Man merkt in diesem Thread, dass gerade bei Themen wie Livekonzerten die Anforderungen von Musikern, Technikern die auch Musiker sind und reinen Technikern. Das kommt mir dann teilweise vor wie Hund und Katze, die ja bekanntlich auch nur das beste füreinander wollen aber sich oft kolossal falsch verstehen.
Fakt ist: Die Techniker sehen die Sache "Konzert" oft zu trocken und vergessen oft, dass Musiker - gerade Gitarristen - klangmäßig einen persönlichen Sweetspot haben, bei dem sie optimal arbeiten und performen können. Ähnlich wie Sänger deren Monitorlautstärke weder zu hoch noch zu niedrig sein darf. Auf der anderen Seite ignorieren die Musiker/Gitarristen oft, dass der Mann am Pult auch nur seine Arbeit bestmöglich machen möchte und für draußen alle "Fader" zum Erfolg am besten in eigener Hand behalten möchte, da das ja sein Job ist.
Zu meinem Standpunkt: Ich bin in der Regel in Bands unterwegs, die an der Gitarre mehr Gain abverlangen. Tendenziell hab ich über die paar Jahre, die ich aktiv auf der Bühne unterwegs bin, die Erfahrung gemacht dass natürlich mit steigendem Gain die Ortung der Gitarre schwieriger wird. Fetter, mittiger bluesiger Sound eines angeblasenen Fender-Combos "quakt" sich immer durch den Mix, da hat man seltener Probleme als bei Marshalls/Mesas/Diezels/Soldanos/ENGLs, denen man diese "nölige" Komponente ja in der Regel eher nimmt und die Präsenz aus Hochmitten und tieferem "Suppen" gewinnt. Leider kommt man sich damit onstage sehr leicht mit den Blechen des Schlagzeugers ins Gehege. Das merkt man auch daran, dass sich kaum irgendein Gitarrist über seinen Cleansound beschwert wenn er runterdrehen muss. Was den meisten fehlt ist der Dynamikverlust bei Drive-Sounds. Und - so ungern es die meisten Mischer hören wollen - bei Röhrenamps ist dieser Klangverlust im alleruntersten Bereich der Endstufe nunmal real, da beißt die Maus kein' Faden ab ;-). Ungläubige mögen gerne mal den Spieltest mit Channel-Volume und Master-Volume machen, die Sounds die dabei rauskommen sind höchst unterschiedlich.
Man sollte deshalb sich erstmal klarwerden - ob über Erfahrung oder Ausprobieren der eigenen Vorlieben - auf was man im Gegensatz zum "Alleine-Riffs-Schmettern" verzichten kann und auf was nicht.
Für mich war das relativ schnell klar: Physisches Feedback meines Gitarrespiels war UNABDINGBAR. Mit dem Anfang-2000er-Rectifier-Sound aufgewachsen haben sich quasi die Sounds von Linkin Park, Limp Bizkit, System of a Down, Dream Theater, Threshold, Creed, Alter Bridge etc. für immer in meine Soundpräferenz eingebrannt. Der "Druck" aus der Box muss da sein, die Palm-Mutes hör- und fühlbar sein, damit ich intuitiv mit dem Bassisten "exakt drauf" sein kann. Mit Van Halens "1984"-Gitarrensound konnte man mich schon immer jagen.
Dieser "Spielkomfort" auf der Bühne steht natürlich - völlig nachvollziehbarerweise - im Krassen Diskurs mit der Frequenzhygiene, die der Mischer am FOH für seinen PA-Mix betreiben möchte. Die Gitarre möge ihr "Pumpen" doch bitte auf alles ab 100Hz beschränken. Ein richtiger und guter Schritt, über den ich mich auch nie beschwert habe. Versucht man mir, diesen Mix auf die Monitore zu geben, lehne ich allerdings trotzdem in den allermeisten Fällen dankend ab - der Sound gehört ins Publikum und nicht zu mir.
Um da eine gute Lösung zu finden habe ich mich also in den Dialog mit befreundeten Tontechnikern begeben, die - zum Glück - allesamt sehr fachkundig, aber keine Musiker waren. Da konnte ich also unverfälscht erfahren, was "draußen" überhaupt für ein Sound gewünscht ist. Und das in persönlicher Unterhaltung ohne den eventuellen Zeit- und Arbeitstress, der eine Diskussion am Konzert schnell in Streit ausarten lässt.
Fazits daraus:
- Die Gitarre darf gerne fleischig klingen. Fetter, mittenreicher Sound ist gerne gewünscht. Leute, die ihre Mikrophone völlig falsch positionieren und dann eine Kreissäge ans Pult schicken, scheinen bei Mischern fast unbeliebter zu sein als die "DAS MUSS SO LAUT"-Fraktion. Aber der Low-Cut muss halt eben rein. Die Gitarristen sollen also bitte mal sich mit der Mikrophonierung ihrer Box befassen oder halt eine Redbox mitnehmen.
- Abstrahlung des Amps nach vorne bedeutet ein Element im Bühnensound, was der Mischer nicht beeinflussen kann, ist also tabu. Abstrahlung zur Seite ist prima, wenn der Amp dann zu laut ist versaut es aber dennoch den Bühnensound und damit das Gesamterlebnis aller anderen
- Solo-Boost am Pult darf gerne gewünscht werden, aber es wird keine Garantie übernommen. Am besten macht der Gitarrist das selbst (+6db Preset am Amp etc.)
- Wenn - bei zwei Gitarristen - die Gitarren nicht zu ähnlich klingen, bringt das dem Mischer enorm viel. Zwei gleich klingende, etwas anderes spielende Instrumente in einem Mix zu verwursten, der u.U. sogar Mono gefahren wird, ist umständlich
Mein persönliches Fazit daraus ist also, dass es den Mischern - verständlicherweise - immer am liebsten ist wenn die Musiker sich vorher mal auf den Ar*** gesetzt haben und herausfinden was sie überhaupt haben wollen. Einen definierten Bühnensound haben und auch einen anständigen Sound für die PA anbieten können, denn bis zum XLR-Kabel vom Mic in die Stagebox liegt die Verantwortung immer noch beim Gitarristen.
Wie ich das ganze praktiziere:
- Ich benutze Topteile mit zwei verschiedenen Boxen. Einmal eine oversized vertikale 2x12, um das "Pfund" untenrum auch bei nicht allzu großen Lautstärken auf der Bühne abbilden zu können, und drüber eine 1x12 mit einem Speaker, von dem ich weiß, dass er mir mikrophoniert genau den Sound bringt den ich draußen haben will.
- Ich fahre mit einer Stereo-Rackendstufe nun beide Boxen getrennt an. Die 1x12 so laut, bis der Sound "offen" genug ist um das was ich spiele abzubilden und die 2x12 mehr als "Pleasure-Board"-Ersatz nur für meinen eigenen Sound, um das physikalische Feedback zu bekommen und den Sound der 1x12 untenrum abzurunden, da 1x12 Boxen sich für mich meistens untenrum als recht dosig und nicht sehr gut in ihrer Klangverteilung im Raum herausgestellt haben.
- Dieser "Mini-Stack" steht meist möglichst weit seitlich an der Bühne, mit leichtem touch in Richtung Rückwand. Das verschont das Publikum und hilft in der Regel auch dem Schlagzeuger/Keyboarder falls vorhanden.
So viel zu einer mal ausführlichen Antwort von Musikerseite ;-).
gruß,
CfC