Musiktheorie kann helfen, aber auch hinderlich sein. Da habt ihr recht. Ich würde allerdings sagen, dass alles auch eine Frage der Hörgewohnheit ist.
Wenn man eine eingeschränkte, engstirnige Hörgewohnheit hat und deswegen nur ganz wenige Melodien und Akkordfolgen als harmonisch wahrnimmt, dann kann einem die Theorie zwar zeigen, dass auch weitere Akkordfolgen harmonisch sind, aber grundsätzlich wird die Theorie nur dafür sorgen, dass man sieht, weshalb die gewohnten Akkorde miteinander harmonieren. Verlässt man sich auf die Ohren, kommt man also auf das gleiche Resultat, wie mit der Theorie.
Der Unterschied ist womöglich die Geschwindigkeit, mit der man auf ein Resultat kommt. Wenn man eine zweite Stimme zu einer Melodie schreiben will, dann probiert man alle möglichen Töne, bis man nach einiger Zeit eine Harmonie gefunden hat. Mit der Theorie hätte man jedoch gemerkt, dass man lediglich die Melodie (als Beispiel) um eine Terz verschoben hat. Man wäre also schneller gewesen, hätte man das von Anfang an gewusst.
Und genau da kann die Theorie auch einschränken. Man kommt nun also schneller auf eine zweite Stimme, aber man nimmt (je nachdem wie verteift man die Theorie gelernt hat) immer den gleichen Weg. Man festigt also seine Hörgewohnheit mit Regeln. Bei mir war das auch so. Als ich begriffen habe, wie ich eine Melodie um eine Terz verschieben kann, um eine zweite Stimme zu erhalten, da hab ich jede Melodie mit einer zweiten Stimme versehen und fand es am Anfang super. Später fiel mir auf, dass ich immer die gleiche Art von Harmonie gewählt hatte und dadurch die Songs teilweise ziemlich eintönig wurden.
Wie kann man also die Hörgewohnheit erweitern? Wie kann man vom Schema F abweichen? Ganz einfach: Viel Musik hören! Und damit meine ich nicht einfach nur, dass du als Nebenbeschäftigung viel Musik hören sollst, sondern dass du die Musik analytisch hören sollst.
Such dir Songs zusammen, bei denen dir das Songwriting besonders gefällt. Such dir Songs zusammen, die so klingen, wie deine Songs mal klingen sollen.
Nun hör sie dir an und überlege, was die einzelnen Instrumente machen. Beim Covern betrachtet man ja stets nur das eine Instrument, welches man benutzt, um den Song zu covern. Aber jetzt betrachtest du alle Instrumente und deren Zusammenspiel.
Dir gefällt ein Refrain von einem Lied besonders? Analysiere ihn! Was macht der Bass? Was macht das Schlagzeug? Welchen Unterschied hast du zur Strophe?
Du wirst bald ein Gespür dafür bekommen, auf was du hören musst. Damit erweiterst du dein Wissen, wie du einen Song schreiben kannst, damit er dir gefällt (wie ihn andere finden, ist ja grundsätzlich egal).
Und halte deine Ohren offen für weitere Inspirationen. Hör dir andere Genres an, betrachte die Wirkung, die ein exotische Instrument auf den Song haben kann, etc.