Ben zen Berg
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Ich habe soo laaaaaange auf diese Gitarre gewartet, denn ich habe lange nach einem Jazzmaster im mittleren Preissegment gesucht. Ich liebe den Jazzmaster-Sound, kenne aber auch die Problem-Zonen dieser Gitarre. Außerhalb der Fender-Gruppe gibt es eigentlich keinen Jazzmaster. Von der Form her schon, doch die Pick Up-Bestückung... Wenn überhaupt, dann werden P-90er drauf geschraubt.
Nur Alden hatte mit dem Jazzcaster diesen Type fast geklont, irgendwie haben diese Teile aber nie den Weg nach Europa (oder zu mir) gefunden. Was mich aber nicht hart trifft, denn ich habe eine Alden Galactica mit der gleichen Bridge/Trem-Kombi - da klingelt es im Vergleich zum Original noch viel, viel stärker.
Und bei Fender/Squier?
Squier hatte ja schon einen VM-JM im Programm. Soundtechnisch fand ich diese Gitarre auch sehr ansprechend. Die Hardtail Bridge gehört für mich aber eher zu den hässlicheren ihrer Gattung und das Strat-Jack-Slot empfinde ich auch als störend.
Die Squier J.Mascis Jazzmaster - von den Zutaten eigentlich genau auf den Punkt. Aber dieses ranzige Weiß mit dem 'Gold Anodized Aluminium'-Pickguard ... Ich schreib' lieber nicht, woran mich das erinnert.
Das krasse Gegenteil: der Fender Modern Player Jazzmaster HH BK. Optisch perfekt - nur die falschen PU's.
Aus der gleichen Serie hatte ich die Marauder in die engere Wahl genommen, die etwas gedrungene Form und das Strat-Trem haben aber immer wieder Zweifel hervorgerufen. Der Trembucker ist schon interessant, aber das Jazzmaster-Bridge-PU würde ich doch sehr vermissen. Deswegen habe ich auch nie wirklich über den Blacktop Jazzmaster nachgedacht.
Die weiteren Fender-Modelle gehören nicht mehr zur Mitelklasse, Classic Player (zwischen 900 und 1.000 €) und American Vintage (um die 2.000 €) sind mir deutlich zu teuer.
Und dann - im Herbst 2012 - war plötzlich diese Gitarre da! Ein Jazzmaster, American Vintage '65 like, für 300 € !!!! Und in diesem verblichenem Surf Green (was Squier Sonic Blue nennt). Es gab kein entkommen. Der Google/YouTube-Check feuerte meine Euphorie noch an. Überall, wo man auf diese Gitarre traf, war helle Aufregung und ein breites Grinsen. Was besseres als die drei neu vorgestellten VM-Typen (Jaguar/Jazzmaster/Mustang) soll seit Jahren in diesem Segment nicht mehr auf den Markt gekommen sein. Ich musste und habe mir diese Gitarre noch im Dezember 2012 bestellt.
Die Fender/Squier Jazzmaster-Family von links nach recht in der Reihenfolge, wie sie oben genannt werden.
Sie wurde kurz vor Weihnachten geliefert. Ausgepackt und... Wow, heute komm ich zu spät ins Büro! Verarbeitung: Sehr wertig, nimmt man die Lupe, findet man nur eine minimal ausgefressene Kante an der Unterseite der Halstasche. Teurere Gitarren haben öfters größere Macken. Mir ist ein bisschen zu viel Lack auf dem Hals, auch wurde dieser nicht aus tripple-A-Holz gefertigt. Das Griffbrett ist sehr dünn, so dass die Markierungen genau auf die Rosewood/Ahorn-Fuge gesetzt wurden... Doch für den Preis passt's schon. Die gekapselten Mechaniken sind nett anzusehende No-Name-Vintage-Tuner, die ihren Job ordentlich machen. Die Saitenlage war gut eingestellt, in Punkto Intonation musste nur die G-Seite minimal nachjustiert werden. Ran an den Amp, Rhythm Circuit rein und yep... das will ich hören! Jazzmaster pur, wie aus dem Lehrbuch!
Super-heißer Bridge Pick Up
Switch to Lead Circuit and Urgh!!!!!!!!!! Beim ersten mal tut's immer weh - Daran musste ich mich erst gewöhnen. Es war für mich einfach nur schrill. Ich wurde im Web schon vorgewarnt, also, Bridge-PU runterschrauben... brachte auch nicht sooo viel. Zuerst habe ich den Lead Circuit per Tone-Knop immer unter vier gekühlt. Dann wurde auch wieder genau das, was ich hören wollte, geliefert.
Nun habe ich diese Gitarre schon ein 3/4 Jahr und habe mich doch schnell an diesen super-heißen Bridge Pick Up gewöhnt. Eigentlich spiele ich nur über gemodelte Amps via Tonelab ST. In der Fender/Vox Ecke schraube ich beim Bridge-PU öfters noch den Tone-Pot runter, in der Marshall-Umgebung ist das überhaupt nicht nötig. Und Mesa/Boogie? Oh, du schmutziges kleines Ding - Break - Es ist definitiv der höhenreichste Tonabnehmer in meinem Park. Das der Body aus Linde und nicht aus Erle oder gar aus Esche ist, ist bei diesem PU viel leicht sehr dienlich.
Der Jazzmaster ist kein Sustain-Monster mit sehr perkussivem Klang. Wenn man die Saiten reißt, poppt es mega-geil. Pauschal würde ich jeden Metaller an dieser Axt vorbei winken und auch der Solist wird auf den hohen Saiten schmerzlich das Sustain vermissen. Das Teil ist was für Rhythmiker - egal was sie spielen, wenn's nur kein Metall ist.
Oder?? Viel leicht fehlt mir hier auch nur der Zugang - Im tdpri.com-Forum habe ich gelesen dass das Bridge-PU 11,39 Kilo wiegen soll - was dann ja doch wieder die härtere Fraktion aufhorchen lässt.
Der (Jammer-)Haken an der Gitarre
Aber! Der Jazzmaster hat eine üble Schattenseite: Die Bridge/Trem-Kombi. Der Jammerhaken sorgt sehr schnell für Verstimmung. Bei leichtem Schimmering mit nur in Saitenrichtung gedrücktem Hebel hält sich die Verstimmung noch ein wenig in Grenzen. Zieht man den Haken aber in die andere Richtung, kann man direkt mit dem Spielen aufhören und die Gitarre erst einmal wieder richtig stimmen. Leider verliert das Tremolo dabei auch die stabile Lage und es muss mehrfach nachgestimmt werden, bis sich das System wieder richtig ausbalanciert hat.
Diesen Konstruktionsmangel kann man umgehen, in dem man den Whammy-Hebel einfach ignoriert, was beim gefürchteten Jazzmaster-Bridge-Buzz aber nicht gelingen wird. Denn die über die Brücke zum Tremolo geführten Saiten schwingen bei jedem Anschlag mit. Auf dem Abstand von fast 13 cm wird eine deutlich hörbare Schwingung erzeugt. Rein mathematisch müssten es die Töne G#,C#,F#,B,D# und G# sein, also schon was sehr Schräges.
Wie erkläre ich den Effekt am besten? Stellt euch einen kleinen Teufel vor, der eine Axt mit 30 Bünden hat. Und bei jedem Ton, den Ihr auf dem Jazzmaster spielt, schlägt das Teufelchen zeitgleich die selbe Saite im 28. Bund an. Ja, egal welcher der möglichen 21 Töne auf der B-Saite gespielt wird, das dreigestrichene dis ist immer dabei.
Bad Vibes
Vom Hals-PU werden diese Schwingungen fast gar nicht aufgenommen. Bei dem Clean gespielten Bridge-PU sind die 'bad vibes' auch kaum zu hören. Doch sobald man am Gain-Regler dreht...
Ungemuted wird einfach nur eine kleine Disharmonie mit eigestreut, die den Sound etwas dreckiger macht. Sobald jedoch die Saiten gemuted werden ertönt ein kreischender Nachhall von den ausschwingenden Seiten zwischen Bridge und Tremolo. Wenn man nicht nur 'Palm muted' sondern auch mit der Greifhand dämpft, tritt ein weiterer, sehr negativer Effekt auf: Die Saiten werden durch das Nachschwingen oberhalb der Brücke wieder reanimiert, das führt zu lauten Flageolett-Tönen, gerade im dritten, fünften, siebten und zwölften Bund. Mit einer Dämmung zwischen Bridge und Tremolo kann man die meisten Nebengeräusche killen - leider lassen sich die Flageolett-Töne davon nicht beeindrucken.
Ich kannte das Brücken-Problem und hab' mir den Jazzmaster trotzdem bestellt. Und ich liebe diese Gitarre, diese 'olle Schrulle', die auf etepetete macht und dann doch ganz dreckig von hinten um die Ecke kommt. Ich möchte sie nicht mehr missen, aber ich würde niemals mehr als 400 € für diese Konstruktion ausgeben.
Und - There is one more thing... Nein eigentlich drei:
1.) Die Medium Jumbo Frets sind schon ganz schön hoch. Dafür wurden sie an meiner Gitarre nicht flach genug abgewinkelt. Irgendwie bleibt man beim schnellen Umgreifen manchmal an den Bünden hängen. Es ist nichts Schlimmes, die Bündchen sind sauber verarbeitet, man verletzt sich nicht. Es ist auch nicht so als würde man gegen einen Türpfosten rennen - Es stört halt nur ein wenig beim Spielen.
2.) Nach nur drei Wochen hatte das Toggle Switch einen Wackler, was bei diesem Modell wohl öfter vorkommt.
3.) Nach ca. einem halben Jahr fing der Volume-Pot an zu kratzen.
Wir sprechen hier nicht von der untersten Schiene der Budget-Gitarren und hier sollten diese drei Punkte in der Produktion behoben werden.
Fazit
Wer den Jazzmaster mag, dem kann ich diese Gitarre nur bestens empfehlen. Es ist ein echter Jazzmaster, mit allen bekannten Vor- und Nachteilen. Das Brücken-Brummen schmerzt bei 300 € nicht wirklich, wenn man doch so schön schmuddelig spielen oder seinem Drummer äußerst perkussiv die Tränen in die Augen spülen kann.
Oh, ja... wie es sich anhört:
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