@Walter,
da hast Du einen sehr wichtigen Punkt angesprochen, den ich auch in meinen Einführungsstunden als den großen Vorteil des Akkordeons heraus stelle:
Das Akkordeon ist ein Akkordeon weil es Akkorde (mit nur einem Knopf) spielen kann.
Dazu hat es noch Bässe! Und wenn ein mit einem Gesicht bemalter "Chef-Finger" zwei anderen Fingern der linken Hand befiehlt:
"Spiel Du den Bass und Du da ... spiel Du die Akkorde" dann spielen zwei Finger ein Bandarrangement einfachster Sorte mit einfachsten Mitteln.
Genau dafür wurde das Akkordeon erfunden, um billig, effizient und einigermaßen adäquat gängige (damals moderne) Musik darzustellen. (Genau die gleichen Motive, die heute die Entwicklung voran treiben)
Jedes Kind kapiert, das kann nicht schwierig sein und funktioniert erst einmal.
Der Chef-Finger hat Zeit zum Tanzen oder zum Melodie Improvisieren.
An dieser Arbeitsteilung erkennt man auch schon die Gesellschaftsform in dieser Musik: Sklaven und Knechte gegen freie Kreativität - Yipiiehhh
Aber bitte: Sklaven und Knechte müssen gefälligst parieren und ihren Job gut erledigen, damit der Monarch sich frei entfalten kann.
Das ist schwere Fließbandarbeit für die linken Arbeiter und muß nach Norm erfüllt werden, einen Zweck erfüllen, treiben, tragen, dienen... Wer macht das schon gern?
Je moderner die Zeiten, desto mehr Hilfsmittel gibt es dafür. Gott sei dank?
Die Resultate und deren Bewertung sind eigentlich in allen Bereichen des Lebens ähnlich.
Aktuelles Beispiel: Amazon Drohnen gegen Postmann, Cola gegen Wasser, knallende E-Drums gegen mumpfenden Akkordeonbass.
Ich sehe das Problem durchaus, die neuen Dinge funktionieren zwar besser und entlasten den Menschen, sind aber gleichzeitig unmenschlich und machen ihn überflüssig.
Andererseits: Wenn es nur um's Überleben ginge, hätte die Menschheit das Rad noch nicht erfunden! Alles Teufelszeug? Warum ein Akkordeon, wenn man die drei Stimmen auch zu dritt singen kann?
Naja, ich schweife ab.. sorry.
Ich halte es auch für einen Irrtum, dass Originalkompositionen von auch noch so klugen Komponisten tatsächlich Originalkompositionen sind. Man muss immer die Idee dem Instrument anpassen.
Manchmal tut eine Reduktion einer Idee mit gedachtem großen Sound der Sache keinen Abbruch sondern lässt sie in neuem Licht erscheinen.
Manchmal aber wirkt eine Reduktion einfach nur lächerlich. Umgekehrt übrigens genauso, ein orchestriertes Kinderlied kann genauso daneben sein.
Nochmal meine subjektive Meinung - ich finde, eine gut abgestimmte Bass Drum mit einem E-Bass und eine Gitarre über einen Amp mit Snare tun den Job hier einfach besser als träge Stimmzungen.
Nicht umsonst haben sich Bass Drum und Bass ebenfalls seit ungefähr einem Jahrhundert entwickelt und Generationen von Drummern und Bassisten üben zusammen, dass es "zahnt", dass sie zusammen sind und stimmen ihren Sound miteinander ab. Beim Soundcheck werden Nerven und Zeit investiert (am meisten eben gerade für diese Instrumente) damit alles passt. Selbst ein Ausweich auf Tuba und Surdo ist kontraproduktiv.
Warum so viel Mühe, wenn man mit gekoppelten Samples wunderbar zusammenkommen kann? Wenn man Ungenauigkeiten will, kann man diese mit Sicherheit auch in Software integrieren, man muss nur die psychologischen Gesetze der Ungenauigkeiten kennen, die man bei echten Musikern immer und immer wieder findet.
Noch etwas: Wenn man eine Ungenauigkeit hat, tut das weh! Wonach man eigentlich sucht, sind gestylte Freiheiten, keine Unzulänglichkeiten! Natürlich ist perfekt quantisierte Musik doof. Aber Unzulänglichkeiten ebenfalls! Beim Herantasten an Perfektion kann man selektieren. Es ist ein riesiger Unterschied, ob jemand unbewusst ständig versetzt zum Takt zu spät spielt, oder ob er eine Melodie bewusst und mit Gefühl verschleppt. Das setzt aber zum Beispiel eine tighte Rhythmusgruppe voraus. Wenn es da schon klappert - hat diese Art Gestaltung sowieso keinen Zweck und man sollte sich erst einmal um die Grundlagen kümmern.
Noch ein Gedanke zu Deiner virtuosen Unterhaltungsmusik: dort geht es natürlich vorrangig um die Virtuosität. Eine Kategorie, die übrigens dem Wettbewerbsgedanken am besten entspricht. Die Begleitung oder das Bandarrangement ist Nebensache, könnte eigentlich auch von Elektronik erledigt werden.
Am besten könnte auch gleich die Virtuosität, denn der Rechner spielt Dir den türkischen Marsch auch in 0,001 Sekunde komplett ab ;-)
Ich finde es aber umgekehrt genauso grauslich, wenn Virtuosen die allein noch gut verträglich sind, dann mit einer echten Band auftreten, die aber nicht zum Zuge kommt.
Diese stehen und spielen dann ganz oft wie Statisten und der Protagonist wirbelt die Tasten durcheinander.
Dann lieber Demokratie als Gesellschaftsform, ohne Star, ohne Technik, gute Kommunikation untereinander vorausgesetzt.
@Fingersprung: nicht den Gleichklang, sondern die Zweckerfüllung suche ich. Jawohl, das Akkordeon erfüllt mich in diesem Fall nicht. Vielleicht liegt es an diesem speziellen Instrument, ich müsste wie weiter oben geschrieben dafür ein anderes Arrangement machen oder ich kann den Song damit einfach nicht spielen. Deshalb bin ich ja so baff, wie relativ einhellig die Meinungen hier sind.
Von
https://www.musiker-board.de/plauderecke-keys/151409-key-stammtisch-352.html#post6779186
bis
https://www.musiker-board.de/plauderecke-keys/151409-key-stammtisch-352.html#post6779848
wird ein bischen anders diskutiert.
@Inge
Wahrscheinlich hast Du recht. Ich habe zwar gerade eine E-Mail bekommen, in der der Autor fragt,
...but is digital photography less artistic than the traditional way or does it make a manuscript better literature when it is written by hand instead of typed into a computer, where you can copy and paste?
aber trotzdem. Ich glaube wir kommen hier an einen Punkt, der ganz schön ausufert. Die Diskussion wird zu keinem Ende kommen. Deshalb gebe ich mich an dieser Stelle zufrieden und versuche mit der mehrheitlichen Meinung klar zu kommen, die natürlich auch völlig richtig ist.
Eine Sache noch: Dein Beispiel mit der Vanillesoße ... Es gibt auch Tomaten in grün und schwarz, die absolut genauso schmecken wie die roten. Ich glaube, wenn wir als Babys ausschließlich schwarze Tomaten zu futtern bekommen hätten, wären jetzt rote Tomaten unser Problem.
@WilliamBasie, sind dann schlechtere Instrumente die besseren?
nee nee, nur Spass, ich weiß schon was Du meinst!