Analyse von Blues-Schemata

  • Ersteller haiiiner
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Eine destruktive Absicht, RMACD, unterstelle ich Dir nicht, im Gegenteil. Aber Deine Beiträge in diesem Thread erscheinen mir entweder zu verkürzt, als dass man sie nachvollziehen könnte, oder eben etwas weit hergeholt.

Deshalb zurück zur Analyse eines der Schemata - ich greife dasjenige heraus, das bislang noch nicht, bzw. nur an einer Stelle analysiert wurde:

Schema 8

08-02.jpg


Ich versuch's und brauche Eure Hilfe an den hervorgehobenen Stellen:

Takt 2: Quickchange mittels #IV°7 zur Kadenz mit chromatischer Bassbewegung ausgebaut - bekannt aus Standard-Jazzblues-Schema Takte 5-6
Takt 4: Verkürzte Tonika-Umkehrung I7/3rd wird genutzt zur Verdeutlichung der Auflösungsbeziehung I7 ↷ IV7 = sekundär V7 ↷ I7 (Diese Umkippfigur funktioniert dank der Dominantseptakkorde im Blues)

Takt 5: nicht die Blues-Subdominante, sondern die maj7-Subdominante - warum?
Takte 6-7: II-V-Ausweichung zum MI-Akkord bIIIj7
Takte 7-8: interpretierbar als gezähmte Dominantkette wie beim Tadd Dameron-Turnaround (maj7 statt 7)

ODER:
Takte 5 -7: Subdominantkadenz zum MI-Tonikavertrter aus Aeolisch - mit zweifelhafter Tonika-Wirkung BZW. schwacher/unechter/Pseudo-Tonika-Wirkung?

Takt 9: Dominante an Position wie im traditionellen (nicht Jazz-) Blues, gefolgt von halbtaktiger Subdominantkadenz zur Tonika - Spannung der response-Vokalphrase verläuft plagal
Takte 11-12: Standard-Turaround zur Dominantkette verdurt
 
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Alles soweit OK beim Schema 8.
zu Takt 4. Du hast mich da falsch verstanden. Wenn Am7(b5) da steht musst Du auch IIIm7(b5) schreiben.
Wenn Du I7/3rd schreibst, musst Du Am7(b5) natürlich umbenennen in F9/A. (Eigentlich wäre es ja dann ein V7/IV/3rd.)

Zu Deiner Frage im Takt 5.
Blues kann jeder Zeit und an jeder Stelle durchaus diatonisch werden.

Beispiele für IVMA7 bzw. IV6 im 5.Takt:
Freight Train
Sippin' At Bells
Local 802 Blues
Air Conditioning (Big Foot)
Perhaps (Parker)


Für Dein Problem der bIII Stufe im 7. Takt höre Dir an -->
Gerkin For Perkin (Clifford Brown)
Loose Blues (Bill Evans) ist zwar in Moll, hat aber die bIII im 7. Takt


Du solltest vielleicht mehr Blues Beispiele aus dem Standard Repertoire nehmen. Ich weiß nicht wo Nettles diese Beispiele her hat.
Schau mal z.B. Freddie Freeloader von Miles.
Oder The Silver Strut (Rickey Woodard).
Die haben alle irgenwelche Besonderheiten.
 
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Danke, Cudo!

Freddie Freeloader hat schon mal die blues-untypische Besonderheit, dass die zwei Themen-Durchgänge einander ergänzen: während der erste "Zwölf-Takter" in Takt 11 (und 12) anstelle der Tonika den MI-Akkord bVII7 mit Subdominantfunktion bringt und die Melodie dort auf b7 endet, bringt erst der zweite Durchgang in Takt 11 (und 12) die Tonika und kommt zum tatsächlichen Abschluss - mit dem Melodie-Schlusston 5. Damit sind die beiden Durchgänge gleichsam wie call und response auf Formteil-Ebene - erst der call zur MI-Subdominantfunktion, dann der Schluss zur bluesüblichen Tonika in Takt 11.

FreddieFreeloader.jpg


Bei Gerkin for Perkin rasen die Akkorde ganz schön unter Clifford Brown hindurch, aber ich denke hier in dieselbe Richtung wie bei Freddie Freeloader - die Melodie bleibt mit der Terz zur "schwachen Tonika" bIIIj7 in Takt 7 offen und schließt erst richtig mit dem Grundton zur Tonika in Takt 11. Oder wie kann man die bIIIj7 funktional bewerten?^

GerkinForPerkin.jpg

 
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bIIIMA7 wird in diesem Fall durch IV7 (= II7) und bVII7 (= V7/bIII) vorbereitet. Es klingt wie eine implizierte (eingebundene) Modulation.
Gefolgt wird diese von einer weiteren Modulation nach Gb Dur.

Gerkin For Perkin:

|| F9 | Bb9 Bo7 | F9/C | F7alt |
| Bb9 | Eb9 | AbMA7 | Abm7 Db9 |
| GbMA7 | Gm7 C9 | F13 Ab13 | Gm7 C7alt ||
 
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Eine destruktive Absicht, RMACD, unterstelle ich Dir nicht, im Gegenteil. Aber Deine Beiträge in diesem Thread erscheinen mir entweder zu verkürzt, als dass man sie nachvollziehen könnte, oder eben etwas weit hergeholt.
Danke für das Verständnis . Meine Beiträge sind sicher etwas verkürzt - ich will nicht soviel schreiben. BTW: Welche Bluestonleiter würdest du denn über den Changes spielen?

Zu deinem Beispiel Schema 8: In T.4 : A-7b5 ist ein verkürzter F79 , der zugleich als Zwischen-Dom zum B(b)j7 fungiert. B(b)j7 ist möglich, "weil im Regelwerk ja die Subdominante ja an Takt 5 vorgeschrieben ist". Aber Dm7 , z.B. als Dm7/5, klingt hier viel schöner/eleganter und macht die diatonische Ausweichung auch deutlich. Eine echte Tonika wird in der folgenden Quintfallsequenz nicht erreicht. Man bleibt letztlich beim Dbj7 stehen, dem Gegenklang zum F bzw diatonisch Fm. Mit C7sus4 - C7 käme man zu Fm. Doch mit dem G-7 wird das Geschehen wieder nach Dur gerückt.
 
bIIIMA7 wird in diesem Fall durch IV7 (= II7) und bVII7 (= V7/bIII) vorbereitet. Es klingt wie eine implizierte (eingebundene) Modulation.
Gefolgt wird diese von einer weiteren Modulation nach Gb Dur.

Prima, vielen Dank dafür.

BTW: Welche Bluestonleiter würdest du denn über den Changes spielen?

Keine Bluestonleiter, sondern die jeweilige Chordscale, ggf. gewürzt mit #9 oder b5.
 
Keine Bluestonleiter, sondern die jeweilige Chordscale, ggf. gewürzt mit #9 oder b5.
#9 auf die Chordscale oder die Tonika bezogen? (Ich nehme an ersteres).
Wie hörst du die Changes eig. raus? Aus den Videos von Youtube schaffe ich das nicht. Die Blechblasinstrumente sind doch total dominierend und das Piano grummelt im Hintergrund. Am hörbarsten war für mich die Version
(ab 1:43 Piano-Solo).
Was bedeutet hier z.B. F7alt? Einen Ton b5 /und oder einen Ton b6 dazu?
 
Ja, die blue notes auf die Chordscale bezogen.

Wie hörst du die Changes eig. raus? Aus den Videos von Youtube schaffe ich das nicht.

Haha! Das versuche ich gar nicht erst - ich goooogele ;)

Meines Wissens bedeutet F7alt, dass man die Dominante al gusto alterieren darf. Also V7#9b13 oder b9#11.
 
F7alt beschreibt normalerweise die Dominante mit alterierter Skala. Die entspricht den Tönen des 7. Modus von Melodisch Moll.
Bei F7alt wären das also die Töne von Gb Melodisch Moll, natürlich zwecks sinnvoller Akkordbildung enharmonisch verwechselt. Bestehen bleiben Grundton Durterz und kleine Septim, also die Dominant Chord Shell - alle anderen Töne werden alteriert.
R b9 #9 3 b5 #5 b7
F Gb Ab A B C# Eb

F7 #9b13

Da diese Dominante das Maximum an Alterationen enthält, wurde sie (früher?) nur bei Spannungsauflösung im folgenden Akkord benutzt.

Gruß Claus
 
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#9 hat ja nun gar keine Spannung
#9 bildet mit der darunter liegenden Durterz ein MA7 Intervall. MA7 und b9 (=b2) sind die schärfsten Dissonanzen.
Bitte hören (nur die ersten beiden Akkorde also I7#9 und subV7#9/I) -->

 
#9 hat ja nun gar keine Spannung
Wenn dir die F7 #9b13 Schreibweise nicht gefällt, es gibt auch andere. :)
So schreiben z.B. Emily Remler nur ganz knapp F7b13 und Aebersold F7+9.

Ein Jazz-Akkordsymbol ist allerdings meistens "abstrahierend" zu lesen. Im Beispiel wird einfach ein Dominantseptakord mit Alterationen festgelegt.
Die tatsächlich im Voicing enthaltenen Optionstöne und Alterationen gehen allerdings nicht zwangsläufig aus dem Symbol hervor.
Was ist mit #4? Wäre in MM7 ja enthalten.
Das hatte ich beschrieben:
...
R b9 #9 3 b5 #5 b7
F Gb Ab A B C# Eb
#4 = enharmonisch b5, brauche ich dir ja nicht erklären.

Gruß Claus
 
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Wenn dir die F7 #9b13 Schreibweise nicht gefällt, es gibt auch andere. :)

Welches Missverständnis liegt hier vor? Die Hochstellung finde ich gut - nur gibt sie der Editor im Zitat nicht wieder
und ich kriege die Hochstellung im Editor auch nicht hin. Wie macht man das?

Ich meinte nur, dass mir ein Optionston #9 bei einer Dominante kaum auffällt. Er macht das Klangbild nach meinem Empfinden eher weicher/geschmeidiger, z.B. in einem Moll-Kontext.

Subjektiv zwar, aber der Spannungsgrad alterierter Töne ergibt sich auch durch die Diatonik.
z.B. I Vm : die vermollte V hat mit ihrer auf diat. b7 herabalterierten Terz gar keine Spannung, erklingt z.B. als I Vm IV glatt gebügelt.
hingegen: I IVm : Die auf diat. b6 herabalterierte Terz der IV hat starke Spannung. Weniger Spannung hat I bVI, obwohl da sogar 2 Töne alteriert werden müssen.
 
Ich meinte nur, dass mir ein Optionston #9 bei einer Dominante kaum auffällt. Er macht das Klangbild nach meinem Empfinden eher weicher/geschmeidiger,




#9 bildet mit der darunter liegenden Durterz ein MA7 Intervall. MA7 und b9 (=b2) sind die schärfsten Dissonanzen.
Bitte hören (nur die ersten beiden Akkorde also I7#9 und subV7#9/I) -->

und REDE wie das für Dich klingt!!!!
 
Ja nun, man hört in der Oberstimme dieses cis nach d, und das ist der Übergang von #9 zum 3. Klar ist der #9 etwas dissonanter.

#9 bildet mit der darunter liegenden Durterz ein MA7 Intervall. MA7 und b9 (=b2) sind die schärfsten Dissonanzen.
Bitte hören (nur die ersten beiden Akkorde also I7#9 und subV7#9/I) --

Wo subV7#9/I ? Die I wird von einem A-7b5 gefolgt (verkürzte V79 zur I).
 
Der 2. Akkord ist Cb7#9 bzw. F13. Die Oberstimme geht also von #9 zu #9 bzw. von #9 zu T13.
Es ging um die Dissonanz der #9. Sie klingt also in Deinen Ohren "etwas" dissonant. Da haben wir es doch. Vorher sagtest Du, ich zitiere "#9 hat ja nun gar keine Spannung".
 
...und ich kriege die Hochstellung im Editor auch nicht hin. Wie macht man das?
Das geht mit dem SUP-Tag:
Code:
F7 [sup]#9b13[/sup]

#9 bietet einen schön schrägen Klang, der vor 50 Jahren in der Rockmusik ganz extrem auffiel. Weil er durch Jimi Hendrix im Rock populär wurde, nennt man ihn seither auch Hendrix-Chord:
E7 #9 wird dann auf Gitarre typischerweise so gespielt (klingt eine Okktave tiefer):

hendrix_chord.jpg
 
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Anlässlich der Analyse der Blues-Schemata drängt sich mir eine Überlegung auf:

Wenn das Blues-Schema in seiner häufigsten Form eine Spannungssteigerung in drei Schritten mit anschließendem Abschluss - eine geradezu archetypische Dramaturgie :) - realisiert,
wie lässt sich dieser Spannungsverlauf harmonisch variieren bzw. vielleicht noch mehr herausstellen?

Mittel zur Spannungssteigerung im Blues sind offenkundig die Akkorde zu Beginn der Vokalphrase, während das Ende funktional immer gleich ist.

TTT bzw. TST
SST

DST bzw. SDT

(hier beschränkt auf die Harmonisierung der gesungenen Melodie,. d.h. Takte 4, 8 und 12 weggelassen)

Bei Freddie Freeloader hat Miles Davis im ersten von zwei Durchgängen die standardmäßig abschließende Tonikafunktion in Takt 11 durch eine Subdominantfunktion ersetzt, auf der die Melodie folglich offener endet.


Will man diese Methode auf einen Durchgang anwenden, muss man wohl analog die

Tonikafunktion in Takt 3, 7 oder 3 und 7 im Zwölftakter durch eine Subdominantfunktion ersetzen.


Eine mildere und wohl die naheliegendste Variation ist der Einsatz der Tonikavertreter:

TSTp bzw TSTg

SSTp bzw. SSTg
DST bzw. SDT

(Beispiel Bird Blues)

Oder man schwächt die Tonikavertreter in ihrer Funktion durch einen Trugschluss ab, z.B. so:

Fj7| G-7 C7 | D-7 | x |

Bb7 | G-7 C7 | A-7 | x |
G-7 | C7 | F6 | x |

Umgekehrt könnte man auch die eigentliche Tonika durch einen Trugschluss abschwächen - eigentlich eine "Trugmodulation":

Fj7 | B-7 E7 | Fj7 | x |

Bb7 | B-7 E7 | Fj7 | x |
G-7 | C7 | F6 | x |


Oder man ersetzt die Tonika in Takt 3 (oder / und 7) durch die gleichnamige Molltonika, z.B. so:

F6 | G-7b5 C7b9 | F-7 | x |
Bb7 | G-7b5 C7b9 | F-7 | x |
G-7 | C7 | F6 | x |

Was fällt Euch dazu ein?


Danke für das SUP-Tag, Claus!
 
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