bassmüller
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Hallo Musiker!
Leicht frustriert von meinen Akkordeon-Stimmversuchen (siehe Akkordeon-Anfänger-Stimmthread) dachte ich mir, ich müsste jetzt mal was mit schnellem Erfolgserlebnis haben. Aber ich hole mal etwas weiter aus:
Im März diesen Jahres war die hiesige Musikschule umgezogen und hatte hinter dem Gebäude einen Riesen-Container, in den alles rein kam, was weg musste. Neben dem Container stand dann auch ein olles Klavier mit einem Aufkleber „Müll“ auf dem Tastendeckel. Da es anfing, zu nieseln, habe ich kurzerhand meinen Radlader geholt und das Klavier nach Hause gefahren. Naturgemäß war die Stimmung unter aller Sau und ein Großteil der Dämpferfilze dämpfte nicht mehr, sondern filzte nur noch
Bis vor ein paar Tagen stand es dann also im Probenraum und müffelte vor sich hin. Dann hab' ich mir ein Herz und den Staubsauger genommen, das Ding oberflächlich gesäubert und mit dem Akkordeontuner (Dirk's, sehr zu empfehlen) wohltemperiert durchgestimmt. Der Erfolg war mässig.
Nach einem kurzen Ausflug ins Forum wurde mir erklärt (danke, Be-3), dass das an der Inharmonizität des Klaviers liegt. Beim Klavierstimmen muss eine Streckung (Spreizung) eingearbeitet werden: Alle Intervalle sind, von der Temperierung abgesehen, etwas größer als zu erwarten. Das hängt mit der Steifheit und der Dicke der Saiten zusammen und ist offenbar bei jedem Klavier vorhanden.
Der nächste Schritt war dann also die Klärung der Frage, wo ich eine passende Streckung herbekomme. Glücklicherweise steht im Probenraum auch noch ein elektrisches Piano, in dem ein Ketron-Pianomodul die Töne fabriziert. Das habe ich mir dann gegriffen und mit der Akkordeon-Stimm-Software einen Flügelsound protokolliert (Original-Liste füge ich unten an). Das Ergebnis ist erstaunlich: Im Mittenbereich sind wenig Abweichungen von der temperierten Stimmung zu finden, am oberen und unteren Ende der Skala dafür um so mehr. Die Streckung reicht da von – 16 Cent für A1 bis zu + 30 Cent für A7. Wer hätte das gedacht...?
Ich habe also eine Reihe von Tönen gemessen und die Liste dann mit Zwischenwerten ausgefüllt, die ich zum Stimmen als Vorlage genommen habe. Und, oh Wunder: Es klingt! Einige Töne mussten noch nach Gehör korrigiert werden (hört man am besten an den großen Dezimen, die klingen dann scharf), aber dann reicht es für den Probenraum-Gebrauch aus.
Ich bin sicher, dass ein Klavierstimmer das um Welten besser und schneller kann. Zu dem wird die Stimmung vom Fachmann erheblich länger halten. Trotzdem bin ich sehr zufrieden damit. Ich habe ein Klavier, das andere schon austherapiert hatten, wieder in einen gebrauchsfähigen Zustand versetzt, ich habe dabei wieder eine Menge gelernt, und Spaß gemacht hat es auch.
Der eigentliche Stimmvorgang: Zuerst habe ich mit dem Stimmkamm gestimmt, hinterher beim Feinstimmen bin ich dazu übergegangen, mit dem zangenartigen Gerät zu arbeiten, weil das schneller geht. Ich habe mit dem Stimmkeil (oder der geschlossenen Zange) zwei Saiten gedämpft und eine mit dem Akkordeon-Tuner gestimmt. Dann habe ich die Zange umgesetzt, so dass die mittlere Saite und die frisch gestimmte stumm waren, um dann die andere äußere Saite zu stimmen. Danach habe ich Keil bzw. Zange entfernt und die mittlere Saite nach Gehör gestimmt. Das geht recht schnell, wenn man ein Ohr für die Interferenz hat, die zwei Saiten, die nahe beieinander liegen, bilden. Diese Schwebung wird bei Annäherung der Frequenzen langsamer und verschwindet bei Stimmung (Übereinstimmung) der Frequenzen völlig.
Im tiefen Bass ist das Stimmgerät allerding überfordert. Die tiefen Saiten machen alles, aber keine definierten Sinus-Schwingungen. Da gteht das Stimmen am besten nach Gehör, in dem man die Oktave nach oben als Anhaltspunkt nimmt. Und im ganz hohen Diskant ist das Stimmen glückssache. Am einfachste ist es, wenn man beim Spielen diesen Bereich meidet....
Ach ja: Die Dämpferfilze. Nach der Demontage der Hämmer und der ganzen Mechanik (drei zu lösende Schrauben, dann konnte man das komplett abnehmen) zeigten sich auf der den Saiten zugewandten Seite der Hämmer kleine Schräubchen. Mit denen kann man den Anschlag der Dämpferfilze einstellen. Alle Schrauben eine gute halbe Drehung rausgedreht und das Klavier dämpfte wieder wie neu!
Ich habe hier mal meine Stimmliste und ein paar Fotos angehängt. Die linke, handgeschriebene Spalte der Stimmliste ist die gemessene Abweichung des Ketron-Flügel-Samples. Die rechte ist die Spalte mit den Werten, die ich interpoliert habe und +/- zwei Cent in das Klavier "hineingestimmt" habe.
Abschließend kann ich jedem, der ein altes Klavier in der Ecke stehen hat nur empfehlen, es mal zu versuchen. Je älter das Klavier, desto billiger der Schaden. Bei meinem ist eine einzige Basssaite gerissen – zum Glück hat das Klavier an der Stelle zwei davon... Fällt gar nicht auf.
Viele Grüße
bassmüller
Ein Klavier, ein Klavier.... Bei Ton 14 fehlt eine Saite. Aber sonst ist alles besser als vorher.
Das Werkzeug (v. l.) Stimmrechen, Gerät, dessen Namen ich vergessen habe, Stimmhammer
Leicht frustriert von meinen Akkordeon-Stimmversuchen (siehe Akkordeon-Anfänger-Stimmthread) dachte ich mir, ich müsste jetzt mal was mit schnellem Erfolgserlebnis haben. Aber ich hole mal etwas weiter aus:
Im März diesen Jahres war die hiesige Musikschule umgezogen und hatte hinter dem Gebäude einen Riesen-Container, in den alles rein kam, was weg musste. Neben dem Container stand dann auch ein olles Klavier mit einem Aufkleber „Müll“ auf dem Tastendeckel. Da es anfing, zu nieseln, habe ich kurzerhand meinen Radlader geholt und das Klavier nach Hause gefahren. Naturgemäß war die Stimmung unter aller Sau und ein Großteil der Dämpferfilze dämpfte nicht mehr, sondern filzte nur noch
Bis vor ein paar Tagen stand es dann also im Probenraum und müffelte vor sich hin. Dann hab' ich mir ein Herz und den Staubsauger genommen, das Ding oberflächlich gesäubert und mit dem Akkordeontuner (Dirk's, sehr zu empfehlen) wohltemperiert durchgestimmt. Der Erfolg war mässig.
Nach einem kurzen Ausflug ins Forum wurde mir erklärt (danke, Be-3), dass das an der Inharmonizität des Klaviers liegt. Beim Klavierstimmen muss eine Streckung (Spreizung) eingearbeitet werden: Alle Intervalle sind, von der Temperierung abgesehen, etwas größer als zu erwarten. Das hängt mit der Steifheit und der Dicke der Saiten zusammen und ist offenbar bei jedem Klavier vorhanden.
Der nächste Schritt war dann also die Klärung der Frage, wo ich eine passende Streckung herbekomme. Glücklicherweise steht im Probenraum auch noch ein elektrisches Piano, in dem ein Ketron-Pianomodul die Töne fabriziert. Das habe ich mir dann gegriffen und mit der Akkordeon-Stimm-Software einen Flügelsound protokolliert (Original-Liste füge ich unten an). Das Ergebnis ist erstaunlich: Im Mittenbereich sind wenig Abweichungen von der temperierten Stimmung zu finden, am oberen und unteren Ende der Skala dafür um so mehr. Die Streckung reicht da von – 16 Cent für A1 bis zu + 30 Cent für A7. Wer hätte das gedacht...?
Ich habe also eine Reihe von Tönen gemessen und die Liste dann mit Zwischenwerten ausgefüllt, die ich zum Stimmen als Vorlage genommen habe. Und, oh Wunder: Es klingt! Einige Töne mussten noch nach Gehör korrigiert werden (hört man am besten an den großen Dezimen, die klingen dann scharf), aber dann reicht es für den Probenraum-Gebrauch aus.
Ich bin sicher, dass ein Klavierstimmer das um Welten besser und schneller kann. Zu dem wird die Stimmung vom Fachmann erheblich länger halten. Trotzdem bin ich sehr zufrieden damit. Ich habe ein Klavier, das andere schon austherapiert hatten, wieder in einen gebrauchsfähigen Zustand versetzt, ich habe dabei wieder eine Menge gelernt, und Spaß gemacht hat es auch.
Der eigentliche Stimmvorgang: Zuerst habe ich mit dem Stimmkamm gestimmt, hinterher beim Feinstimmen bin ich dazu übergegangen, mit dem zangenartigen Gerät zu arbeiten, weil das schneller geht. Ich habe mit dem Stimmkeil (oder der geschlossenen Zange) zwei Saiten gedämpft und eine mit dem Akkordeon-Tuner gestimmt. Dann habe ich die Zange umgesetzt, so dass die mittlere Saite und die frisch gestimmte stumm waren, um dann die andere äußere Saite zu stimmen. Danach habe ich Keil bzw. Zange entfernt und die mittlere Saite nach Gehör gestimmt. Das geht recht schnell, wenn man ein Ohr für die Interferenz hat, die zwei Saiten, die nahe beieinander liegen, bilden. Diese Schwebung wird bei Annäherung der Frequenzen langsamer und verschwindet bei Stimmung (Übereinstimmung) der Frequenzen völlig.
Im tiefen Bass ist das Stimmgerät allerding überfordert. Die tiefen Saiten machen alles, aber keine definierten Sinus-Schwingungen. Da gteht das Stimmen am besten nach Gehör, in dem man die Oktave nach oben als Anhaltspunkt nimmt. Und im ganz hohen Diskant ist das Stimmen glückssache. Am einfachste ist es, wenn man beim Spielen diesen Bereich meidet....
Ach ja: Die Dämpferfilze. Nach der Demontage der Hämmer und der ganzen Mechanik (drei zu lösende Schrauben, dann konnte man das komplett abnehmen) zeigten sich auf der den Saiten zugewandten Seite der Hämmer kleine Schräubchen. Mit denen kann man den Anschlag der Dämpferfilze einstellen. Alle Schrauben eine gute halbe Drehung rausgedreht und das Klavier dämpfte wieder wie neu!
Ich habe hier mal meine Stimmliste und ein paar Fotos angehängt. Die linke, handgeschriebene Spalte der Stimmliste ist die gemessene Abweichung des Ketron-Flügel-Samples. Die rechte ist die Spalte mit den Werten, die ich interpoliert habe und +/- zwei Cent in das Klavier "hineingestimmt" habe.
Abschließend kann ich jedem, der ein altes Klavier in der Ecke stehen hat nur empfehlen, es mal zu versuchen. Je älter das Klavier, desto billiger der Schaden. Bei meinem ist eine einzige Basssaite gerissen – zum Glück hat das Klavier an der Stelle zwei davon... Fällt gar nicht auf.
Viele Grüße
bassmüller
Ein Klavier, ein Klavier.... Bei Ton 14 fehlt eine Saite. Aber sonst ist alles besser als vorher.
Das Werkzeug (v. l.) Stimmrechen, Gerät, dessen Namen ich vergessen habe, Stimmhammer
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