe es natürlich noch Workstations, denen du aber anscheinend eher abgeneigt bist.
- Mit Tastatur und ziemlich unkompliziert wären Geräte von Clavia/Nord. Sie sind einfach zu bedienen, klingen einigemaßen realistisch und bieten eine ganz gute Vielfalt. Dafür sind sie aber auch teurer und in mancher Hinsicht nicht so detailliert wie andere Keyboards.
Hör dir am Besten einfach mal ein paar Beispiele durch. Wenn du Fragen hast, kannst du sie gerne stellen. Ich bin allerdings die nächsten Tage nicht wirklich aktiv hier, also können dir auch andere User hier weiterhelfen.