GeiGit
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Vorgeschichte:
Ich habe jetzt sehr lange überlegt, ob ich einen Review zu meiner E-Geige schreiben soll und bin zu dem Entschluß gekommen es zu tun, auch wenn ich sie nicht neu und (wahrscheinlich) nicht im Original-Zustand auf Ebay ersteigert habe.
Bisher gibt es recht wenige ausführliche E-Geigen-Reviews und auch kaum Umbau-Threads, ich möchte hier aber das Spagat eines Reviews mit meiner anschließenden Modifikation wagen, auch wenn das nicht ganz typisch ist - aber meine E-Geige ist letzendlich auch keine "normale" E-Geige (mehr)
Meine klassische Geige mit K&K-Doppeltonabnehmer war mir zu schade für die Bühne und klang auch abgenommen nicht so wohlklingend, also dachte ich mir: Kauf eine E-Geige und bau sie so um, dass sie passt
Der Kauf:
Ich habe Anfang Juni 2013 in Ebay eine Carlo Giordano EV-201 für 116€ ersteigert, weil sie mir von Form und Farbe gut gefiel, einer klassischen Geige sehr ähnlich ist, aber im Gegensatz dazu kaum Resonanzdecke hat und somit rückkopplungssicherer sein würde.
Vorallem die Wirbel, der Saitenhalter und die Kinnstütze aus Buchsbaum gefielen mir gut und erinnerten mich an die Guarneri meines Opas
3-2-1 → meins! Und sie kam per Post ins Haus. Sie war nicht mehr komplett. Der Bogen und das Kollofonium fehlten, aber das war mir egal. Da wollte ich sowieso mein gewohntes Equipment verwenden.
Geliefert wurde also die Geige im Originalkasten mit Steg, Saiten und einem Billig-Kopfhörer.
Der erste Trocken-Test:
Ich habe die Saiten draufgelassen, den Steg passend aufgestellt, gestimmt und dabei schon festgestellt, dass die Saitenlage der Geige entweder schon ab Werk richtig gut eingestellt war, oder von einem Geigenbauer eingestellt wurde. Der Saitenabstand am Ende des Griffbretts an der G-Saite ist 5,5mm und an der E-Saite 3,5mm, sie spielte sich trocken schon richtig gut, klang leise und nasal am Ohr, aber nicht unangenehm und zum halbwegs leisen Üben reicht das allemal.
Ganz so schlimm kann es auch nicht geklungen haben, da sich eine unserer Katzen dazugesellte und erstmal bei einem Nickerchen den "Liegetest" im Geigenkasten absolvierte
Der Kasten ist nix besonderes. Er ist geschäumt, sehr leicht und wird nur durch die angeschraubte Hülle verschlossen. Die Geige kann mit einem Klettverschluss um den Hals gesichert werden.
Dann legte ich eine 9V-Batterie ein, steckte meinen Beyerdynamic DT-770 Pro in die Kopfhörerbuchse auf der Unterseite ein und spielte eine weitere Runde. Der Klang war ziemlich gut, etwas scharf in den Höhen, ließ sich aber mit dem Bass- und Höhenregler recht gut beeinflussen. Abgesehen von dem Rauschen war das der Klang einer guten akustischen Geige.
Am Verstärker:
Die Geige hat eine echte 6,3mm-Klinkenbuchse an der Unterseite! Das ist definitiv ein Vorteil gegenüber mancher anderen E-Geige, da man sie mit einem ganz normalen Gitarrenkabel anschließen kann. Ich steckte sie als nächstes in meinen Akustikverstärker Marshall DT50.
Das Rauschen war deutlich geringer wie im Kopfhörer. Also durchaus im akzeptablen Bereich. Der Klang war ziemlich gut und definitiv besser wie der meiner (guten) Akustik-Geige mit deren Doppel-Piezo von K&K zwischen Decke und Steg.
Verarbeitung:
Die Geige ist im Prinzip wie eine klassische Geige aufgebaut. Sie hat also klassische Zargen mit Eckklötzen, eine Decke und einen Boden.
Der Unterschied besteht darin dass Decke und Boden großflächig ausgeschnitten sind und zwei zusätzliche Seitenwände aus Fichte den Korpus in der Mitte verschlanken. das rechte untere Viertel, wo die Elektronik sitzt, ist nicht ausgeschnitten und hat ebenfalls eine Fichte-Abschlusswand.
Sie hat weder eine Stimme, noch einen Bassbalken.
Decke, Boden und Zargen sind aus Ahorn.
Unter dem Steg sitzt in einer planen Nutfräßung in der Decke eine flache, schwarze Kunststoffwanne. In ihr liegt der ca. 1mm dicke, in rötlicher Alufolie eingeschlagene Piezo, der nur eine empfindliche Seite hat, die unter dem rechten Stegbein, also unter der A + E-Saite sitzt. für das Kabel, das mittig nach unten weg geht gibt es eine Zentralbohrung durch Wanne und Decke. Damit der Piezo richtig herum in die Wanne eingelegt wird klebt oben ein Etikett mit den Saitenbezeichungen G D A E drauf.
Der Ahorn-Steg hat plane Füße, da der Piezo ja auch plan ist. Im Vergleich zum Steg meiner klassischen Geige ist er oben relativ dick.
Der Ahornhals ist mit Klarlack lackiert und wurde von mir geschliffen und noch leicht verschlankt. Die Schnecke und der Wirbelkasten sind gut gearbeitet. Die Buchsbaum-Wirbel sitzen gut, liefen nur etwas schwer und wurden von mir mit Pirastro Peg Wax geschmeidig eingestellt.
Wirbel, Saitenhalter und Kinnstütze sind, wie schon gesagt, aus Buchsbaum. Das Griffbrett und die Brücke sind aus Ebenholz und ebenfalls gut gearbeitet. Die Übergangskante zwischen Griffbrett und Hals habe ich bei meiner Entlackung und Verschlankung des Halses angeglichen.
Die ganze Geige ist mit leicht bräunlich eingefärbtem Lack lackiert. Der Lack hält gut, sieht gut aus und hat nur ganz kleine Macken, die natürlich auch von meinem Vorbesitzer stammen könnten.
Zur Verarbeitung des Bogens, oder zum Kolofonium kann ich nichts sagen, da ich beides nicht bekommen habe.
Der Kopfhörer ist billig, bleibt aber auch unkommentiert, da ich nicht weiß, ob er original ist. Er sieht zumindest anders aus wie der auf dem Produktbild und gehört zur ~5€-Klasse.
Die Geige hat einen Feinstimmer an der E-Saite der gut funktioniert.
Die Batterielaufzeit ist nicht sonderlich lang. Ich wechselte sie nach ca. 3 Monaten.
Je leerer die Batterie wird, desto schneller verzerrt der Vorverstärker bei lauten Doppelgriffen.
Man kann die E-Geige auch mit einem 9V-Akku betreiben, hat bei leerer werdendem Akku aber natürlich das selbe Problem. Da man Akkus aber vor einem Auftritt immer frisch geladen einlegen kann ist das Problem ganz gut zu umgehen.
Fazit:
Insgesamt ist es eine gute, gelungene E-Geige die ihr Geld definitiv wert ist.
Man bekommt sie neu momentan aber nur noch in einem Shop in Deutschland.
Sie ist schön leicht mit ca. 600g (hab es mir leider nicht genau gemerkt, sorry)
Die Ausgangsbuchse sitzt unten ziemlich in der Mitte des Korpuses. Dadurch ist sie etwas aus dem Gefahrenbereich der Füße, aber das Gewicht des Kabels kommt eben als Last dazu und man tritt trotzdem immer wieder auf das Kabel.
Viel öfter als z.B. bei einer Gitarre.
Das einzig ärgerliche sind die Verzerrungen bei sehr energischen Doppelgriffen wenn die Batterie leerer wird.
Gott sei Dank gibt es dafür jedoch mögliche Abstellmaßnahmen! - Doch davon später
Erstes Zubehör:
Ich montierte noch vier Wittner Violinfeinstimmer 4/4-3/4, schwarz, für Darmsaiten um beim Spielen leichter nachstimmen zu können.
Zudem modifizierte ich eine Muco Schulterstütze 4/4 Violine mit besser haftenden Gummiflächen, verlängerten Schrauben und einem "Querträger" aus Aluminium auf meine Halslänge. Sie sitzt nun super fest und montiert sich auch bei heftigerem Spielen nicht von der Geige.
Da ich dieses "Abmontieren" bei heftigem Spielen auch bei meiner Wolf Forte Secondo an meiner klassischen Geige immer wieder schaffe, wollte ich eine andere Schulterstütze ausprobieren. Ich suchte mir die Muco auch aus dem Grund aus, dass sie keine Metallteile hat. Die können im Kasten sonst mal ganz gut die Wirbel, oder den Wirbelkasten verkratzen, wenn man sie im Geigenkasten oben im Bereich der Schnecke transportiert.
Deshalb sind mein "Alu-Querträger" und die Schrauben auch mit Schrumpfschlauch überzogen.
Dies ist eine kleine Hörprobe mit voll aufgedrehter Volume, mittig eingestelltem Bass und mittig eingestellten Höhen:
https://soundcloud.com/geigit/originalstegelektronik-bass-neutral-hohen-neutral
Bei dieser Aufnahme sind die Bässe am Vorverstärker etwas angehoben und die Höhen etwas abgesenkt:
https://soundcloud.com/geigit/originalstegelektronik-bass-leicht-angehoben-hohen-leicht-abgesenkt
Mögliche Bezugsquelle der Carlo Giordano EV-201
-> Fortsetzung folgt
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