II in Dur ein dorischer Sound?

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Hier die Changes von As Tears go by von den Stones:

I / II / IV / V
I / II / IV / V
IV / V / I / VIm
IV / IV / V / V

ich nehme die Dur-II ähnlich wahr wie die Dur-IV in dorisch. Ich bin deshalb versucht diesen Sound "Dorisch Dur" zu nennen, weiß aber natürlich dass das komplett ungebräuchlich ist. Welche Funktion hat eurer Meinung nach die II sie ist ja auch immerhin Subdominantparallele. Der hinzutretende tonartsfremde Ton ist die #4, wahrscheinlich sollte man diesen Akkord dann wohl eher lydisch nennen? Theoretisch erschent das logischer, aber ich hör das nicht nicht als lydische Wendung...

Ähnlich dieses Beispiel:
Eight days a week von den Beatles

vers
I / II / IV / I
I / II / IV / I
VIm / IV / VIm / II
Chorus
V / V / VIm / VIm
II / II / IV / V

auch hier kommt mir die II irgendwie dorisch vor ;-)
 
Eigenschaft
 
Ein Durakkord auf der zweiten Stufe ist in den meißten Fällen eine Doppeldominante, also eine Zwischendominante die zur Dominante führt.
 
schon, aber in den genannten Fällen nicht. Hier ist er kein Dominantseptakkord und wird zur Subdominante weitergeführt.
Ihn als "dorisch" zu bezeichnen ist wahrscheinlich Quatsch und lässt sich theoretisch nicht begründen, aber eine Doppeldominante ist er mit Sicherheit auch nicht. Die II als reiner Durakkord kommt in der Pop und Rockmusik oft vor und wird nicht immer als Doppeldominante behandelt. Man könnte ihn vielleicht als Kleinunterterzmediante der IV sehen... oder ein Mi Akkord aus lydisch...
meine Ohren behaupten: "der Akkord klingt dorisch" keine Ahnung warum...
 
Ich bin deshalb versucht diesen Sound "Dorisch Dur" zu nennen...

Mit "Dorisch" oder "Lydisch" besteht die Gemeinsamkeit, daß ein Ton im Vergleich zur gewohnten äolisch/ionisch hochalteriert bzw. ein Stufenakkord verdurt wurde.

Und so höre ich auch die "Dur-II", wenn sie nicht als Doppeldominante fungiert, wie in "Love me tender" (praktisch ein Folksong: Aura Lea) oder gar in den Volksliedern Ännchen von Tharau oder Kling Glöckchen klingelingeling.

Ohne Doppeldominantfunktion wirkt die Dur-II als eine andere Klangfarbe, durch das Dur kräftiger, selbstbewußter, strebsamer als die Subdominantparallele (Moll).

Viele Grüße

Klaus
 
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Ah ja, genauso nehme ich das auch wahr. Wenn in "Tears go by" die DurII angesteuert wird, klingt das für mich genauso wie wenn in "House of the rising sun" die DurIV erscheint. Wie benenne ich diesen Klang aber jetzt? Ist das eine MI Funktion? wenn ja, dann ist das am ehesten wohl doch lydisch? oder lieber als terzverwandter Variantklang der IV... oder sind solche Herleitungen eigentlich irrelevant und es ist einfach die verdurte II und basta... ?

viele Grüße
Hagen
 
Ich hätte es jetzt als MI-Akkord bezeichnet oder Varantklang. Lydisch wäre es nur einen kurzen Moment, denn es folgt meist sogleich die IV.

Noch ein sehr bekanntes Beispiel:
Atlantis (Donovan): C D F C

An "House of the rising sun" hatte ich auch schon gedacht. Der gleiche Effekt, allerdiings in Moll.

Viele Grüße
Klaus
 
Die II bringt die #11 in die Tonart und die bekommt damit einen lydischen Charakter an der stelle. Die II selber ist mixolydisch. Eine typische lydische Kadenz wäre z.B. I II I.

Die gleiche Erklärung greift auch bei IV in moll. Die IV bringt die 6 (große Sexte) in die Tonart.

Der Reiz des MI ist ja, nur Farbtupfer aus anderen Modi in die Tonart aufblitzen zu lassen. Schon im nächsten Akkord ist es vorbei.

Daß die Wirkung bei den beiden Songs gleich ist, ist logisch, da die Akkordfolge fast gleich ist. Interessant bei den Songs ist, daß der fonartfremde Ton entgegengesetzt aufgelöst wird als bei einer Dominant-Auflösung. Der erhöhte Ton wird erniedrigt...
 
@MaBa

Ja, den Effekt kann man sehr häufig beobachten, z.B. auch bei "One" von U2
Im / IV / bVI / bVII
fast genauso wie bei House of the rising sun, nur die bIII wird weggelassen

ok, also bei den oberen Beispielen also doch am besten: "borrowed chord" aus lydisch, hätt ich mir eigentlich selbst denken können... es war wohl wie Du sagst, die Nähe der Akkordfolge zu "Scarborough fair" und "House of the rising sun" hat mich an dorisch denken lassen, ist aber Quatsch das so zu benennen.

@klaus111
danke für den Donovan, klar, da ist es genauso.

viele Grüße
Hagen
 
Interessant bei den Songs ist, daß der fonartfremde Ton entgegengesetzt aufgelöst wird als bei einer Dominant-Auflösung. Der erhöhte Ton wird erniedrigt...

Ja, man könnte soweit gehen, zu sagen, daß sich in vielen Songs - in Negation zu den Hörgewohnheiten- keine herkömmlichen "Dominanten" leittönig auflösen, auch die "Sekundärdominanten" nicht.

Konsequenterweise finden sich In zahlreichen Songs erst gar keine Dominanten. Hagen führte in Parallelthreads Beispiele auf. (Mir fällt gerade der damalige Hit Suzanne (Cohen) ein.)

Viele Grüße
Klaus
 
Die Stufenbewegung II7 -> I ist, wie oben schon gesagt, eine Lydische Kadenz.

II7 als Dominante ohne Dominantfunktion wird auch gerne zur IV weitergeführt.

Weitere Songbeispiele:

I´ll Follow The Sun
Here Comes The Sun
Sitting on the dock of the bay
Eight Days A Week
Limehouse Blues
For Once In My Life
Sea Of Love



@ Klaus,
in Ännchen von Tharau und Kling, Glöckchen, klingelingeling handelt es sich aber um einen V7/V.
 
@ Klaus,
in Ännchen von Tharau und Kling, Glöckchen, klingelingeling handelt es sich aber um einen V7/V.

Ja, ich wollte zum Ausdruck bringen, daß hier die Doppeldominante zur Dominante weitergeführt wird. Es wird in die Dominanttonart ausgewichen, bevor es zur Tonika der Ausgangstonart zurückgeht. Ist nicht ganz vergleichbar mit den anderen Songs, wegen der Ausweichung.

Interessanterweise ist für Dein Beispiel "Sitting on the dock of the bay" typisch, daß hier mehrfach Halbtonschritte nach oben gegangen werden und nicht "der erhöhte Ton erniedrigt wird" (MaBa), wie bei D-F:
(transponiert nach C):
C-E
F-D
C-A

Viele Grüße

Klaus
 
Zuletzt bearbeitet:
@klaus

Du sprichst mir aus der Seele! genau so ist es und deswegen sind diese Songs so sperrig, wenn es darum geht sie etwa mit der klassischen Harmonielehre fassen zu wollen. Für mich ist immer noch "Hey Joe" ein Paradebeispiel. Das hatte ich vor Jahren hier im Forum schon mal diskutiert, damals gabs einige hitzige Diskussionen deswegen. Keine Lust eigentlich das zu wiederholen, aba
Hey Joe ist die klassische rockige Subdominantkette bVI-bIII-bVII-IV-I-I-I-I
I ist Dur, aber man spielt I7#9 und die Mollpentatonik, das ist absolut rocktypisch, auch wenn der Song eigentlich nicht von Hendrix ist, sondern von einem Blues-Folksänger. Ich denke die Tonsprache kommt aus dem Blues und man ist einfach hergegangen und hat die mollpentatonik fetter gemacht in dem man Power- oder Durakkorde auf die Mollstufen gesetzt hat. Deswegen passt auch die mollpentatonik super drüber. Die Klassiker lesen Die Hey Joe Kadenz aber so:

Wikipedia:
Aufgrund der spezifischen Akkordprogression haben die aufeinanderfolgenden Akkorde jeweils den gleichen Abstand zueinander. Zudem kann der jeweils folgende Akkord als Dominante des vorangegangenen gedeutet werden kann: So wäre etwa G-Dur die Dominante des vorangegangen C-Dur-Akkords und zugleich ist G-Dur auch die Tonika des folgenden D-Dur-Akkords, der dann wiederum als Dominante in Bezug auf zu G-Dur aufgefasst werden kann. Außerdem kann man jeweils drei aufeinander folgende Akkorde funktionsharmonisch als Folge von Subdominante, Tonika und Dominante lesen (z.B. C, G, D). Demnach wechselte dann das Stück von der Tonart G-Dur über D-Dur nach A-Dur und endete auf deren Dominante E-Dur (die dann wieder als Tonika von E-Dur aufgefasst werden kann). Dass Hey Joe jedoch in E-Dur gehalten sei, lässt sich harmonisch nicht begründen; diese Auffassung ist nur erklärbar dadurch, dass die Akkordfolge auf E-Dur endet und dieser Akkord dann viermal so lange gespielt wird wie die jeweils anderen. Die Akkordprogression kann aber ebenso als auf G-Dur basierend aufgefasst werden, weil die Gesangsmelodie - ebenso wie das berühmte Gitarrensolo in der Version Jimi Hendrix' - überwiegend auf dem Tonvorrat von G-Dur bzw. der G-Dur-Pentatonik beruht.
wikipedia ende

Vielleicht wird dem einen oder anderen gerade klar wieso Rockfans Nichts mit der in Schulen gelehrten Musiktheorie anfangen können. Der simpelste Song aus ihrem Repertoir lässt sich "harmonisch nicht begründen" was soll das denn für ein Sch*** sein!

viele grüße
Hagen

- - - Aktualisiert - - -

huch, jetzt gehts aber ab hier..
@cudo
vielen dank für die Beispiele
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Die Akkordfolge von "Hey Joe" ist für mich eine konsequente Fortführung des subdominantischen Prinzips. sozusagen der Gegenentwurf zum dominantischen Quintfall. Die Folge endet auf E, wird natürlich nicht aufgelöst nach Am, sondern mit der Parallele C fortgeführt. Damit schließt sich der Kreis.

Auf G-Dur basierend kann man den Song vielleicht dennoch gelten lassen, allerdings typischerweise eingeleitet durch die Subdominante und immer wieder konsequent den Quartfall vor Augen führend.

Vielleicht wird dem einen oder anderen gerade klar wieso Rockfans Nichts mit der in Schulen gelehrten Musiktheorie anfangen können. Der simpelste Song aus ihrem Repertoir lässt sich "harmonisch nicht begründen" was soll das denn für ein Sch*** sein!

In Bezug auf Rocksongs stimme ich Dir voll zu! Ich habe selbst vor Jahrzehnten etliche Male versucht, in Bibliotheken Literatur zu finden, welche mir die Harmoniefolgen erklären können. Natürlich damals völlige Fehlanzeige! Ich fand nur "klassische Harmonielehren". Die fand ich zwar auch interessant, doch für mein ursprüngliches Anliegen völlig untauglich.

Erst durch ein Buch von Volkmar Kramarz: "Harmonieanalyse von Rockmusik (1983)" fand ich das Gebiet ernsthaft angegangen.

Viele Grüße

Klaus
 
Zuletzt bearbeitet:
@klaus
Ja, das ging mir genauso. Ich hab in der Musikhochschule gesessen, den Theorieunterricht als Mathematikstunde wahrgenommen die mit meiner gitarristischen Praxis wenig zu tun hatte (obwohl ich damals Bach und nicht Hendrix gespielt habe ;-)
Später, als darum ging meinen Schülern ihre Lieblingssongs rauszuhören hab ich gemerkt, daß ich mit meinem (mässigen) klassisch geprägtem Theoriewissen nichts ausrichten konnte wenn es darum ging die Harmoniefolgen zu erklären. Ich bin immer instinktiv in falsche Richtung gelaufen und hab mich nur gewundert. Später wollte ich dann endlich wissen was dahinter steckt und bin bei der Musik meiner Jugend gelandet, eben die britisch geprägte Rockmusik. Faszinierend finde ich die Einflüsse zu studieren die in diese Musik eingeflossen sind. Da spielen sowohl der Blues, als auch die alte englische Folkmusik eine große Rolle. Die Vermeidung von Leittönen, das Vermischen von Dur und moll, Einflüsse alter dorischer und mixolydischer Folksongs, und die plagale Ordnung kreieren eine ganz eigene Tonsprache die man mal ordentlich darstellen sollte. Den Kramerz kenne ich gar nicht, den muß ich mir mal besorgen. Ganz interessant fand ich die "Popformeln" das gefällt mir inzwischen aber auch nicht mehr... ich finds reisserisch "mit den 3 Chords schreibt ihr garantiert einen Hit" und zu simpel angelegt, das in moll eine Dursubdominante aus dorisch stammt und eine lange interessante Geschichte hat verschweigt der Autor völlig und tut so, als hätten die Hitproduzenten das erfunden... usw.

Hey Joe auf G aufzubauen kann natürlich schon gehen, das entspräche ja auch der Improskala e-moll Pentatonik, Ich glaube daß Hey Joe in E-moll steht und die bekannte Dursubdominante und I7#9 als moll/dur I verwendet. Alle anderen Funktionen sind ja in e-moll leitereigen. Es ist sehr Rock (und Blues) -typisch zur Dur I die b3 zu spielen oder zu singen. Kurt Cobain machte das z.B. sehr gerne.

Witzig ist ja auch immer wieder zu beobachten, wie z.B. Stones Titel als Klavierauszüge aussehen:
Die haben meistens 3 oder 4 Kreuze vorgezeichnet, die dann allesamt einzeln im Satz wieder aufgelöst werden, ist Dir das schonmal aufgefallen? Komisch das sich niemand zu fragen scheint, ob die Vorzeichnung irgendwie fehlerhaft ist....

viele Grüße
Hagen
 
Zuletzt bearbeitet:
Ja, die britisch geprägte Rockmusik mit ihren Einflüssen war für uns damals (Schülerband) die einzig wirklich gültige Musik. Natürlich war uns klar, wann etwas gut klang, aber nicht warum. Diese Fragen wurden ganz langsam im Laufe der Zeit beantwortet (Bluestonleiter und deren Harmonisierung, modale Akkordfolgen usw.) und das hat noch kein Ende gefunden.

Ist dann schon witzig, wenn man mühsam gewonnene Erkenntnisse dann in einem Buch, wie dem von Kramarz (Doktorarbeit), plötzlich einfach nachlesen kann.
Ich habe nach einem online-Inhaltsverzeichnis gesucht und bin auf seiner Homepage fündig geworden, sogar mit Auszug.
(Auch interessante Publikationen sind dort downloadbar, teilweise mit Analysen alter Rocksongs.)


Viele Grüße
Klaus

P.S.: Das mit den Klavierauszügen ist mir noch nicht direkt aufgefallen, kann es mir aber gut vorstellen. Klavierauszüge fand ich immer etwas frustrierend, weil das wirklich interessante oft nicht notiert ist. Da lob ich mir The Beatles - Complete Scores!
 
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ts ts... das ist ja wahrklich eine Doktorarbeit.... und lässt direkt die schöne Story von den Sklaven, die mit ihrer Mollpentatonik plagal fortschreitenden Durakkorden folgen mussten und aus diesem Klangkonflikt die Bluenotes hervorgingen ins wanken geraten... hm, Sikora schreibt das auch so und es erschien mir so plausibel. Jetzt liest man, daß die Afrikaner gar keine Mollpentatonik benutzten...
Die Bluenotes aus den Septimen der i7IV7 V7 Akkorde herzuleiten ist eine Theorie die ich auch schon mal gehört habe, sie erschien mir aber immer zu technisch, und die Story mit den Kirchengesängen hat mir viel besser gefallen...:weep:
Dann schreibt da einer, daß weder Rhythmik noch Melodik der Amerikanischen Musik afrikanischen Ursprungs ist... das kann ich kaum glauben.... trotzdem, interessanter Stoff, werde ich mir besorgen, danke für den Tipp.

Ja, die Beatles Bibel steht bei mir auch im Schrank, bzw. liegt unterm kopfkissen :hat:

viele Grüße
Hagen
 
Zuletzt bearbeitet:
mehr geht ja mit Pentatonik nich.... Und in Sequenzen sind die funktionalen Zusammenhänge entweder aufgehoben oder nur noch stark abgeschwächt vorhanden. Wenn Jimi Hendrix mal in http://www.mu-sig.de/Theorie/Tonsatz/Tonsatz15.htm#t6412 nachgeguggt hätte, dann hätte er dort selbstverständlich "seine" Sequenz gefunden, allerdings nicht nur 5 Stufen,sondern alle 7, wobei als Intervall einmal eine verminderte Quinte gebraucht wird. Die Frage, ob man alle Stufen verdurt oder nicht, hat mit der Quintanstiegssequenz per se nichts zu tun, sondern mit der Frage, ob man leitereigen bleiben will oder eben nicht. Die Idee mit den "rückbezüglichen Dominanten" ist für Sequenzen irreführend.



Jimi Hendrix eignet sich nun wirklich nicht dafür, die Harmonielehre zu falsifizieren. Eine viel spannendere Frage an die (klass.) Harmonielehre ist doch zum Beispiel, ob und wann und warum wir den charakteristischen Klang eines Neapolitaners hören. Die bloße Verbindung Mollakkord - Durakkord eine kl. Sekund drüber kann es nicht sein, denn bei IIIm - IV (leitereigen in Dur) hören wir den Neapolitaner nicht, ebenso nicht bei V(m) - bVI (leitereigen in harm(äol) Moll) .

Zur einleitenden Frage I - II - IV V ...

da ist II (Kleinterz)Vertreter der unmittelbar folgenden IV, egal ob die II in Dur oder als IIm erscheint. Wäre die IV eine IVm, wäre die funktionsgleiche Kleinterzverwandschaft aber in Frage gestellt.

Bei IIm - V : liegt Akkordbrechung eines Dominantnonakkordes vor.
Bei II(m)7 - V oder II - V: haben wir II als Doppeldominante zur V.

Die "Alphaville-Kadenz" : T - D - Tp - S (oder I - V - VIm - IV, der berüchtigte 4-Chord-Song) ist nach meinem Hörempfinden in ihrer Unschuldigkeit und Naivität der lydischen Tonart zuzurechnen und die Tonika liegt auf dem letzten Akkord. Die "D" ist hier keine, es ist vielmehr eine SP! Und die "Tp" erzeugt Spannung (da Dg) und die "S" ist die finale Auflösung der Spannung - Tonika eben.

Im - bVII - bVI - bIII : "Pop- Moll" ( wieder 4-Chord) mit eig. Tonika bVI, hier halbschlüssig ausgeschrieben - die Spannung wird mit Im erzeugt, bVII (subdominantisch) und bVI (tonisch) lösen beide die Spannung auf, bIII bringt wieder Spannung.

M.a.W. "Alphaville-Kadenz" und "Pop-Moll" sind in ihren Funktionsbeziehungen als gleich zu bewerten. Und mit den Funktionsbezeichnungen ("Pop-Moll": Dp - SP - T - D) sollte sich Pop doch ganz gut in die klass. Harmonielehre integrieren lassen.
Der Dg (Vm) müsste eig. als die SPp geschrieben werden, also auch in seiner(ihrer) Funktion subdominantisiert.

Blues
Beim Akkordmaterial I - II - bIII - III - #IV - V - VI - bVII liegen I, bIII, #IV und VI "zufällig" auf den Tonstufen des doppeldominantischen Vollverminderten (und können sich gegenseitig vertreten). III, V und bVII liegen auf den Akkordstufen des zwischendominantischen Vollverminderten zur Subdominante, wieder gegenseitige Vertreter. Die Subdominante fehlt, ihr Vertreter ist die II und diese muss notwendig in Dur gehalten werden. Warum die Tonstufe IV fehlt ( auch nicht in den Tönen eines jeden Akkordes zu finden): Taucht die IV auch nur einmal auf, wird alles nach melodisch moll verschoben inkl. Neapolitaner (die bVII), dazu muss nicht einmal die VI vermollt werden, es reicht, dass wir die Mollterz zur VI mit der I im Tonvorrat haben. Das Fehlen von bI (wäre ja komplettierend zu bIII,V,bVII) ist eine interessante Frage (evtl. zu scharf zur I ? )


Die Tendenz zur "Entdominantisierung" bzw. "Plagalisierung" in Rock und Pop sehe ich auch so.

Soweit alles meine Meinung, ich kann ja auch falsch liegen :D
 
Zuletzt bearbeitet:
@RMACD
oh ha, danke für den ausführlichen Beitrag.

"Jimi Hendrix eignet sich nun wirklich nicht dafür, die Harmonielehre zu falsifizieren."
Darum geht es mir auch nicht, eher darum ein für Rockerohren verständliches Erklärungsmuster zu entwickeln, das die spezifischen Eigenheiten der Rockmusik beschreibt. Schon klar dass die Rockmusik vergleichsweise simpel ist, aber "leitereigene Akkorde" und "klassische Kadenz" beschreibt sie eben auch überhaupt nicht. Die Jungs und Mädels wollen Songs schreiben und haben ein sehr beschränktes Theoriewissen. (das gilt sicherlich auch für die meisten Rockstars) Noten lesen ist auch nicht ihr Ding.
Schulisches Halbwissen von Kadenzen und leitereigen Akkorden bringt sie aber völlig auf den Holzweg, die denken: a ha, so macht man das also! ...und komponieren für ihre Rockband auf einmal Popschnulzen und wundern sich wieso das nicht rockig klingt. Meine Untersuchung lief darauf hinaus, dass die Tonleiterstufen der Molltonleiter I II bIII IV V bVI bVII mit Durakkorden ausharmonisiert, und plagal geordnet wird. Heraus kommt "Hey Joe" als Grundkadenz. Improskala ist die Mollpentatonik. Und Damit können die Jungs sehr gut leben und komponieren auf einmal wieder rockig, wie sie es getan hatten als sie noch gar nichts von Musiktheorie gehört hatten.

"da ist II (Kleinterz)Vertreter der unmittelbar folgenden IV, egal ob die II in Dur oder als IIm erscheint. Wäre die IV eine IVm, wäre die funktionsgleiche Kleinterzverwandschaft aber in Frage gestellt."
Das Mediantenkonzept finde ich überaus hilfreich! Auch wenn es nur oberflächlich verstanden wird, stellt es leicht nachvollziehbare Akkordverbindungen zu Verfügung, die sehr gut klingen und den tonalen Raum erheblich erweitern können. Ein sehr schönes Tool für Songschreiber. Warum die funktionsgleiche Kleinterzverwandtschaft in Frage gestellt ist wenn die IV ein Mollakkord ist, kapier ich aber gerade selber nicht.... Ich frage mich überhaupt inwieweit ich die Funktionsvertreterschaft in meinem Unterricht erwähnen soll... wie gesagt, das sind Pop und Rockmusiker ohne Notenkenntnisse mit ein paar Brocken Theoriewissen aus der lange vergangenen Schulzeit.

Das du die 4Chord Progression lydisch hörst, ist ja interessant. Darauf wär ich nicht gekommen... ist aber vielleicht ein Anhaltspunkt bei der Frage wieso die so hipp klingt. Ist ja nicht zu fassen wie oft die verwurstet wird... Ich hab inzwischen eine Liste von 150 Songs die darauf basieren...

Eh faszinierend was diese kleine Umstellung bewirkt:
I-VIm-IV-V - Doowop Progression
da kommen dann altbacken klingende 50' Songs bei raus... allerdings auch sehr melodische, schöne Bassläufe
I-V-VIm-IV - 4Chord Songs da kommen dann die aktuell klingenden Pop und Punk songs auf einmal aus der Feder, der Bass bleibt meist sehr Grundton lastig.

Das diese Formeln sehr unproblematisch mit der elementaren schulischen Harmonielehre vereinbar ist, ist auch klar.

Was Du zum Blues schreibst, kapier ich gerade selbst nicht, wenn ich das meinen Schülern erzählen würde, müsste ich mir bald einen neuen Job suchen ;-)

viele Grüße
Hagen
 
@RMACD

Meine Untersuchung lief darauf hinaus, dass die Tonleiterstufen der Molltonleiter I II bIII IV V bVI bVII mit Durakkorden ausharmonisiert...

"da ist II (Kleinterz)Vertreter der unmittelbar folgenden IV, egal ob die II in Dur oder als IIm erscheint. Wäre die IV eine IVm, wäre die funktionsgleiche Kleinterzverwandschaft aber in Frage gestellt."

Eh faszinierend was diese kleine Umstellung bewirkt:
I-VIm-IV-V - Doowop Progression
da kommen dann altbacken klingende 50' Songs bei raus... allerdings auch sehr melodische, schöne Bassläufe
I-V-VIm-IV - 4Chord Songs da kommen dann die aktuell klingenden Pop und Punk songs auf einmal aus der Feder, der Bass bleibt meist sehr Grundton lastig.

Hagen

Ich bin weit davon entfernt, die Bluestonleiter verstanden zu haben, aber ich dachte bisher, die Blues-Molltonleiter besteht aus I, bIII, IV, V und bVII. Die bVI würde ich vermeiden (das Ding kippt dann doch nach Moll). Aus dem gleichen Grund fehlt mMn die IV in der parallelen Blues-Durtonleiter. Ob die Blues-Molltonleiter die #IV hat, weiß ich nicht, aber denkbar ist es, solange die Blues-Durtonleiter eine III verwendet. Der #IV in der Dur-Tonleiter entspricht eine VI in Moll (dorische Sexte meine ich)

Zur Frage der Kleinterzvertreter: I und bIII vertreten einander. Die Akkordvorrat lässt doch jederzeit ein Pendeln zwischen beiden Tonikae zu. Wir haben Dominante V zur I und bVII zur bIII. Die Vertreter sind annähernd funktionsgleich, doch der "höhere" ist funktional schwächer. Folgt z.B. bVII auf V, erscheint bVII "subdominantisiert".

Großterzvertreter beinhalten einen Funktionswechsel, vergleichbar dem der Quintverwandschaft.


Loop I - VIm - IV - V - I - VIm .... : wir haben eine klassische Kadenz , wir beginnen mit T - Tp und setzen mit S - D - T fort : klassische Vollkadenz und I = T.

Loop I - V - VIm - IV - I usw...man kadenziert wieder, aber nicht ganz klassisch: D - SP - Dp - T - D ... : (IV = T, lydisch) Das Ohr holt sich hier wieder die S - D - T - Kadenz, aber aus Nebenfunktionen.
Die stärkere Spannung hat die Dp, weil sie aufgrund Tonvorrat auch als Dp7 gehört werden kann, hingegen die D bei Erweiterung zum Septakkord eine D7maj ist und aufgrund des Tonvorrates auch so gehört wird.


Loop Im - bVII - bVI - bIII : Im dominiert das Geschehen (bVI = T, lydisch) , Im ist Dp, kann auch als Dp7 gehört werden aufgr. Tonvorrat. bIII ist Dom. zur bVI, hier aber rückbezüglich, zumal ist bIII schwach aufgrund bIII7Maj (lt. Tonvorrat). Einbringung einer IV ist sehr anzuraten, da die IV (mit einer scheinbar "dorischen" 6) die bVII weiter schwächt (macht aus ihr einen bVII7Maj). Gefährlich ist die Einbringung einer IVm. Die Akkordverbindung bVII - IVm bringt einen bVII7 hervor: Wir kommen plötzlich bei der bIII als Tonika heraus. IV (also die Dur"Subdominante") ist natürlich keine Subdominante, sondern quasi Überraschungsklang als Vertreter der Tonika bVI (Kleinterzabstand....). Zudem ergibt sich aus der Verbindung Im - IV ein wunderschöner Dominantseptnonakkord zur bVII, welcher die bVII als eigentliche Subdominante in "Pop-Moll" unterstreicht ( bVII = SP)
 
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Ich bin weit davon entfernt, die Bluestonleiter verstanden zu haben, aber ich dachte bisher, die Blues-Molltonleiter besteht aus I, bIII, IV, V und bVII. Die bVI würde ich vermeiden (das Ding kippt dann doch nach Moll). Aus dem gleichen Grund fehlt mMn die IV in der parallelen Blues-Durtonleiter. Ob die Blues-Molltonleiter die #IV hat, weiß ich nicht, aber denkbar ist es, solange die Blues-Durtonleiter eine III verwendet. Der #IV in der Dur-Tonleiter entspricht eine VI in Moll (dorische Sexte meine ich)

Ich bin auch zuerst davon ausgegangen, dass die klassischen englischen Rocker einfach ihre geliebte Mollpentatonik mit ihren geliebten Durakkorden harmonisiert haben. Melodisch bleibt auch die Mollpentatonik entscheidend. Als Akkordfunktion trifft man aber sehr häufig auch auf die bVI und die II. Damit ist dann die Molltonleiter wieder komplett. Aber auf allen Stufen stehen Durakkorde (oder Powerchords). Auch die bII kommt ins Spiel, meist als terzverwandter Folgeakkord der IV
z.B. "Smoke on the" (IV) "water" (bII) das hat sich als rocktypische Wendung uns allen ja auch in die Ohren gebohrt.
Das Blues Tonmaterial erscheint in dieser Form im Rockgewand und muß sicher anders interpretiert werden, als z.B. bei B.B. King.
Mir scheinen aber das gleichzeitige Auftreten von "Mollpentatonik" + "Durakkorde", I7#9 als Tonikaklang, Mollstufen, dorische Subdominante, plagale Ordnung, Vermeidung von Leittönen, wichtige Merkmale zu sein. Mir scheint, dies ist die englisch geprägte Rockinterpretation des moll und Dur verschmelzenden Blues Tonmaterials.

"Loop I - V - VIm - IV - I "
Das finde ich spannend, danke für den Hinweis, "lydisch" vielleicht eine Erklärung, warum diese Formel im Gegensatz zur Doowop Formel so viel moderner klingt, obwohl nur eine kleine Umstellung der gleichen Akkorde vorliegt. Das Ohr ist schon faszinierend... was man sich so alles zurechthört... tz tz

"Loop Im - bVII - bVI - bIII"
Hier bin ich versucht die Im gar nicht mehr als I, sondern als VIm zu sehen. Bei diesen Songs (z.B. Fields of Gold / Sting) ist ja eine V7-Im Verbindung auch kaum auszumachen. Ich würde also VIm-V-IV-I sagen und das Ganze "fake moll" nennen. Eine Interpretation Im verschleiert ja auch, dass das Ganze in dieser Reihenfolge: VIm-IV-I-V auch wieder nur die 4Chord Progression ist und man halt mit VIm beginnt. (otherside, complicated, Aicha, etc....)

LG
Hagen
 
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