Moin!
In jeder anderen Branche - außer der Haarschneidekunst vielleicht - kostet ein Handwerker pauschal 80 Euro die Stunde. Wenn eine Lackierung in 5 Stunden machbar wäre, dann wären 400 Euro vielleicht ein fairer Preis. Leider haben gerade Musiker irgendwie ein schräges Preisbild was Arbeit anbelangt, weil sie ja die Gattung Mensch sind, die 5000 Euro teures Equipment in ein 500 Euro teures Auto stecken, damit sie nach stundenlager Fahrt und dem Gig 50 Euro einstreichen.
Was macht man beim Lackieren? Man bereitet das Instrument vor mit allen Schleifgängen, wässert es, um es erneut zu schleifen. Dann wird Grundiert, eventuell abgeklebt - je nach Einsatzfall - und dann bei mehrfarbigem Lack ebenfalls all diese Schritte mehrfach. Wie viele Schichte werden denn aufgetragen? Guter lack braucht so seine 5...12 Schichten. Das ist ein riesiger Aufwand und ein langwieriger Prozess, da jede Schicht einzeln abbinden und trocknen muss. Dann wird alles in jedem Zwischenschritt nass zwischengeschliffen. Am Ende kommt dann der Endschliff mit der Politur. Was meint ihr wie viele Stunden dafür drauf gehen? Ich kann absolut verstehen, dass viele Gitarrenbauer sich weigern Fremdgitarren zu lackieren. Murle hat es ja auch richtig gesagt. Seine Erfahrungen decken sich mit den meinigen. Kein anderer Lack ist so aufwändig wie der einer Gitarre. Kein anderer Lack verzeiht es einem. Wenn mir jemand etwas von Piano-Lack erzählt, den lache ich aus. In Hamburg habe ich ja Steinway vor der Nase und was sehe ich da? Alles voller Orangenhaut! Und Industrie- und Autolackierer können mit sowas überhaupt nicht umgehen. In der Fertigung einer Gitarre werden oft meist nur spezielle Industrielacke verwendet, die man 2mm dick auftragen kann. Das ist natürlich gewollt, da man einfach alles einmalig überduschen und glatt schleifen kann. So sieht hinterher auch Müll tadellos aus.
Ich zahle für eine Lackierung rund 600...700 Euro. Und das zu Recht! Dabei muss ich sogar das ganze Instrument bereits lackierfertig abliefern. Das heißt es muss komplett nackig sein und fertig geschliffen. Jede Form der De- und Montage kostet Zeit. Auch wenn die Aufgabe nicht schwer ist, sollte man doch verlangen können, dass einem seine ZEIT, die man mit dieser ARBEIT verbringt auch bezahlt wird. Ich bin im 3D Druck selbstständig. Und ich bekomme viele Aufträge von Musikern, die eine fixe Idee haben. Aber in letzter Zeit feuere ich Kunden am laufenden Band, weil die mich einfach nicht bezahlen wollen. Da mache ich lieber mit Firmen Deals anstatt mit Privatkunden, weil die die Arbeit nicht wertschätzen. "Was? So ein olles Plastikding soll 200 Euro kosten?" "Nunja, ich musste es erst einmal konstruieren und auslegen und es ist eine Sonderanfertigung." Tja, was soll ich dazu dann noch sagen? Derzeit scheinen viele Fader von Vintage Synthies gefragt zu sein und daher habe ich die Konstruktionen bereits fertig. Und selbst wenn ich nur das Geld verlange, was ich selber für Material, den Maschinenkosten und Versand der Teile ausgebe, ist es den meisten dennoch zu teuer. Dabei habe ich denen schon meine Arbeitszeit geschenkt und würde null damit verdienen.
Klar sind 500 Euro nicht wenig Geld. Aber man sollte sich stets vor Augen führen was alles davon abgeht. Zuerst fallen 19% Märchensteuer an. Und das sind allein 95 Euro. Puff! Einfach weg! Dann braucht man einen Raum, den man gekauft oder gemietet hat. Das nötige Werkzeug sollte man auch bereits schon haben und die Kosten dafür muss auf die Kunden über die Zeit übertragen werden. Genauso sieht es mit anderen Hilfsmitteln und vor allem dem geeigneten Raum aus. Dann verbraucht es auch noch Material. Lacke, Lösemittel, Abbeizer, andere Chemikalien, Klebebänder, Papiere, usw... Und die meiste Zeit - und eine ordentliche Lackierung braucht die nunmal - steckt man in die Vorbereitung. Niemand will nur 5 Euro die Stunde verdienen. Aber hier scheint man fremde Arbeit nicht teurer einschätzen zu wollen.
Nur meine 2 Cent dazu...
Schicken Gruß,
Etna