Ich kenne solche Schäden...
Ich nenne sie liebevoll "Rolllackschäden"
(3 x"L"!!!)
Es gibt 3 mögliche Ursachen dafür...
1: einmalige "rollende" Belastung auf den Lack mit hohem Druck, der die Lackoberfläche anbrechen ließ und das Holz darunter verformte. Was anfangs als Minidelle unscheinbar wirkt, fällt auf Dauer ein wie ein Heroin-Junky. Das Holz ist verform, der Lack balanciert die Delle aus, fällt aber nach und nach in die Delle hinein und kann seine ausgleichende Spannung nicht mehr halten. Man kann dann fast täglich den Verfall der Oberfläche sowie zunehmende Risse beobachten und innerhalb weniger Tage ist dann eine klare Delle mit Rissbildung zu erkenen.
2: wiederkehrende, leichte Belastung auf den Korpus.... irgendwas rollt oder drückt mit brutaler Konsistenz immer auf die gleiche Stelle und macht die Delle immer heftiger.
Als klassisches Beispiel dafür kenne ich Gitarrenkoffer, in denen Kabel ungeordnet aufbewahrt werden (Klinkenstecker drückt in ungünstiger Position immerwieder auf den Kopus beim Verschließen des Koffers). Charakteristisch dafür sind aber ähnliche Schäden in geringerem Ausmaß an verschiedenen Stellen der Gitarre.
3: Jemand hat einmalig eine Art Schlag- oder Pressdruck auf den Lack ausgeübt... bsp: Klinkenstecker lag im Koffer auf der Gitarre und jemand hat sich auf den Koffer gesetzt. Anderes Beispiel: Gitarre steht in nem Mehrfachständer und der unaufmerksame Kollege ballert seine Les Paul mit Kunststoffbinding dagegen... Sein Binding bleibt verschont, Dein Lack ist dahin... bei fabrikfrischen Instrumenten KANN es dann zu Punkt 1 kommen.
Fakt ist, dass solche Schäden durch stumpfe, meist runde Gegenstände in einmalig kräftig abrollender, mehrfach geringer oder einmalig schlagartiger Belastung auftraten.
Ich erstelle ja auch Versicherungsgutachten und würde hier leider auch ein klares (wenn auch unbewusstes) Selbstverschulden bescheinigen. Du schreibst ja, dass der Schaden heftiger wurde.... das ist ein Beweis für Theorie 1 und 2. Theorie 1 könnt unter Umständen noch auf die Zeit VOR Deinem Besitz zurückzuführen sein, wäre aber in Form von leichten Lackrissen mit feiner Delle bereits auffällig gewesen. Theorie 2 würde bedeuten, dass Du diese Stelle nachhaltig einer Belastung ausgesetzt hast.
Ich würde in einem Gutachten also leider auch Eigenverschulden bescheinigen...
Wir können jetzt natürlich nochmal erörtern, wo das herkommen kann. Reparabel ist es aber problemlos mit der klassischen Lackretusche sichtbar oder moderner Airbushretusche sogar ziemlich unauffällig. Preis für beide Schäden je nach Werkstatt ab 80 bis 200 Euro.
Hier greifen übrigens die meisten Haftpflichtversicherungen.
Grüße,
Martin
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PS:
Hab mir gerademal im Schnellverfahren den Spaß gegönnt ne Analyse durchzuführen, wie ich ihn ohne schlechtes Gewissen jeder Versicherung übergeben würde...
Hier das Resultat ohne jegliche Größenanpassung der Einzelgrafiken...passt verdächtig gut aufeinander:
Die Roten Striche markieren die charakteristischen Grenzbereiche der Formgebung des Klinkensteckers... die Blauen Striche markieren die unterschiedliche Eindrücktiefe durch Höhenunterschiede, der grüne Pfeil zeigt die Abnahme der Eindrücktiefe durch den Auflagewinkel des Klinkensteckers auf der Oberfläche.
Passt meiner Meinung nach ziemlich perfekt zur Form des Steckers und der abnehmenden Tiefe, sowie Formgebung des Lackschadens - ich würde auch eine leichte Verformung des Klinkensteckers vermuten bzw. einen leichten Knick des Steckers zum Gehäuse vermuten... vielleicht checkst Du mal Deine Kabel, ob so ein leichter Knick zu sehen ist.
alles was linksseitig des Schades ist passt jetzt nicht zum Bild... kann aber nen Abknickschutz aus hartkunststoff oder nen Kabelbinder gewesen sein ODER aber durch Bewegung des Steckers auf der Lackoberfläche zustandegekomen sein.
Das wäre im Allgemeinen allerdings nur ne spontane Vermutung bzw. erster Verdacht, aber es wirkt absolut schlüssig in meinen Augen... zumindest, was ich aus der Ferne jetzt anhand von Bildern dazu sagen kann.
Leg doch mal nen Klingenstecker neben den Schaden und mach nochmal nen Foto... dann passt der Größenverlgeich einfach etwas besser.
Unter der Vorgabe von einem ganzen Jahr Abstand tippe ich auf meinen Punkt Nr. 1... ausversehen nen Stecker in den Lack gedrückt, der Lack konnte das etwas ausgleichen (frischer Lack ist noch viele Monate lang sehr flexibel), aber mit nachwirkender Aushärtung packt er es nicht mehr und gibt sich der Druckstelle im Holz hin.
Doof wäre natürlich, wenn das schon vor Dir passiert ist - aber das kannst Du niemals beweisen. Man könnte jetzt in einem aufwändigen Streitverfahren auch analysieren, ob die beiden Fotos wirklich vom gleichen Schaden stammen und unterm Mikroskop auch evtl. ermitteln, ob der Schaden wirklich ohne folgeeinwirkung von Kraft weiterwuchs... geht alles... aber kostet richtig Geld und lohnt sich nur in einem Versicherungs- oder Garantiestreitverfahren - man kann nämlich nicht feststellen, WANN der Schaden entstand.
Die Sache kostet mit vollständig schlüssiger Analyse der Schadensherkunft locker 200-300 Euro. Versicherungen zahlen sowas, in nem Garantiestreitverfahren kann man im ungünstigsten Fall auf den Kosten sitzen bleiben, selbst wenn das Instrument daraufhin getauscht wird.