Ich kaufe, restauriere und verkaufe gewerblich Gitarren im Nebenberuf. (Deshalb muss ich zB bei ebay auch auf Gebrauchtware Rückgaberecht gewähren).
Durch meine Hände sind schon eine Menge Harley Bentons, Staggs, HKs, Giants, Golden Tone, Careers etc. gegangen. Marge ist beim Wiederverkauf von Gebrauchten da nicht drin, weshalb ich die mittlerweile nicht mehr ankaufe, stundenlang optimiere und dann wieder verkaufe, sondern nur noch Vintage mache.
Fazit aber ist: Die Harley Bentons liefern sehr, sehr viel Qualität für das Geld, auch im Vergleich zu anderen Billigmarken und gerade (!) im Vergleich zu den unteren Epiphone-Preisklassen. Guckt mal bei ebay rein, da findet ihr unglaublich viele "defekte" Epiphone Rückläufer von Thomann selbst angeboten mit feinen Rissen am Hals/Kopfübergang, das ist offenbar eine absolute Sollbruchsstelle bei den Epis, kann ich auch aus eigener Erfahrung bestätigen. Insofern fährt man mit einer unter-200€-Epi nicht besser als mit einer HB - allenfalls beim Wiederverkauf, aber nur in intaktem Zustand.
@Johannes: Ich hatte auch mal die HB Les Paul "Custom" in der Hand. Das ist eine sehr solide verarbeitete Sache, an der es nix zu meckern gab - für 160 Euro.
Übrigens gab es bei den alten Kliras extreme Quali-Schwankungen. Ich hatte schon welche von der Art, die Du gezeigt hast, die extrem gut sind.
Aber BTT:
Man muss sich halt im Klaren sein, dass diese Billiggitarren eventuell noch optimiert werden müssen, und zwar von jemandem, der sich auskennt. Frisch aus der Box sind die sehr oft ungenießbar: Sattel zu hoch, Bünde nicht sauber poliert und verrundet, Pickups, Saitenlage und Oktavreinheit nicht gut eingestellt, Griffbrett nicht geölt, Muttern an den Tunern nicht angezogen (deshalb oft mangelnde Stimmstabilität); und natürlich sind die Werkssaiten immer Müll und sollten als erstes runter von der Gitte. Ich hatte aber neulich zB eine HB Tele hier, die war einwandfrei und musste nur ein wenig eingestellt werden, fertig.
Und man muss sich halt die Frage stellen, was man damit machen will und wer sich diese Gitarren kauft.
Zwei Komponenten sind wichtig:
- erreiche ich mit der 111 € HB-SG den Klang, den ich will?
- komme ich mit der Bespielbarkeit klar, bzw. taugt das Gerät?
-> es ist klar, dass der feingeistige Blueser, der auf John Mayer oder Joe Bonamassa-Pfaden wandelt, sich keine HB kaufen wird. Aber wenn ich zB meine Gitte in einen POD stecke, den Metal-Simulator anmache und Powerchords schrubbe, dann reicht die HB völlig aus. Dann stellt sich nur noch die Frage, ob sie mir von der Bespielbarkeit her taugt. Hier muss man wie gesagt optimieren, das muss einem klar sein.
Wer kauft so ein Gerät?
Ganz klar entweder Anfänger, oder Opportunitätskäufer, die entweder gar keine Gitarristen sind oder das Ding nur zu Lust & Laune als Zweit oder Drittinstrument benutzen.
Hier zieht das Argument "wenn ich eine Les Paul will, dann kaufe ich das Original!" nicht. Denn die 1500-2000 €, die man dann hinblättert, werden von den oben genannten Zwecken nicht gerechtfertigt. Bei Anfänger steht immer im Raum, dass ihnen das Gitarrespielen eventuell nach 1-2 Jahren nicht mehr gefällt. Da Anfänger meist Teenager sind, ändert sich auch die Interessenslage schnell. Eine 2000 € Gitarre einem 13-jährigen in die Hand zu drücken, der gerade ein Linkin Park-Video gesehen hat, ist totaler Schwachsinn. Da macht die 111 € HB einfach mehr Sinn.
Insofern haben die ihre Berechtigung und "liefern" für ihr Geld. Und ebay macht's möglich, dass man das Instrument mit einem vergleichsweise geringen Verlust wieder loskriegt, sollte es einem doch nicht taugen.