Ich fand die gestrige Präsentation - wie soll ich das ausdrücken - etwas schräg, aber nicht unsympathisch. Der Hafen2 ist jetzt nicht der typische Ort für eine Produktpräsentation. Statt einem modernen, hellen Betonbau mit Filzboden, hat der Hafen2 eher das Flair der 80er und 90er. Die komplette Bühnenbeleuchtung besteht nur und ausschließlich aus hunderten Par-Kannen (Glühlampe, nicht LED), gesteuert von einem LightCommander 48/6 und einfach links und rechts als Doppel-Doppel-Turm gestackten Turbosound Horntopteilen (und Bässen, die ich nicht zuordnen kann). Die Bestuhlung bestand aus zerschlissenen, lederbezogenen Stahlmöbeln, die vom Design und der Bequemlichkeit auch gut in ein Stasi-Büro gepasst hätten. Das folgende Bild von der
Homepage des Hafen2 vermittelt einen ganz guten Eindruck:
Im Kontrast dazu, gab es ein hochmodernes Digitalpult (die dLive), ein etwas älteres Digitalpult (eine iLive), Qu und GLD, hübsche und laut Martins Aussage auch leckere Speisen und eine erlesene Softdrinkauswahl (klingt blöd, ist aber positiv gemeint). Insgesamt hat es mir aber trotz der seltsam anmutenden Umgebung gut gefallen, was bestimmt auch an dem sehr sympathischen Referenten und den Leuten von Audio Technica lag.
Aber nun zum Pult:
Die neue dLive ist eine modernisierte und aufgemotzte iLive. Grundsätzlich wurde an allen Schrauben gleichzeitig geschraubt: 128 mischbare Inputkanäle (also physische Inputs, die FX-Returns zählen nicht dazu), 64 Mixbusse, 800x800 im System routbare Kanäle, 16 FX-Slots, in Zukunft auch 5.1-Mischungen, komplett in 96 kHz. So wie ich das verstanden habe, auch ausschließlich in 96 kHz.
Beachtlich ist die geringe, samplekohärente Latenz von 0.6 ms, egal, über welche Busse und Gruppen man das Signal schickt. Ich weiß allerdings nicht, ob es sich dabei um die komplette Latenz (analog zu analog) oder nur die Prozesslatenz handelt.
Der untere Teil des Surface hat sich nicht groß verändert. Weiterhin gibt es variable Anzahl an Fadern, mit einem Select-, Mute-, Solo- und Mixknopf, einer LED-Kette für den Pegel und einer LED-Kette für die Gain-Reduction, sowie einen Gate-Indikator, sowie ein monochromes LCD-Display, dass man aber mit unterschiedlichen Farben hinterlegen kann. Dazu kommt ein Dreh-Encoder pro Kanal, den man zwischen verschiedenen, teils festen, teils frei belegbaren Features umschalten kann. Neben Gain und Pan kann man darüber auch die Bus-Sends steuern. Als nettes Feature leuchtet der Drehencoder in der Farbe des Busses oder korrespondierend zu der aktuellen Funktion.
Im oberen Bereich des Surface sind die Unterschiede dann aber spätestens klar ersichtlich. Der komplette Channelstrip mit den "eyebrow indicators" und der kleine Monitor der iLive sind zwei 12" großen. kapazitiven, multitouchfähigen Monitoren gewichen. Es gibt rechts neben jedem Display sechs Drehencoder, die konfiguriert werden können. Die Drehencoderbatterie hat noch einmal drei Tasten, um drei verschiedenen Konfigurationen aufrufen zu können. So kann man dort auf einen Encoder-Block z. B. Dynamics-Übersicht, Gate und Kompressor legen und hat dann einen schnellen Zugriff darauf. Es sind aber auch Bus-Sends oder eine Effektsteuerung möglich.
Neben dem linken Display sind vier Drehencoder für Gain, Trim, HPF und LPF, unter dem Display die Encoder für EQ. An der rechten unteren Ecke befindet sich jeweils ein Drehencoder, um die jeweils auf dem Monitor aktive Funktion zu bearbeiten (quasi Touch&Turn). Zusätzlich dazu gibt es noch 26 frei belegbare Soft-Keys.
Die integrierte Beleuchtung besteht aus violetten und weißen LEDs, die sich ineinander überblenden lassen. Die Konsole ist eigentlich schwarz. Alles an der Konsole ist hinterleuchtet und die Beleuchtung lässt sich auch über Szenen verändern und individuell dimmen. Die Kopfhörerbuchse ist mit der Position unter der Handballenauflage je nach Case nicht besonders gut zu erreichen.
Die Touchbedienung hat auf die Ferne einen relativ flüssigen Eindruck gemacht (aus Zeitmangel konnte ich die Konsole nicht groß testen), was im ersten Video von A&H noch etwas anders aussah.
Wie gehabt besteht das System aus einer Surface und dem Mixrack. Neu ist, dass alle Verbindungen und Netzteile redundant sind. Das bezieht sich sowohl auf Surface und Mixracks als auch auf die Stageboxen.
An der Surface selbst gibt es je acht analoge Ein- sowie Ausgänge, drei AES/EBU-Outputs und zwei AES/EBU-Inputs mit abschaltbarer Sample-Rate-Conversion. Dazu kommen Netzwerkbuchsen für den Netzwerktunnel über die GigaAce-Verbindung und - das ist neu - zwei Plätze für Erweiterungskarten mit jeweils 128 bidirektionalen Kanälen bei 96 kHz. Zusätzlich lässt sich ein DX32 modularer Expander mit 32 Kanälen anbinden. Der zweite Port dient der Redundanz.
Am Mixrack stehen unabhängig von der Größe vier Anschlüsse für zwei Expander zur Verfügung, sowie drei Erweiterungsslots. Das Mixrack verfügt leider über keine digitalen Ein- und Ausgänge. Die Prozessorleistung aller Mixracks ist gleich und sie unterscheiden sich nur durch die Anzahl der analogen Ein- und Ausgänge.
Der modulare Expander DX32 bietet vier Slots für Input oder Output-Karten. Es gibt vier Module: 8 analoge Eingänge, 8 analoge Ausgänge, 4 Stereo-AES/EBU-Eingänge und 4 Stereo-AES/EBU-Ausgänge
Für die Erweiterungsslots sind erst zwei Karten angekündigt: GigaAce (um zwei Systeme zu Verbinden) und M-Waves (mit vollen 128 Kanälen bei 96 kHz). Allerdings gibt es einen Adapter für die alten Karten aus iLive und GLD, der allerdings auf 64 Kanäle bei 48 kHz begrenzt ist und eine SRC durchführt.
Und jetzt zu dem Absatz ohne Gewähr (bzw. mit noch weniger Gewähr als der Rest
):
So wie ich das verstanden habe und hier nach bester Erinnerung rezitiere, kostet die
S7000 inkl. dem DM64 ca. 20000 Euro
brutto. Die S3000 mit der DM32 liegt bei ca. 15000 brutto. Das DX32 soll um die 2500 Euro kosten, wobei ein Modul mit ca. 300 Euro zu Buche schlägt.
Die dLive soll übrigens nur über Audio Technica zu beziehen sein, was eine Präsentation bei Thomann unwahrscheinlich macht. Die Preise für das Pult sind kein Staatsgeheimnis und ich würde Interessenten empfehlen, einfach mal das Telefon in die Hand zu nehmen und ein Angebot einzuholen.