Gypsy-Swing: wie geht das?

[Piano-Gregor]

Was für Skalen sind im Gypsy-Swing besonders gebräuchlich? Gibt es vielleicht irgendwelche Tipps, wie man da skalenmäßig drangehen kann?

Zu meinem Hintergrund: ich spiele Klavier und Akkordeon. Auf dem Klavier habe ich bereits Jazz-Erfahrung, auch wenn ich mich jetzt nicht als Jazzpianisten bezeichnen würde. Real Book Sessions hab ich schon so einige gemacht und spiele auch gelegentlich mit Band In A Box. Nun möchte ich mich auf dem Akkordeon dem Gypsy-Swing nähern.

Was mir bisher aufgefallen ist:

bei Moll wird gerne die Sexte im Akkord gespielt, beim Solo darüber gerne aber die kleine Sexte
bei Dur wird im Solo gerne die übermäßige Quint benutzt

Solche Tipps in dieser Art suche ich. Es geht mir in erster Linie um das Solo-Spiel. Denn beim Akkordeon bin ich mit der linken Hand eh recht festgelegt. Ist aber für Gypsy gar nicht verkehrt, denn beim Akkordeon sind die Akkorde der linken Hand recht klassisch, also ohne viele Erweiterungen wie z.b. im Bebop üblich. Da ist z.B. ein Dur 7 Akkord tatsächlich nur ein Dur 7 (zum Glück ohne Quinte, also Grundton, Terz, Sept).

Hat jemand weitere Tipps für das Improvisieren?

Gregor

 

[McCoy]

Kannst Du französisch?
http://guitarejazzmanouche.com/wiki/index.php/Catégorie:Méthode_d'apprentissage

Ist zwar für Gitarre, aber vielleicht kann man einiges davon adaptieren. Ich glaube, im Wesentlichen spielt sich das alles so ab wie im alten Swing à la Benny Goodman oder Teddy Wilson. Wichtig ist halt das Instrumentarium und der Rhythmus im Manouche-Jazz: Rhythmus Gitarre (faire la pompe) und kein Schlagzeug.

Viele Grüße,
McCoy

 

[Piano-Gregor]

Klar, die Instrumentierung ist natürlich ein Thema. Aber für einen Solisten muss es noch etwas mehr geben, was diesen Stil ausmacht. Was dazu gehören könnte: Mut zur Niedlichkeit! Also tatsächlich großartige Alterierungen weglassen und gerne irgendwie "putzig" die Akkorde umspielen. Und eigentlich auch Geschwindigkeit. Also gerne mal schnelle bis sehr schnelle Läufe unterbringen. Aber die müsste ich mir vorher zurechtlegen und dann abrufen, so gut spiele ich dann auch wieder nicht.

Hier mal mein erster Versuch der Annäherung an das Thema. Begleitung stammt von Band In A Box:

https://soundcloud.com/piano-gregor/dark-eyes

 

[turko]

Jazzig klingen wird es, ungeachtet der Tonauswahl, vor allem dann, wenn das Timing stimmt, und wenn das "Phrasing" jazzmäßig ist.
Beides ist in Deiner Hörprobe nur sehr bedingt der Fall, weswegen ich an DEINER Stelle zunächst einmal DAS intensiv studieren und üben würde, ehe ich mir über andere Aspekte dieser Musik Gedanken machen würde.

Aber das ist nur meine - gut gemeinte - Privatmeinung.

LG
Thomas

 

[McCoy]

Ja, mt dem Timing muß ich turko recht geben. Da ist noch einiges zu tun. Du rennst immer ein bißchen nach vorne. Spiel relaxter, laid back, mehr nach hinten. Lieber hinter dem Beat als vor dem Beat. Ich erkläre es mal für den Fall, daß Du mit Metronom spielst: Spiele Deinen Ton erst dann wenn Du den Klick vom Metronom wirklich hörst, und nicht dann, wenn Du glaubst, daß er kommt. Entsprechend gilt das für die BIAB-Rhythmusgruppe. Wenn Du spielst, darfst Du Dir selbst eigentlich gar nicht zuhören, sondern nur dem Timing Deiner Mitmusiker. Und wenn die das genauso machen (BIAB kan das natürlich nicht), dann fängt es an zu swingen.

Versuche auch, die hintere Swingachtel nicht zu spät zu spielen. Dann hört es sich nämlich an wie punktierte Achtel und Sechzehntel, statt wie triolischer Swing. Dann klingt es "zickig". Das ist ein Effekt, den man auch manchmal einsetzen kann, aber eben nicht immer.

Aber tröste Dich, am Timing ist immer noch einiges zu tun.

Zum Tonmaterial: Die Richtung stimmt meiner Meinung nach. Ab und zu höre ich (Moll- bzw. Blues-) Pentatonik vom Grundton D aus. Versuche mal, das ganz wegzulassen. Besser klingt harmonisch Moll mit bb und cis. Gut klingen auch Umspielungen der Akkordtöne oder chromatische Annährungen an die Akkordtöne. Z.B. e d cis d g f e f bb a gis a e d cis d. Oder: d cis d f ef a gis a, d cis d, etc. (alte Tricks, hat Mozart schon gemacht ). Von diesen Licks stehen auf der von mir verlinkten Seite eine ganze Reihe, auch mit Noten. Man muß halt ein bisschen suchen. Die eignen sich auch als "zurechtgelegte schnelle Läufe." Das Zurechtlegen machen alle anderen übrigens auch so. Jeder hat seine schnellen, geübten Licks, die in der Hand liegen und die man schnell mal abfeuern kann. Aber wenn nur noch geübte Licks abgerufen werden, wird es auch öde.

Aber grundsätzlich bist Du mMn auf dem richtigen Weg. Weitermachen!

Viele Grüße,
McCoy

 

[Piano-Gregor]

Danke für die konkreten Hinweise. Ich denke, damit kann ich etwas anfangen und daran arbeiten. Und ich fürchte, ich weiß genau, was ihr meint

Gregor

 

[benprofane]

Hi gregor,

Auf der seite von dallasvietty.com findest du einiges unter anderem einen buchtipp daniel givone "la guitare manouche" da stehen einige gypsy licks drin für gitarre aber auch noten nicht nur tabs.
Dann gibt es noch zwei videotutorials von ludovic beier auf der seite accordioncafe.com die leider gerade offline ist - der betreiber heißt jonny kerry -> youtube

Ein super thread der mich auch sehr interessiert

Gruß aus L.A. bei 30 grad

Ben

 

[Piano-Gregor]

Auf Youtube gibt es einige Demos von Arrigo Tomasi, u.a. auch Dark Eyes. Man kann bei ihm gegen Bezahlung seine ausnotierten Soli bekommen. Ist aber nicht so mein Ding, nach Noten schöne Soli nachzuspielen. Aber als Inspirationsquelle und zum Reinhören in den Stil sind die wirklich super:

 

[Claus]

Zur Literatur für Piano kann ich nichts sagen, ein sehr konkretes "Lehrwerk" (über 300 Seiten!) für Gitarre mit Audio-CD plus MIDI-Dateien und ausführlicher Behandlung von Solo-Techniken ist von
Romane, L'Esprit Manouche
Es ist auf Englisch bei Mel Bay erschienen, ich kann es nur empfehlen.
http://www.melbay.com/Products/20014BCD/lesprit-manouche.aspx



Gruß Claus

 

[Piano-Gregor]

Was natürlich am besten ist: hören, hören, hören! Ich lass mich dafür gerne vom Internetradio beschallen:

http://www.jazzradio.com/gypsyjazz

 

[schoscho]

Bissl spät, pardon.
Grundsätzlich: Piano spielt im Gypsyswing keine Rolle.
Wenn was mit Tasten, dann Akkordeon, aber Piano`- nein.
Als Vorübung für Gypsyswing kannst du auf dem Akkordeon Musette üben, da bekommst du etwa ein Gefühl für Rhythmik und Harmonie des GS.

 

[McCoy]

Grundsätzlich: Piano spielt im Gypsyswing keine Rolle.

Das stimmt nicht. Hier in Freiburg ist das Klavier bei den Sintis gang und gäbe. Hier z.B. Schmitto Kling und sein Hot Club the Zigan am Freiburger Manouche Festival mit After You've Gone.


Viele Grüße,
McCoy

 

[schoscho]

Aha. Ja nee, is klar, so ein Klavier passt ja auch vorzüglich in einen Caravan.
Aber egal, von mir aus, macht mal.
Wenn man lange genug sucht, findet man sicher auch irgendeine GS-Kapelle mit Synthesizer oder mit Glockenspiel. Bestimmt.

 

[McCoy]

so ein Klavier passt ja auch vorzüglich in einen Caravan

Die Freiburger Sintis sind jedenfalls sesshaft und haben teilweise Klaviere in ihren Wohnungen.

 

[schoscho]

Ja. Geht auch mit Kirchenorgel. Ganz bestimmt. Oder warum nicht mal ein Symphonieorchester, das GS spielt? Geht sicher auch.
OMG...

 

[WilliamBasie]

Die Freiburger Sintis sind jedenfalls sesshaft und haben teilweise Klaviere in ihren Wohnungen.

Schnuckenack hat auch recht ordentlich Klavier gespielt.

 

[McCoy]

OMG...

Ein Nischenphänomen ist das nicht: Schmitto Kling spielt mit Pianist, Zipflo Reinhardt spielt mit Pianist, Schnuckenack Reinhardt spielte mit Pianist, Hänsche Weiss spielt mit Pianist, Ismael Reinhardt spielt mit Pianist, Titi Winterstein spielte mit Pianist (Silvano Lagrene), Bireli Lagrene spielt mit Pianist und spielt selbst Klavier, auch Django spielte immer wieder mit Pianist. OMG.

 

[schoscho]

Ja nee, is klar, sach ich doch. Klavier, DAS typische GS-Instrument. Alles klar. Wenn ich mal wieder nach Samois fahre, nimm ich meinen Flügel mit, weil, damit kann man so super GS spielen, besonders in Kneipen und auf den Uferwiesen total praktisch und vor allem ja auch völlig typisch. Ist klar, ich habe es kapiert.

 

[WilliamBasie]

Tja, nicht jeder Kleingeist kann alles verstehen...

 

[McCoy]

Wenn Du/ihr jetzt bitte wieder zu einem sachlicherem Schreibstil zurückfinden würde(s)t!
McCoy (Moderator)

Ich versuche es nochmal: Manouche wird nicht nur in Samois gespielt. Wir haben z.B. hier im Südwesten eine sehr große Sintigemeinde, die viele hervorragende Musiker hervorgebracht hat und dabei einge Kontakte zu den Sinti im Elsaß hält. Und unsere Sintimusiker spielen nicht auf Uferwiesen und Kneipen oder in der Fußgängerzone, sondern auf Konzertbühnen. Und dort lassen sie sich in der Regel von einem Pianisten begleiten. In anderen Regionen wird das ähnlich gehandhabt. Und ja, ich spiele auch manchmal mit ihnen. Klavier ist dabei kein untypisches Instrument, und deshalb ist Deine Aussage, daß Klavier im Gipsy-Swing grundsätzlich keine Rolle spiele, sachlich falsch.

McCoy (User)