Spielen klanglich wirklich nur Piano, Hammond/Leslie, Rhodes und Wurly eine Rolle?

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Martman
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Oder bei welchen Sounds ist euch Authentizität wichtig?

Meines Erachtens wird bei der Qualität der Reproduktion verschiedener Tasteninstrumente mit zweierlei Maß gemessen, wobei die Grenze nicht so sehr variiert.

Auf der einen Seite sind möglichst authentische Sounds von akustischen Pianos, Hammond/Leslie, Rhodes und Wurlitzer oft absolut serious business.
  • Der Konzertflügel muß pro Taste jeweils ungeloopte (auch wenn sie 8 Sekunden lang sind) Samples mit Velocity Switching haben; je mehr, desto besser. Samples eines Flügels, die zusammen nur ein paar Gigabyte oder gar weniger als ein Gigabyte umfassen, sind peinlich und klingen furchtbar.
  • Nur die beste Hammond-Emulation ist es wert, gespielt zu werden – das ist für gewöhnlich die von Clavia. Die zweitbeste ist schon Müll.
  • Praktisch jedes Mal, wenn wieder eine neue Leslie-Simulation rauskommt, werden alle anderen zu unverwendbarem Elektroschrott, den nur noch Sparbrötchen ohne Ohren einsetzen. Der Ventilator I ist schon besser als die auch schon hochwertige Leslie-Simulation in den Nord-Keyboards, wird aber ihrerseits wieder unbrauchbar mit Erscheinen des nochmals besseren Ventilator II.
  • Das mit Physical Modeling, also ohne statische Samples, arbeitende Waldorf Zarenbourg spielt kaum einer, weil es nicht exakt wie ein Rhodes oder Wurlitzer klingt.
  • Viele würden am liebsten mit einer echten B-3, einem echten Leslie 122 und einem echten Rhodes Mk II losziehen.
Bei Synthesizern dagegen ist das alles komplett egal. Kein Hahn kräht danach, wie authentisch ein Roland Jupiter-8 nachgebildet wird. Oder ein ARP Odyssey Mk. III. Oder ein Oberheim SEM, Two-Voice oder Four-Voice. Oder ein Korg Polysix. Oder ein Sequential Circuits Prophet-5 Rev. 2.2. Oder ein Yamaha CS80. Oder ein Roland JX-8P. Oder ein Oberheim OB-Xa. Oder ein Yamaha DX7. Oder ein Roland D-50. Oder ein PPG Wave 2.3. Oder ein Fairlight CMI. Oder ein E-mu Emulator II mit der Universe of Sounds-Library.

Höchstens noch beim Minimoog Model D, aber selbst da nur selten. Da haben dann einige eh schon ein MacBook auf der Bühne, schrauben sich dann aber ihre Moog-Sounds im Alibi-VA ihres Nord Stage, statt sich U-He Diva zu installieren, die anerkannt beste Minimoog-Emulation ever.

Einerseits werden Leslie-Simulationen auf allerhöchstem Niveau gegeneinander getestet, und nur die allerbeste ist überhaupt einsatzwürdig, mit allen anderen macht man sich nur lächerlich. Andererseits ist es sogar schon scheißegal, ob das Filter eines Synthesizers 12 oder 24 dB/Oktave macht, ob es ein oder mehrere Oszillatoren sind, oder was für Wellenformen die Oszillatoren produzieren (selbst wenn man nur drei bis fünf Wellenformen zur Auswahl hat).

Die Hammond MUSS vom Nord kommen, das Leslie MUSS ein Ventilator II sein, weil das alles jeweils das Beste vom Besten vom Besten ist mit Auszeichnung. Aber der Korg MS-20 wird ersetzt durch irgendeinen entfernt ähnlichen Werkssound aus dem Yamaha-Motif- oder Kurzweil-PC3-Fundus, und die markante Fairlight- oder Emulator-Shakuhachi mit ihren Klangsprüngen im Verlauf des Samples (und die hört man bei so Sachen wie "Sadeness Pt. I" nun wirklich sogar noch über den letzten Brüllwürfel, geschweige denn eine Live-PA) wird ersetzt durch irgendeine 08/15-Romplerflöte.

Fast jeder hier hat Nord Stage oder Nord Electro. Dagegen hat mit Sicherheit absolut niemand eine ganze Armada an handverlesenen Vintage-Synth-Emulations-VSTis oder auch nur einen Arturia Origin, und kaum jemand hat zumindest einen King Korg. Herzlich wenige Leute hier haben überhaupt einen VA außerhalb ihres Nord Stage.

Die Gleichgültigkeit bei Synthesizersounds wird dann begründet mit "hört man über die PA sowieso nicht". Aber den Unterschied zwischen Leslie 122, Ventilator II und Ventilator I hört man über die PA. Richtig?

Okay, jetzt kann man sagen: "Das mit Hammond und Leslie und Rhodes und Wurly mach ich für mich selbst, ich fühl mich besser, wenn's gut klingt." Bei jeglichen Synthesizersounds ist das dann wieder egal, selbst wenn man Manfred Mann's Earth Band oder Pink Floyd oder etwas anderes arg Synthesizerlastiges aus der Zeit von 1970 bis 1990 spielt, wo das verwendete Equipment echt noch übersichtlich war (im Vergleich zu den Monsterstudios der 90er oder modernen VST-Materialschlachten).

Kann mir jemand dieses Phänomen erklären? Sind viele Keyboarder einfach zu sehr auf den nichtprogressiven Classic Rock zu Lebzeiten von Jim Morrison geeicht, als man noch keine Synthesizer verwendete?

Oder was sagt ihr dazu?


Martman
 
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Also ich teile Deine Einschätzung nicht ganz. Wir reden jetzt mal von Live-Mucke, also nicht Studio. Grad bei den Pianos leg ich da viel mehr wert auf live-tauglichkeit und Durchsetzungsfähigkeit als auf Gigabytegroße Samples. Ich bin sogar der Meinung, dass man
noch mit einem Kurzweil Micropiano auch heute noch in der Band einen amtlichen Piano-Sound hinbekommt. Bei den Rhodes und Orgel liegst du schon eher richtig, auch ich lege da mehr Wert drauf, weil es da einfach ziemlich viel am spielgefühl ausmacht. Und mal ehrlich, es gibt doch nichts schlimmeres als eine scheiß Eierleslie-Sim zu spielen? Du bezeichnest dich als Synthesizer-Spieler, andere sind eher die Orgelspieler. Und da fallen selbst Workstation alla Motif, PC3 und Co gegenüber einem Clone ziemlich ab. Ich finde bei den Hammonds kann man aber mittlerweile ziemlich jeden Clone auch mit seiner internen Leslie-Sim super einsetzen, sei es Numa, Nords, Hammond etc., da muss es überhaupt nicht mehr das teuerste sein. Aber hier hat sich in den letzten Jahres wahnsinnig viel getan, noch vor 10 Jahren gab es kaum gute Hammond-Clones, geschweige denn Leslie-Effekte, hier hat einen Quantensprung gegeben!

Bei den Synthi-Sounds hingegen, mal ehrlich, soviel hat sich da doch nicht getan...Das Problem dort ist schlicht, dass die alten analog Schätzchen live nicht mehr einzusetzen sind, es sei denn man hat im Lotto gewonnen und einen Techniker mit dabei. Wer spielt live
noch einen alten Prophet? Oder einen Mini? Das kommt sicher total geil, aber wer kauft für 10TEUR anfällige, alte Instrumente und karrt die regelmässig von Proberaum zur Bühne und zurück? Kein Mensch. Am ehesten noch nen Mini, da gibts auch hier Leute die das machen.
Und was wäre die Alternative? Einen Prophet 12, einen Voyager, einen Virus, einen Waldorf und was weiss ich dabei haben, weil einem das eine oder andere Filter besser gefällt oder ein Original besser reproduzieren kann? Gut, wenn Geld keine Rolle spiel vielleicht...

Aber mit einem Access Virus oder Nordlead, Nordwave&Co kann doch ziemlich alles (jehova™) an Synthi-Sounds livetauglich reproduzieren. Oder willst du etwa behaupten, mit einem Nordlead oder ähnlichem blamiert man sich auf der Bühne?
Selbst Pink Floyd spielten seit den 90ern Kurzweil und karren keine Lastwagen voll Studio-Geräten auf die Bühne und die hätten sichs noch leisten können...

Und Du selber löst spielst doch auch mit Microkorg, k2k und einem Virus B, wie geht das zusammen?

Und auch mal Hand aufs Herz, wieviele von deinen immer wieder angeführten Kult-Sounds (wer setzt denn den Bladerunner sound ein?!, Lucky? etc) braucht man denn überhaupt heute noch? Wer spielt denn sowas noch live? Und wieso ist ein Lucky Sound ausm Virus schlecht?
Kann ich nicht nachvollziehen...Du stempelst hier ziemlich pauschal alle als Workstation Preset-Nutzer ab, viele geben sich hier auch bei den Synths ziemlich mühe, ohne aber die Originale zu verwenden.

Lg
Daniel
 
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Ich arrangiere grundsätzlich alles um. Blöde Antwort, ich weiss, ist aber so.
Aber ich gehöre auch zu den Menschen, die auf einem 49-Tasten-500€-Yamaha Klavier spielen und die Analogstrings und Click-Organ aus prä-Trinity-Korgs als nonplusultra feiern, ich bin da nicht repräsentativ.
Und Nordstage bzw. Clavia generell halte ich ohnehin für die Appleprodukte der Musikerbranche. Völlig überhypte wie überteuerte Maschinen - aber sie klingen, das muss man ihnen lassen. Und für andere funktionieren sie auch ganz gut. Aber nicht für meinen Workflow.
Ja, ich gebe zu, Eierleslie finde ich auch doof, vermeide ich in den wenigen Momenten, wo ich orgeln muss, auch, aber ich nutze keinen Ventilator, sondern die integrierte Simulation aus einem Steinzeit-Korg- bzw. Ultrabillig-Yamaha-Rompler. Die klingt auch.

Bei meiner Progmetaltruppe (derzeit grad inaktiv) kommt bzw. kam gut 90% des synthetischen Materials vom Rompler. Hat niemanden gejuckt. Nur heute schreien alle (?) nach Analogsimulationen (brauch ICH nicht, ich brauch digital) oder wahlweise nach Omnisphere, wobei ich mir bei letzterem geschworen habe, es NIE, NIE, NIE, NIE!!! auf die Bühne zu nehmen oder überhaupt erst zu kaufen... einerseits, weil ich nicht der onstage-Rechnertyp bin, andererseits, weil Omnisphere inzwischen Studiostandart hoch zehn ist und man nicht mal mehr ungestört Bienchen&Blümchen-Movies auf einschlägigen Portalen gucken kann, ohne das einem diese Presets entgegen kommen, ganz abgesehen davon, dass schon jeder dritte Chartproduzent und jede zweite halbwegs relevante Band dieses ver*piep*te Hochfrequenz-Sample benutzt hat, das eigentlich nur bei Rammstein gut getönt hat und seither nur noch nervt... Alles klingt nach Mylo Xyloto, und das war ja leider Referenz für Omnisphere, wenn auch nicht für Popmusik... leider... oder auch nicht...
 
Ich glaube der Grund dafür ist viel simpler:

Die meisten User haben schlichtweg mehr Erfahrung mit Piano, E-Piano und Orgeln, als mit Synths. Auch die Auswahl macht es leicht:
Piano: Jeder weiß, wie ein Flügel klingt....
E-Piano: Auch der Rhodes-Sound ist klar definiert
Orgel: Hammond, Vox & Farfisa... damit wären auch hier alle gängigen Arten geklärt.

Bei Synths ist die Auswahl um ein erschlagenes Vielfaches höher. Und die Wahrscheinlichkeit, dass sich damit jemand auseinandersetzt, ist deutlich geringer, als bei den "klassischen" Instrumenten. Viele User sind nicht in der Lage, Sounds bestimmten Synths zuzuordnen. Da gehts ja schon los ;)

Ich selbst lege generell großen Wert auf live nutzbare Sounds. Wie alt die nun sind oder woher die stammen spielt erstmal keine Rolle. Ich nutze das, was mir momentan zur Verfügung steht und was das beste Preis-Schlepp-Flexibel - Verhältnis hat. Und das ist bei mir momentan der Rechner.
 
Ich denke, das hat damit zu tun, dass die Klangvielfalt bei einem richtigen Piano, einem Leslie-Speaker, einem Rhodes und einem Wurly einfach recht niedrig ist.

- Ein akustisches Klavier lässt sich im Sound schon mal fast gar nicht ändern, es klingt nun einmal wie es klingt. Je nach Mikrofonierung klingt die Aufnahme vielleicht etwas anders, aber ansonsten ist dort nicht viel Spielraum.
- Ein Leslie-Kabinett kann man auf schnell oder langsam stellen, vielleicht noch auf stopp, mit etwas Einstellarbeit kann man noch die Beschleunigungsdauer verändern, aber es ist dann immer noch ein Leslie.
- Rhodes und Wurly haben den Tremolo-Effekt, aber abgesehen davon lässt sich ebenfalls wenig am Klang einstellen.

Es gibt dort einfach wenig Variationen, ein Modell klingt - von Abnutzungserscheinungen abgesehen, die sowieso durch Restaurationen vor dem Samplen/Nachbilden minimiert werden - eben so, wie dieses Modell klingt.
Aber die Nachfrage nach genau diesen Sounds ist einfach nach wie vor groß, weswegen man sich bemüht, diesen einen Sound möglichst authentisch nachzubilden.

Bei einer Hammond ist das etwas anders. Da hat man mehr Gestaltungsfreiheit. Dennoch beschränkt sich die Nachfrage dann meist auf das immer selbe Modell B3, auf die selben 9 Drawbars, die selben 6 Chorus/Vibrato-Varationen und die selben Einstellungen für Percussion. Das ist etwas mehr Vielfalt, aber immer noch abzählbar. Zumal bestimmte Einstellungen (888000000 z.B.) da auch noch beliebter sind als andere und eben genauso klingen sollen wie beim Original und nicht anders.

Bei analogen Synthesizern ist dann der große Unterschied, dass es eben nicht mehr genau den einen Klang gibt, den man nachbilden will, sondern unendlich viele Variationen und Abstufungen. Eine Emulation kann in einer Einstellung genauso klingen wie das Original, aber dreht man dann die Regler ein wenig, ist man womöglich schon wieder weit weg vom Vorbild. Das Verhalten in jeder erdenklichen Einstellung nachzubilden ist eine Menge Arbeit. Für einen vergleichsweise einfach aufgebauten Minimoog mag das noch gehen, aber komplexere Geräte oder - man möchte es gar nicht aussprechen - gar Modularsysteme wie in Studios für experimentelle Musik in den 50ern und 60ern wären angesichts des Aufwands ein Alptraum.
Mit Hardware wäre es vielleicht noch am ehesten zu realisieren; nimmt man die selben Teile wie das Vorbild - vorausgesetzt, es gibt die Bauteile noch -, hat man in der Theorie eine 1:1 Neuauflage. Die Kosten dafür würden dann aber auch ziemlich hoch liegen und vermutlich nicht mit anderen Synths auf dem Markt konkurrieren können, so dass dann bestenfalls die Hardcore-Fans zugreifen. Falls überhaupt, denn manche dieser Leute werden einem fabrikneuen Gerät, dass ganz ohne Rost, Schweiß, Spuren von Zigaretten und Staub auskommt, wohl nicht über den Weg trauen. Wo bliebe da denn auch der Vintage-Faktor?
Ganz zu schweigen davon, dass manche Modelle innerhalb einer Bauserie auch ganz anders klingen. Nimmt man dann ein Modell zum Vorbild, wird sich selbst bei höchster Detailtreue immer irgendjemand beschweren, weil er andere Vorstellungen hatte, wie dieses Gerät überhaupt zu klingen hat.
Man hätte dann also ein Gerät, dessen wirtschaftlicher Erfolg aufgrund des vergleichsweise hohen Preises und der (verglichen mit anderen modernen Synths) niedrigen Flexibilität anzuzweifeln ist. Da verstehe ich durchaus, dass so etwas eher selten versucht wird.

Ein anderer Ansatz wäre natürlich Software. Diva und Monark wären zwei nennenswerte Minimoog-Klone, aber von vielen der von dir aufgelisteten Synths, um die sich angeblich niemand schert, gibt es von Arturia brauchbare Software-Nachbildungen. Die werden anscheinend auch von einigen Leuten verwendet, allerdings meist nur im Studio. Auf der Bühne wollen viele immer noch keinen Laptop haben, sei es, weil sie nicht technikaffin sind, weil sie Stabilitätsprobleme befürchten, oder weil sie ihr Setup einfach nicht ändern wollen, weil es so funktioniert, wie sie es bisher verwenden.

A propos funktionierendes Setup: wenn man - oft nach langem Hinundher - endlich die paar Geräte besitzt, mit denen man mit möglichst geringem Transport-, Spiel- und Schraub-Arbeit die Sounds abdecken kann, die man braucht, dann gibt man sich eben auch mal mit weniger zufrieden. Die Zeiten der großen Synthburgen sind einfach vorbei, wenn man 2-3 Geräte hat, die alles einigermaßen können, dann sucht man kaum noch nach Spezialisten. Jedes zusätzliche Gerät bedeutet schließlich auch mehr zu transportierendes Gewicht und Volumen, mehr Aufwand beim Aufbauen und durch notwendige Kabel und Interfaces auch mehr Technik. Wenn man gut genug ist, sich einen Roadie leisten zu können, kann der das natürlich übernehmen. Aber wenn man alles selbst machen muss, gerade noch unter Zeitdruck, ist das weniger unterhaltsam. Einfach zwei, drei Keys auspacken, aufstellen und anschließen, kurz ein paar Tasten anspielen, um zu sehen, ob alles funktioniert, ist da die komfortablere Lösung. Auch wenn der und der Klang dann aus einem Rompler kommt und nicht aus einem original-authentischen Gerät X.

Wo wir schon dabei sind:
Das mit Physical Modeling, also ohne statische Samples, arbeitende Waldorf Zarenbourg spielt kaum einer, weil es nicht exakt wie ein Rhodes oder Wurlitzer klingt.
Das mag einer der Nebengründe sein. Der Hauptgrund, warum es keiner spielt, dürfte wohl sein, dass das gute Stück 34(!) kg schwer ist und 2800€ kostet. Für bedeutend weniger Gewicht und Geld bekommt man schon einige Geräte mit deutlich mehr Funktionen. Der Nord Electro 4D ist beispielsweise für 1200€ weniger zu haben, wiegt weniger als ein Viertel(!) des Gewichts des Zarenbourgs und kann zusätzlich zu einem guten Rhodes und einem vor Kurzem zumindest verbesserten Wurly sowohl Clavinet, akustische Pianos und andere Natursounds, als auch sehr gute Orgeln, Mellotron/Chamberlain und einige akzeptable Synth-Samples.
Wer es sich leisten kann, einen Zarenbourg als exotischen Spezialisten zu kaufen, kann das gerne tun. Für die meisten Hobby-Musiker ist das aber einfach nicht drin.

Viele würden am liebsten mit einer echten B-3, einem echten Leslie 122 und einem echten Rhodes Mk II losziehen.
Dazu wünschen sie sich dann aber auch einen eigenen Roadie/Techniker. Die ~300kg für B3, Leslie und Rhodes zusammen sind mit recht viel Transportaufwand verbunden. Dazu kommt dann noch die Wartung…und natürlich zu aller Erst die Anschaffungskosten im fünfstelligen Bereich. Das wird beim Wünschen und Träumen wohl gerne mal ausgeblendet.


Allgemein sei noch erwähnt:
muß[…]ist es wert, gespielt zu werden[…]unbrauchbar[…]überhaupt einsatzwürdig, mit allen anderen macht man sich nur lächerlich[…]MUSS[…]MUSS[…]
Wer sagt denn, dass das so sein muss? Die Musikerpolizei? Die Art Leute, die vermutlich vor 80 Jahren gesagt hätten, an Tasteninstrumenten im Jazz sind nur Klaviere erlaubt, Orgeln sollen in der Kirche bleiben? Und Gitarren klingen überhaupt nur dann authentisch, wenn sie akustisch sind, E-Gitarren resonieren ja kaum, klingen nicht warm™ genug und machen nur Lärm? Die "Euer Sound genügt meinen Ansprüchen nicht. Hört sofort auf, Spaß zu haben!"-Typen?
Musik, gerade Rock lebt doch gerade davon, dass Vorschriften missachtet werden. Praktisch alles, was heute als moderner Klassiker gilt, war früher mal radikal neu.
Woher nun wie welcher Sound erzeugt wird, ist nebensächlich, solange das Gesamtkonzept stimmt. Bei Bands mit eigener Musik sowieso, bei Coverbands (und das sind wohl ein Großteil hier) sind Abweichungen und Neuinterpretationen durchaus erlaubt, solange das Ergebnis überzeugt.
Bei Tribute-Acts, die wirklich 1:1 eine andere Band nachbauen wollen, ist Treue zum Original natürlich wichtiger. Aber selbst da gibt es Spielraum. Die Australian Pink Floyd Show ist beispielsweise als die so ziemlich beste Pink Floyd-Tribute Band bekannt und bekam sogar Lob von David Gilmour persönlich. Aber dann schaut man sich mal das Setup des Keyboarders an und stellt fest: kein Stückchen Vintage, alles relativ moderne Geräte und auch ziemliche Allrounder. Mon Dieu!
Funktioniert aber trotzdem wunderbar.:)
 
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egoldstein schrieb:
Wer sagt denn, dass das so sein muss? Die Musikerpolizei?
Steht doch in seiner Signatur :D.
Also ich brauch als anspruchsloser Anfänger weder eine echte Hammond, ein Rhodes, ein Wurly noch ein hochgezüchtetes (Analog/VA/VSTi-) Syntharsenal. Vermutlich bin ich klanglich (noch?) relativ anspruchslos, auch wenn ich bestimmt nicht aufs Klavier verzichten wollen würde.
 
Ich denke, das hat damit zu tun, dass die Klangvielfalt bei einem richtigen Piano, einem Leslie-Speaker, einem Rhodes und einem Wurly einfach recht niedrig ist.

- Ein akustisches Klavier lässt sich im Sound schon mal fast gar nicht ändern, es klingt nun einmal wie es klingt. Je nach Mikrofonierung klingt die Aufnahme vielleicht etwas anders, aber ansonsten ist dort nicht viel Spielraum.
- Ein Leslie-Kabinett kann man auf schnell oder langsam stellen, vielleicht noch auf stopp, mit etwas Einstellarbeit kann man noch die Beschleunigungsdauer verändern, aber es ist dann immer noch ein Leslie.
- Rhodes und Wurly haben den Tremolo-Effekt, aber abgesehen davon lässt sich ebenfalls wenig am Klang einstellen.

Es gibt dort einfach wenig Variationen,

Das ist lustig, das hätte ich genau andersherum formuliert: Ein Klavier hat eine viel größere Klangvielfalt als ein elektronisches oder digitales Instrument. Nicht nur, daß wirklich jedes Klavier anders klingt, sogar eine einzelne Saite schwingt nie zweimal genau gleich, ebensowenig ein Tine. Ich habe beim Klavier einen nahezu unendlichen Variantenreichtum durch den Anschlag, den ich wirklich bis ins kleinste Detail kontrollieren kann. Luftfeuchtigkeit spielt eine Rolle, der Zeitraum seit der letzten Stimmung etc. Nehme ich dagegen ein elektronisches Instrument, wird jeder Ton genau wie der vorherige klingen, solange ich an den Reglern nichts verstelle. Wahrscheinlich verhält sich ein Leslie bei Westwind anders als bei Ostwind. ;) Aber dem Moog ist es egal, ob sein Strom aus dem Windpark oder dem Atommeiler kommt.

Die Grenze, die Martman zieht, liegt interessanter Weise genau zwischen Mechanik und Elektronik. Klavier, Flügel, Rhodes, Wurly und Hammond sind mechanische oder elektromechanische Instrumente, Minimoog, Polysix oder Jupiter, sind elektronische (oder digitale) Instrumente. Vielleicht hat es damit irgendetwas zu tun.

Viele Grüße,
McCoy
 
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Vielleicht sollte ich ein wenig präzisieren: natürlich haben Pianos und E-Pianos auch ihre Klangmöglichkeiten, das will ich nicht bestreiten.:)
Anschlagstärke und damit verbundene Einwirkung auf Lautstärke, aber auch Klangfarbe ermöglichen schon einiges an Variationen. Dazu kommen dann noch Resonanzen und einige andere Feinheiten.

Aber das sind in meinen Augen eher Möglichkeiten, die durch das reine Spielen mit den Händen an der Klaviatur und gegebenfalls den Füßen am Pedal hervorgehoben werden. Die grundlegende Klangerzeugung von Hämmern, die auf Saiten/Tines/Reeds treffen, wird dabei nicht verändert, es ist zum Beispiel nicht möglich, während dem Spielen das Material der Hämmer zu ändern, einen zusätzlichen Hammer hinzuzuschalten, der in einem bestimmten Intervall über/unter jeder gedrückten Taste erklingt, die Saiten dünner oder dicker zu machen, sie langsam einschwingen oder endlos ausschwingen zu lassen…
Solche radikalen Eingriffe sind nicht zuletzt aus physikalischen Gründen bei einem mechanischen oder elektro-mechanischen Instrument schwer zu realisieren. Bei einem Synthesizer lassen sich die Äquivalente zu diesen Parametern hingegen meist mit wenigen Handgriffen umsetzen. Durch das technisch bedingt meist monophone Spiel des Synthesizers in seinen Anfangsjahren hatte man zudem oft eine Hand frei, die sich um so etwas kümmern könnte, weswegen die Klangbearbeitung wohl ein wichtiger Teil des Spielens und Vorbereitens wurde. Bei einem von Anfang an polyphonen Instrument wie einem Klavier oder E-Piano konzentrierte man sich hingegen eher darauf, dass die zwei Hände an der Klaviatur möglichst viele Feinheiten hervorheben, ohne aber den Grundklang des Instruments gänzlich zu verändern.

Versteh mich nicht falsch, solche Instrumente können mit einem guten Spieler durchaus vielfältig klingen. Aber diese Vielfalt beschränkt sich dann immer noch auf den Klangcharakter des jeweiligen Instruments. Während bei einem Synthesizer so ziemlich alles irgendwie realisierbar ist.

Ich bin zugegebenerweise auch jemand, der eher selten einen Konzertflügel im Wert eines ordentlichen Autos unter den Fingern hat. Und wenn, dann ist das meist in einem Musikgeschäft, in dem andere Kunden und Verkäufer wohl die ganzen kleinen Feinheiten übertönen. Wenn ich genug Zeit, Geld und eine schalldichte Wohnung hätte, um mal über ein paar Wochen und Monate einen in Ruhe auszuprobieren, würde ich die ganze Sache vielleicht etwas anders sehen, das kann ich nicht ausschließen. :)
 
Die Hammond muss überhaupt nicht von Nord kommen, ich fände es viel schöner, z.B. so eine Hammond SK 1 zu besitzen, eben weil da noch Hammond draufsteht, das macht schon viel aus und klanglich zusammen mit Ventilator ist das ja auch ne feine Sache.

Besitze allerdings ein Roland V-Combo das ich immer mehr schätzen lerne, auch ein für mich völlig ausreichender Orgelsound und einen Hammond-Aufkleber habe ich drauf angebracht ;-)

Was ich früher beim Roland JV 30 immer schon gemerkt habe: Hammond, Rhodes, Piano, Wurli, die sind für mich halt die wichtigsten Sounds und daher ist es mir auch wichtig, dass sie eine aufwändige Klangerzeugung innehaben.

Jemand der gern Synth-Sounds spielt wird mehr darauf achten, den für ihn besten virtuell-analogen Synthie zu finden.

Originale mit auf die Bühne zu schleppen, so weit geht bei mir die Liebe nicht, aus Kosten und Kapazitäts- / Schleppgründen.
 
@ egoldstein

Ich wollte ja nicht Deine Sichtweise wirderlegen, sondern fand es nur interessant, daß ich aus meinem Blickwinkel zu einem völlig anderen Ergebnis komme als Du aus Deinem, den ich sehr wohl verstehe.

Viele Grüße,
McCoy
 
Es gibt einfach deutliche Unterschiede in den Arbeitsweisen. Ein Klavier oder E-Piano klingt dann gut, wenn der Spieler gut spielt und das Instrument von vernünftiger Qualität ist. Das sind die beiden Kriterien. Bei einem Synthesizer kommt noch der nicht zu unterschätzende Anteil des Hintergrundwissens hinzu, denn man muss ja die Klangerzeugung einigermaßen verstanden haben, um einen Synth bedienen zu können. Das ist aber ein eher technisches Thema, das einige Leute sicherlich abschreckt und den Synthesizer für sie unattraktiv macht. Will man dann sogar noch möglichst authentisch reproduzieren, braucht man obendrein ausreichend Erfahrung, konkrete Synthesizer-Modelle voneinander zu unterscheiden (klanglich wie konzeptionell), und zwar üblicherweise, ohne sie jemals selbst gespielt haben zu können. Dabei genügt es auch nicht, sich nur anzulesen, welche Geräte auf gewissen Platten eingesetzt wurden.

Gleichzeitig haben viele Tasteninstrumentler mit gewöhnlichem Unterricht (egal ob Klavier, Orgel, Keyboard...) begonnen, und dort wird nun einmal der Fokus auf Spieltechnik und (unterstützenderweise) Musiktheorie gelegt, womit viele sicherlich auch schon ausgelastet sind. Synthesizer zu spielen ist aus dieser Sicht also nicht nur ein deutlicher Mehraufwand, sondern es passt auch nicht in die Denkweise, die man sich als Pianist etc. unbewusst zulegt: Gute Spieltechnik + gutes Instrument bedeuten beim Synth noch lange nicht, dass es toll klingt.

Es ist insofern auch "einfacher" für einen {A,E}-Pianisten, seinen Klang zu verbessern: Er kauft ein neues Instrument, das besser klingt - fertig. Wenn er zumindest rudimentär spielen kann, wird eine Verbesserung des Instrumentes immer eine Verbesserung des Gesamtergebnisses mit sich bringen. Natürlich könnte es passieren, dass ein besserer Pianist auf dem "schlechteren" Piano trotzdem besser klingt, weil er spieltechnisch besser ist, aber auch für ihn würde der Umstieg auf das "bessere" Piano eine Verbesserung des Gesamtergebnisses bedeuten (von persönlichem Geschmack mal abgesehen).


Eine ganz andere Thematik sind die verfügbaren Geräte. Martman hat natürlich Recht, dass viele von uns eine dedizierte Hammond-Simulation und/oder Piano-Simulation einsetzen, aber so gut wie niemand setzt explizit Minimoog-Simulationen oder Jupiter-8-Simulationen ein. Originale werden in beiden Fällen noch seltener eingesetzt, aber auch da bei den Synths wohl noch weniger. Das hat mehrere Gründe:
1. Gibt es spezifische Synth-Simulationen fast gar nicht, jedenfalls nicht in Hardware. Hardware ist aber gerade beim "Schraub-Synth" besonders attraktiv, weil die "natürliche" Bedienung eine wichtige Rolle spielt.
2. So gut wie niemand möchte seine teuren Original-Synths auf die Bühne schleppen, ganz zu schweigen davon, dass er sie ja auch erstmal anschaffen muss.
3. Will man aus Authentizitätsgründen Original-Synths (oder angenommene Spezialsimulationen) einsetzen, bräuchte man davon eine ganze Menge. Und es wird schlimmer, je abwechslungsreicher (in Interpret, Entstehungszeit, Arrangement usw.) die Songauswahl ist. Im Extremfall müsste man für fast jeden Song ein paar spezielle Synths aufbauen. Selbst, wenn es Simulationen gäbe, wäre das also eine sehr teure und, ohne Roadies, anstrengende Aktion.
4. Mit den gängigen Spezialisten (Nord und Co.) bekommt man vergleichsweise große Pakete. Ein Nord Piano beispielsweise reproduziert auf Wunsch mehrere Flügel, mehrere Klaviere, mehrere Rhodes, Wurlitzer, CP80, Clavinet usw. Das lässt sich auf Synthesizer-Emulationen schlecht übertragen, denn wie sollte das Bedienpanel eines Synths aussehen, der gleichzeitig Minimoog, Prophet 5, Jupiter 8, CS80 und was weiß ich was noch alles emuliert? Für jede Variante ein zufriedenstellendes Bedienkonzept zu haben würde bedeuten, für (nahezu) jede Variante ein eigenes Bedienpanel zu benötigen - geht also nicht. Zusammenlegen kann man sie aber auch nicht, denn dann geht nicht nur die Authentizität flöten, sondern auch ein wesentlicher Bestandteil des Spielgefühls, vielleicht am ehesten vergleichbar mit dem Versuch, Piano über eine ungewichtete Tastatur zu spielen.

Insofern halte ich die Strategie der Hersteller, ihre eigenen Konzepte zu entwickeln, aber bestimmte Komponenten an berühmten Vorbildern zu orientieren (Minimoog-artiges Filter usw.) für den sinnvollsten Umgang mit dieser Problematik.


Wir halten also fest:
- Synthesizer richtig zu spielen bedeutet zusätzliche Arbeit
- Das Technische in dieser Arbeit schreckt manch einen ab
- Halbwegs authentische Nachbildungen von konkreten Synthesizern gibt es kaum
- Selbst wenn es sie gäbe, wäre ihr Einsatz sehr aufwendig, gerade wenn das Programm sehr abwechslungsreich ist
 
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Ich denke auch, dass die Gründe dafür, warum die "Brot- und Butter-Sounds" in der allgemeinen Wahrnehmung für wichtiger gehalten werden, diese sind:

- mit Ausnahme der Hammond leben (elektro)mechanische Instrumente mehr als jedes rein elektronische von der Präzision, mit der unterschiedlich harte Tastenanschläge in Töne umgewandelt werden - das macht sich unmittelbar im Spielgefühl bemerkbar. Es ist nahezu unmöglich, einem dürftig implementierten Clavinet-Sample einen Stevie-Wonder-Groove zu entlocken, weil die Rückmeldung fehlt. dito E-Piano. Beim akustischen Piano definitiv.

- Warum nun gerade die Hammond unter den "Synthesizern" so eine Sonderstellung einnimmt, weiß ich nicht. Natürlich ist es ein faszinierendes Instrument. Aber das allein kann es nicht sein. Vielleicht kommt es daher, dass in den 80er/90er Jahren echte Hammonds bereits rar wurden, und nebenher auch in schlechtem Zustand sündhaft teuer, sauschwer und für die Nachbarn zu laut, wollte man einen etwas angezerrten Sound haben. so haben sich die Hersteller vielleicht nach dem Erfolg des Synthesizers in den 70ern und dem Erreichen der breiten Masse in den frühen 80ern als erstes dran gemacht, alte Klassiker nachzuahmen und für jedermann erschwinglich zu machen. Für die Synthesizerwelt war das noch nicht nötig, denn die war ja nicht heiß auf die heutigen Klassiker, sondern man wollte da dann eben den neusten, heißesten Scheiß haben - monophon? oh nöö, jetzt kommen die Polys! 6fache, 8fache, 16fache Polyphonie, programmierbar, digital, multitimbral, layerfähig, SAMPLES! Das wurde ja regelmäßig getoppt. Und für die Fraktion damals galt dann eben auch:
Praktisch jedes Mal, wenn wieder ein neuer Synthesizer rauskommt, werden alle anderen zu unverwendbarem Elektroschrott, den nur noch Sparbrötchen ohne Ohren einsetzen. Der OB-8 ist schon besser als die auch schon hochwertige Tonerzeugung im Prophet V, wird aber ihrerseits wieder unbrauchbar mit Erscheinen des nochmals besseren Matrix-12.
Merkste was? ;)

- wie schon gesagt: Bei Piano, Rhodes, Hammond, Clavi sind die Vorbilder relativ abzählbar, und die Nachfrage nach diesen Sounds seit Jahrzehnten konstant hoch. Da lohnt es sich, Arbeit zu investieren. Bei Synthesizern ist allein schon die Anzahl an "Klassikern" beachtlich, dazu kommen ungezählte Spezialisten. Zudem tauchen viele davon in der Musikgeschichte genausoschnell wieder unter, wie sie hochgekommen sind (und werden durch andere ersetzt). Wer soll denn die Arbeit machen, bei dem bisschen Nachfrage nach einem bestimmten Modell? Dazu ist die Landschaft zu vielfältig. Die wirklichen Klassiker gibt es ja nach wie vor / wieder, und im Gegensatz zu Hammonds und Flügeln waren die Originale schon "tragbar" (meistens) - und viele sind auf dem Gebrauchtmarkt für ziviele Preise zu haben.

- Gute Reproduktionen gibt es doch in echt-analog - warum soll man dann (wenn man diesen Sound möchte) auf digitale Nachbildungen scharf sein? Moogs kann man immer noch kaufen, MS20 jetzt auch wieder, DX7 steckt in jedem Yamaha-Keyboard seit der Zeit mit drin, D50 - naja, den beherrscht im Prinzip jeder bessere Rompler, ... Und für alles andere gilt: das, was die alten konnten, konnten die neuen Modelle besser. Dass man sich jetzt auf die Unzulänglichkeiten bestimmter Synths als charaktergebendes Merkmal besinnt, ist ja gerade erst wieder im Kommen.

- Ich glaube, der allerwichtigste Grund dafür, warum originalgetreue Repliken von Synthesizern kaum Nachfrage haben, ist dieser: Den Synth-Maniac hat es immer schon deutlich mehr als jeden Pianisten ausgemacht, dass eben jeder "seinen" Sound schraubt, und dass das Ausleben der Kreativität sich eben auch auf die Soundgestaltung erstreckt. Replizieren von schon dagewesenem ist in der Synthesizer-Welt ja eigentlich - bis auf Cover-Musiker - verpönt. Ich brauche also eine Replika eigentlich nur, wenn ich wirklich - wie Freund Martman - exakte Nachbildung von extrem vielschichtiger Synth-Mucke betreiben will. Mache ich eigene Musik, brauche ich nicht "den" Synth - es gibt ja kein Original. Ich nehme also das Gerät (Moog, DSI, Arturia,... oder einen VA), mit dem ich am besten klarkomme, und schraube selbst.
Genau das ist bei Rhodes und Co. anders: Auch wenn ich nicht wie Interpret XY klingen möchte oder eine ganz bestimmte Aufnahme replizieren möchte, sondern eigene Musik mache, brauche ich ein authentisch klingendes Instrument - ohne mein Reihenhaus verkaufen und die Bandscheiben-OP im Sparabo buchen zu müssen. Wenn ich eigene Synthesizer-Musik machen möchte, habe ich heute sowohl neu als auch gebraucht, analog wie digital so viel Auswahl an Originalen wie nie zuvor. Wo soll da der Bedarf nach Repliken herkommen?
 
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Ich finde es ja schon mal einen großen Fortschritt für Martmann, von dem die meisten hier mittlerweile wissen, wie wichtig der ihm Authentizität bei der Sound replikation ist, dass er bei seiner Ausführung explizit auf VSTis verweist, anstatt auf original-Instrumente zu bestehen.
Klar brauchen wir uns bei dieser Diskussion nicht drauf beschränken, dass heutzutage original Instrumente alleine aufgrund von Größe und Gewicht, sowie natürlich auch Verfügbarkeit und Anfälligkeit nicht oder nur selten eingesetzt werden. Ob nun anstelle der B3 mit Leslie122 ein Nord oder eine Hammond SK1 oder ein Roland V-Serie der adäquate Ersatz ist, oder die Klaviersounds eh nur abhängig von der Größe der Grundsamples akzeptabel sind, ganz egal ob von einer Workstation, einem Stagepiano oder VSTi kommend - da jammern wir mittlerweile auf extrem hohen Niveau (wer jammert?). Bei Rhodes-Sound sind die meisten mit dem, was die Workstations als Presets liefern zu recht mehr als zufrieden. Ja, es geht immer noch besser, wenn man die optimal reproduzierten VSTis nutzt, und das auch ohne ein Stück Mehraufwand, vorausgesetzt, der Rechner ist eh schon fester Bestandteil des Setups, was bei immer mehr Keyboardern der Fall ist.
Nun zu den Synthsounds: Ich schließe mich da der Meinung einiger hier an, dass die meisten Musiker und nicht-Musiker mit Piano, Orgel und auch E-Piano-Sounds vertraut sind. Welcher nicht-Keyboarder (wenn überhaupt) macht sich schon Gedanken, ob der Synthsound von einem Oberheim, Moog, Prophet oder Roland Synth kommt? Da minimiert sich der Anteil der vielleicht 20% Muckerpolizei auf deutlich unter 5%.
Und jetzt oute ich mich mal: Wenn ich irgendeinen Song cover, in dem ein Synth-Sound vorkommt, mach ich mir erst einmal überhaupt keine Gedanken, mit welchem Synth der original eingespielt wurde. Ich suche meine Presets durch, und schaue mir den aus, der für mich am besten passt. Erst, wenn ich überhaupt nicht zufrieden bin, versuche ich mich durch's Cover-Info, Wikipedia, oder Musiker-Board zu fragen, welcher Synth für den Ursprungssound verwendet worden ist, um dann einen passenden zu finden. Es ist mir noch nie passiert, dass irgendwer meinte, der Sound, den ich Song X verwende würde nicht passen, oder womöglich eine Bemerkung, dass der nicht nach Moog klingt.
Ja, bei Van Halen Songs verwende ich in erster Linie nur Sounds, wo irgendwas mit Oberheim draufsteht :p

Ach ja, und danke für den Tipp mit dem U-HE Diva für Minimoog Sounds. Jetzt müsste ich nur noch mal schauen, wo auch tatsächlich ein Minimoog vorkommt. Wie ist das mit Nutbush City oder Baby Love?
 
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Ich denke, ganz entscheidend ist auch weniger die Frage, wie authentisch das Gerät reproduziert wird, als vielmehr, ob ich den gewünschten Sound hinbekomme. Und - jenseits der Optik, die man ja nun auch faken kann (leeres Flügelgehäuse mit Stagepiano drin) - mache ich mir als Zuhörer wie auch als Spieler als allerletztes Gedanken darüber, ob ich den z.B. Jump-Sound auf einem original Oberheim, auf einer Oberheim-Simulation, einem neuen Polysynth, einem VA etc. hinbekomme. Der Sound muss einfach gut sein. Und wenn das zufällig ein Preset aus dem Rompler ist - auch OK. Das klappt meist nicht, aber gerade bestimmte typische DX-Bells oder eben diese Power-Sawtooth-Geschichten funktionieren eben auch als Sample hervorragend. Wenn es gebraucht wird, kann danach noch ein Filter kommen - das sollte dann auch klingen und nicht herum"treppen".

Aber für viele typische Synthsounds nach Mitte 70er und vor der Jahrtausendwende muss ich noch nicht einmal während des Songs am Filter drehen können - das war irgendwann "ausgespielt" (genau wie Portamento) und kam dann erst mit den Spielarten wie Electro wieder, wo ja nun oft sogar der ganze Mix durch ein Filter gequetscht wird und schön vorhersehbar die Spannungskurve des Songs 1:1 in die Filterfahrt übernommen wird (wenn das nicht sogar das einzige ist, was sich während des Songs überhaupt ändert). Das heißt, für ganz viele Sachen, die nicht Progrock sind, kann ich den ganzen Sound inkl. EG, LFO etc. in ein Sample packen und bin in ganz vielen Fällen (außer vielleicht Leads) schon zu 99% da wo ich hinwill.

Zwischen Anfang der 80er und bis in die späten 90er kamen ja "Filter" überhaupt nicht vor. Da wurde gelayert und gesequenct und arpeggiert ohne Ende - sowas "langweiliges" wie ein oder zwei Sägezähne mit irgendeiner Filterhüllkurve wollte doch zu der Zeit keiner hören. Mal abgesehen von Leuten wie Jarre und Co., die das einfach schon immer so gemacht haben und bis heute machen. Die dürfen das aber auch nur, weil sie es in Perfektion beherrschen, damit schöne Soundlandschaften zu kreieren... ;)
 
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Du stempelst hier ziemlich pauschal alle als Workstation Preset-Nutzer abl
So habe ich Martmans Beitrag nicht verstanden.


Wenngleich ich echtes Synthesizer-Spiel bereits im Studio sowie live angewandt habe, sehe ich mich als Keyboarder. Ich kann Martmans Bedenken grundsätzlich nachvollziehen. Nur bist Du, Martman, einem Irrtum erlegen: Wir Keyboarder legen bei akustischen Instrumenten nicht den höchsten Wert darauf, das ein Klavier exakt so klingt wie das Klavier in Song XY. Das gleiche gilt für Orgeln, Poserharfen usw. Wir legen dagegen Wert darauf, dass ein Klavier nach Klavier klingt, eine Orgel nach Orgel ... Ein Sound sollte hochwertig klingen. Ein hochwertiger Klaviersound ist auch dann hochwertig wenn er nicht genauso klingt wie auf einer Chopin-Platte von Rubinstein eingespielt. Für Synthi-Sounds gilt IMO das gleiche, ein guter Synhti-Sound zeichnet sich nicht dadurch aus, dass er genau klingt wie der Synthi-Sound aus Oxygene oder Equinox. Ein guter Sound, egal aus welchem Bereich, soll seinen Zweck im kompletten Arrangement erfüllen.


Gruß
Raven


Edit: Wenn Du Freude daran hast, Sounds originalgetreu nachzubilden, sei es Dir von Herzen gegönnt. Die Ergebnisse sagen jedoch mehr über Deine unbestrittenen Fähigkeiten als Sound-Programmierer, denn über die Qualität der Sounds aus, egal ob Original oder Nachbildung.
 
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Sehr interessanter Thread Martman!



Ich denke es liegt auch daran, dass die Hörer einfach genau wissen wie ein Piano, ein Rhodes, oder eine Hammond klingt. Ein Zuhörer im Publikum wird einen "schlechten" Piano Sound viel schneller erkennen, als einen nicht authentischen Moog Sound.



Ein Synth ist für die meisten einfach ein elektronischer Ton, selbst langjährige Keyboarder tun sich da schwer, einen Unterschied zu erkennen.



Außerdem ist es bei den akustischen Sounds nicht viel anders, sonst müsste ich ja ein Yamaha, ein Bösendorfer, ein Fazzioli, ein Steinway Sample und hunderte weitere kleine Hersteller parat haben um den Sound des jeweiligen Liedes zu haben. Du Martman meinst ja eine exakte technische Reproduzierung. Da kommst du bei A Sounds genauso in "Teufels Küche".
 
Ich möchte noch mal einen wichtigen Punkt in die Diskussion einbringen (hoffe, das ist nicht schon erwähnt worden, und ich hab's nur überlesen):
Wie müssen bei dieser Diskussion auch den Aspekt Live- bzw. Production-Sound einbeziehen.
Jeder Live-Keyboarder weiß, dass es nie zielführend ist, möglichst authentische Sounds live zu fahren, sondern viel mehr für eine Durchsetzungsfähigkeit der Sounds zu sorgen. Wie oft diskutieren wir hier Tipss und Tricks, wie das am besten funktioniert, z.B. synthetische Piano-Sounds mit Klaviersamples zu kombinieren, den Brass Sounds möglichst synthetische Anteile dazumischen und andere Schweinereien. Es bringt ja eh nichts, weil niemand in einem Live-Content Piano A von B unterscheiden kann, oder wie Martman immer behauptet, den Unterschied zwischen Memphis und Phoenix Horns unterscheiden kann.
Für Studio-Produktionen sieht das natürlich wieder anders aus, weil man hier andere Möglichkeiten hat, und auch der Zuhörer differenzierter hören und damit auch unterscheiden könnte, wenn er denn kann ;)
 
z.B. synthetische Piano-Sounds mit Klaviersamples zu kombinieren
Trotzdem gibt's ständig die Jagd nach dem besten, authentischsten Konzertflügel-Multisample (wo Qualität dann auch mal in Gigabyte gemessen wird). Und wenn man dann den gefunden hat, der solo am besten klingt, stellt man fest, daß sich unterm Strich das drahtige alte M1-Piano im Bandsound am besten durchsetzt, überspitzt ausgedrückt...


Martman
 
Ist doch bei VAs genau das selbe.
 
Gut spielen kann man nur, wenn's auch gut klingt, sonst bleibt einem der Ton im Hals (respektive Ohr) stecken.
 

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