Du musst das tun, weil Du es Dir so angelesen hast. Ich würde wetten wollen, ein guter Gesangslehrer hätte Dir das auch beibringen können, ohne dass der Kopf ständig so aktiv mitarbeiten muss.
So wie das auch vorher Generationen von Sängern ohne die ganzen physioakustischen Aspekte gelernt haben.
Und gerade einige funktionelle Gesangsschulen wie z. B. das Lichtenberger Institut arbeiten ja gezielt mit dem Körpergedächtnis und triggern die richtigen Einstellungen über intuitive Vorstellungen.
Ich bin auch Bariton und habe mir die Höhe erst erarbeiten müssen, aber wenn ich mich jedesmal in der Höhe mental auf die nächste Vokaltrakteinstellung aktiv vorbereiten müsste, dann würde mir ein dreistündiger Gig mit meiner Coverrockband sehr wenig Spaß machen.
Ich mache das schon immer so und rein vom Rumexperimentieren mit meiner Stimme war es immer die einzige Möglichkeit für mich vollstimmig in die Höhe zu kommen. Durch das Wissen über Formanten-Tuning konnte ich das dann hinterher zumindest auch erklären und den Stimmsitz in sofern optimieren, dass es für mich inzwischen viel weniger anstrengend ist. Was ich allerdings erst im Nachhinein gelernt habe war, dass man den Klang der Vollstimme in der Randstimme imitieren kann, indem man genau diese Einstellungen auch für die Randstimme benutzt.
Ich denke ja auch nicht aktiv daran "jetzt den Formanten zu wechseln", sondern ich finde die Resonanz über das Falsett, das sich, wenn man es vollkommen entspannt benutzt quasi automatisch den Resonanzort sucht, den man dann über die Vollstimme ansingt. Gewissermaßen konditioniert das auch gerade das Muskelgedächtnis.
Trotzdem sind Songs mit vielen Resonanzwechseln immer noch schwierig, weil eine gewisse Tendenz besteht, dass die Stimme in der für die vorherige Note verwendeten Einstellung bleibt.
Ich suche schon lange nach einer Alternative, um die Höhen zu singen, v.a. um vollstimmige High-Notes in einem klassischen Ansatz zu singen. Bei klassischer Gesangseinstellung funktioniert das Formanten-Tuning nämlich nicht, zumindest nicht in dieser Weise. Aber bisher ist mir noch keine untergekommen, auch nicht von den Gesangslehrern, die ich deswegen gefragt habe. Wenn ich den Ansatz benutze, den Tenöre nutzen, um ab G4 vollstimmig zu singen, wechselt meine Stimme ab etwa G4 in die Randstimme auch bei sehr hoher Intensität. Ohne Formanten-Tuning kriege ich dann auch nicht mehr den Klang einer Vollstimme simuliert (was bei klassischem Ansatz sowieso nicht geht). Dann kann ich nur noch stärker twangen. Das hört sich dann aber auch wieder mehr nach Power-Metal an als nach klassischem Gesang, weil es eben Randstimme ist.
Ich kenne leider auch keinen klassischen Bass oder Bass-Bariton, der die Höhen ab G4 vollstimmig nehmen kann, sodass ich mir rein vom Klang her da was abschauen könnte.
Mittlerweile bin ich an dem Punkt, dass ich denke, dass das eine tatsächliche physiologische Beschränkung durch das Stimmfach ist, die vor allem bei klassischem Gesang zieht, im Contemporary-Gesang aber durch Formanten-Tuning zumindest in gewisser Weise umgangen werden kann. Ich nehme mal an, dass höhere Stimmfächer ähnliche Probleme in Bereichen haben, die 2-3 Noten höher liegen.
Die höheren Baritone, die ich kenne, kommen z.B. mit Hilfe von Formanten-Tuning vollstimmig etwa bis C5. In einem klassischen Ansatz (ohne Formanten-Tuning) kommen sie aber nicht über das A4 oder B4 hinweg.