Antipasti baut Harley Benton Bausatz JB-Style: Abschlussbericht.
Nun aber wirklich ...
Ich habe jetzt die Saitenlage und Bundreinheit eingestellt - also gibt es nichts mehr zu tun. Zeit, zum Ende zu kommen.
Anmerkung: Natürlich sind sämtliche eventuellen Kritikpunkte vor dem Hintergrund zu sehen, dass es sich um ein ausgesprochen günstiges Angebot zum Eigenbau handelt und jede Kritik daher relativ zu sehen ist. Erwähnen will ich alle Auffälligkeiten dennoch.
Historie
Für alle Quereinsteiger hier noch mal die Links zu meinen launigen Bauberichten:
Videos Teile 1-3
Video 4: "Aging: Auftragen des Gilbs / Demolieren der Hardware"
Zwischenbericht: Erste Fotos
Nach dem Zusammenbau: Erste Fotos und Soundcheck
Der Plan
Vorgeschichte ist diese Aktion:
https://www.musiker-board.de/gitarren-bastelaktion/497265-10-user-basteln-eine-n-e-gitarre-bass.html
Es galt, einen Harley Benton-Bausatz zusammen zu bauen und nach eigenen Vorstellungen und Fähigkeiten zu gestalten. Ich habe mich für ein Instrument im Jazz-Bass-Stil entschieden, der einen "Vintage"-Look bekommen sollte. Synonyme wären noch "Relic", "Aging" oder "Road worn".
Bei der Recherche bin ich recht bald auf die Tatsache gestoßen, dass die Ansichten und Geschmäcker über Vintage oder "Aging" stark auseinander gehen - mal abgesehen von der allgemeinen Grundsatzdiskussion, ob Aging an sich Quatsch ist oder nicht.
Was ich meine, ist, dass für die einen der Vintage-Look durchaus gemäßigt daherkommen darf. Also ohne Macken und Kratzer, mit gleichmäßig stumpfen Metallteilen und einer Lackierung, die vielleicht nicht mehr hoch glänzt, aber immer noch homogen schimmert. Eine Sofagitarre sozusagen, die wenig erlebt hat.
Bei anderen wiederum hatte ich den Eindruck, dass mit einem Schwingschleifer großflächig ein paar Stellen fast kunstvoll bis aufs Holz freigelegt wurde, ein bis zwei Dellen, etwas Rost, aber ansonsten sieht das Ding aus, als hätte es nie jemand gespielt ...
Beispiel: ohne dem User zu nahe zu treten zu wollen: Sowas wollte ich nicht:
https://www.musiker-board.de/bastelecke-bass/265826-pimp-my-alba-aging-eines-billigbasses.html. Das wirkt auf mich wie mit einer Schablone aufgemalt.
Nein - was ich wollte, war ein Rock 'n' Roll-Bass, der in der 60er-70er Hippie-Soul-Dekade gespielt wurde, als junge Menschen sich noch nicht so viele Sorgen um ihre Gesundheit und ihr Eigentum machten. Benutzt von Musikern, die in völlig verquarzten Buden jammten und unter dem Einfluss diverser bewusstseinserweiternden Drogen recht schnell vergaßen, wieviel Geld sie für ihr Instrument ausgegeben hatten. Es durfte x-mal hingefallen oder angestoßen sein, auch mal über Nacht draußen im Schnee vergessen oder mehrfach mit diversen Flüssigkeiten oder Erbrochenem überschüttet worden sein, aber irgendwie doch überlebt haben.
Anschaffungen und Kosten
- Dose Buntlack: 8 Euro
- Dose Nitro-Klarlack Bernstein: 18 Euro
- Andere Potiknöpfe: 9,20
- Diverse Schleifpapiere: ca. 5-10
- Decalfolie: ca .10 Euro
- Ätzmittel: 7,20
- Overheadfolie: ca. 10 Euro
- Klarlack: ca. 6 Euro
- Spritzspachtel: ca. 8 Euro
- Lieferkosten: ca.10 Euro
Also knapp 100 Euro reingebuttert.
Werkzeug
- Stichsäge
- Hammer
- Div. Schraubendreher
- Feile
- Akkuschrauber
Zusammenbau
Schnell und einfach
Der Zusammenbau war eigentlich das Einfachste und hat ein Stündchen gedauert. Wer also nur schnell einen Natur-Bass haben will und auf alle Design-, Pflege- und Schutzmaßnahmen verzichtet, hätte ihn recht schnell.
Bedienungsanleitung
An der sollte man sich (Sorry T.) allerdings nicht allzu streng orientieren. Sie ist bis auf die Fotos identisch mit der des P-Style-Basses (in den Fußnoten steht übrigens auch noch "Anleitung P-Bass"). Wer wie bei IKEA eine klare Step-by-Step-Anleitung erwartet, wird enttäuscht. Einige Anweisungen sind irreführend oder sogar schlichtweg falsch. Bei den Mechaniken ist da zB von einer "Gewindehülse", einer "Beilegscheibe" einer "Getriebekapsel" oder einer Mehrkantmutter die Rede, die man mit einem Schraubenschlüssel festziehen sollte. All diese Dinge befanden sich zumindest in meinem Bausatz nicht. Die Mechaniken bestanden nur aus den Tunern selbst, den Schrauben und den (gewindelosen) Führungshülsen. Jene musste ich mit roher Gewalt und einem Hammer in die Löcher ballern. Alternativ hätte ich natürlich die Löcher vergrößern können. Aber bei einem Bass, wie er mir vorschwebte, sind ein paar Dellen mehr oder weniger zum Glück unerheblich.
Es gab noch weitere kleine Tücken in der Anleitung, auf die ich hier nicht näher eingehen will. Ich habe der QS von Thomann aber ein paar Vorschläge zukommen lassen.
Besser, einfacher und sicherer, als nach der Bedienungsanleitung zu arbeiten, ist, Korpus und Hals zunächst zusammenzustecken und alle Teile den Vorbohrungen entsprechend lose anzulegen (also ohne sie zu verschrauben). Dann sieht man recht schnell, wo was hingehört, ob alles passt und wo noch was passend gemacht werden muss.
Wobei man dazusagen sollte, dass die Vorbohrungen gut zur Orientierung geeignet sind, aber man nicht unbedingt von Maßarbeit sprechen kann.
Als Beispiel hier mal die Mechanik. Achtet auf die Abstände zwischen den Tunern:
Auch beim Schlagbrett stimmte die Ausrichtung an der Halsausfräsung nicht exakt mit allen Vorbohrungen überein. Mich persönlich hat es nicht so sehr gestört. Der ein oder andere könnte es aber zu spät merken - wenn zB der Hals nicht mehr akkurat passt und müsste das Spielchen nochmal wiederholen. Daher der Tipp: Pickguard tendenziell eher an der Ausfräsung ausrichten als an den Bohrlöchern bzw. einen Kompromiss finden. Wichtig ist, dass das Pickguard nicht in die Ausfräsung ragt.
Gestalten / Lackieren von Kopfplatte, Pickguard, Hals und Korpus
Gestaltung der Kopfplatte
Zunächst wurde das ursprüngliche Brotbrett grob mit einer Stichsäge in Form gebracht (siehe
Video 1, ab Min. 4:15). Natürlich zeigt das Video nicht den finalen Zustand. Ich habe die Kopfplatte noch nachträglich richtig schön rund geschliffen.
Lackierung
Urprünglich sollte es ja die Farbe Candy Apple Red werden. Aus Zeitdruck habe ich mich umentschieden und eine Farbe gewählt, die im Baumarkt vorrätig war (ich habe zu dem Zeitpunkt naiv, wie ich bin, noch geglaubt, ich werde innerhalb der Abstimmungszeit fertg
): Ich wählte den bekannten und bereits öfter diskutierten rosa Kunstharz-Lack. Ich fand ihn Rock 'n' Roll.
A propos Kunstharz: nicht zu empfehlen, wenn man noch nachträglich Nitro-Klarlack draufsprühen will. Es sei denn, Lackrisse sind Teil des Vintage-Looks und damit beabsichtigt
Korpus und Headstock wurden zunächst etwas angeschliffen und danach mit Spritzspachtel besprüht, um kleine Unebenheiten und Poren zu füllen. Danach habe ich drei Schichten des Farb-Lacks aufgetragen. Siehe dazu
Video 2, ab Min. 2:30.
Gelber Grind
Außerdem sollte aber noch ein zarter "Gillb" sowohl auf den Korpus und den Headstock, aber auch auf das Schlagbrett. Ich entschied mich nach
dieser Anleitung für einen Bernstein-getönten Nitro-Klarlack.
Das Ergebnis war einfach grauenhaft und ich war den Tränen nahe. ->
siehe Video 4, ab Min. 6:40.. Aus dem Rosa wurde ein undefinierbares Farbgedöns zwischen Braun und Orange.
Puuuuh - Glück im Unglück
Ich habe also die ganze Suppe mit 800er - 1200er Nassschleifpapier wieder abgeschliffen. Bis auf ein paar kleine Ecken an ausgesuchten Stellen. Dort wirkte der Bernsteinton wie halbwegs natürlich gediehener Bassisten-Grind. Und auf dem Hals wirkte der dunkle Ton ebenfalls recht natürlich.
Hier als Beispiel mal eine exponierte Grind-Stelle:
Ein zufälligess, aus der Not geborenes Detail, was meiner Vorstellung aber sehr entgegen kam.
Risse, Sprünge, Schlieren und Kratzer
Holzteile
Bei manchen künstlich gealterten Instrumenten, die man im Internet so findet, wirkt das Ganze ziemlich steril. Manchmal wurden sogar noch die Ränder von vermeintlich abgespielten Bereichen (zB Gürtelschnalle) sauber geschliffen und das Ganze dann noch nachträglich klarlackiert. Das ist mein Ding nicht. Ich habe mich daher mit Hammer und Feile an die Arbeit gemacht und den Lacksprüngen und Kratzern eher den Vorzug gegeben als den Schleifspuren.
Metall
Zunächst wurden alle Metallteile in eine Pappschachtel geschmissen und ordentlich durchgeschüttelt, damit sie später nicht nur stumpf wirken, sondern auch die eine oder andere Delle abkriegen und die Kanten nicht mehr so gerade sind.
Siehe Video 4, ab Min. 9:20
Rosten und Anlaufen
Hinweis für die Kleinen: nicht nachmachen, gefährlich, ätzend - außerdem kriegt man das Zeug sowieso schwer.
Vor dieser Aufgabe hatte ich größten Respekt, denn das Arbeiten mit ätzenden Chemikalien passt so gar nicht zu meiner luschigen .. ääääh .. effektiven Arbeitsweise.
Ich habe mich nach einiger Recherche für EisenIII-Chlorid entschieden und mich pingelig an die vorgeschriebenen Vorsichtsmaßnahmen gehalten. Der Paketbote, der ein Päckchen für den Nachbarn bei mir hinterlassen wollte, hat ziemlich doof geguckt, als ich ihm mit Spülhandschuhen, Schal vor dem Mund und einer überdimensionierten Porno-Sonnenbrille (zum Augenschutz - eine echte Schutzbrille habe ich nicht) die Tür öffnete und sagte : ich kann nichts unterschreiben, ich habe Gift an den Händen.
Man muss mit dem Zeug aufpassen: zum einen wirkt es nicht so schnell, wie auf einigen Internetseiten behauptet, zum anderen hört es nach einer angeblich erlösenden Wasserspülung noch lange nicht auf zu wirken.
Dennoch: das Ergebnis war an einigen Stellen zwar etwas "over the Top", aber im großen und ganzen etwa so, wie ich es haben woillte.
Hier mal ein Makro vom Steg und den gerosteten Schrauben. Links an der eingedellten Kante kann man auch gut den "Schütteleffekt" erkennen:
Aufkleber / Schriftzug
Gewählt habe ich die Aufschrift "Fremder Jazz Bass" mit allem anderen Pipapo als visuelle Reminiszenz an das Original, ohne aber den Namen zu plagiieren.
Nie hätte ich gedacht, dass augerechnet diese kleine Aufgabe mich vor solch ein Problem stellen könne. Das war aber meiner Ungeduld und meinem Geiz verschuldet. Hätte ich mich genau an die Anleitung gehalten, hätte es sofort geklappt.
Ich habe es zunächst mit Wasserschiebebildern (Decalfolie) versucht. Ich hatte zwei Bögen davon bestellt und erstmal eineinhalb vollständig mit dem Logo in mehrfacher Ausführung bedruckt. Die empfohlene Klarlackierung wollte ich mir allerdings ersparen: nicht schon wieder in' Baumarkt, nicht schon wieder Geld ausgeben...
Ergebnis: Entweder hat sich bei der Berührung mit Wasser sofort die Farbe aufgelöst oder das komplette Decal hat sich bei der Berührung mit meinen Fingern in einen nassen Popel verwandelt.
Also hab ich es mal mit der Transfer-Aufbügelmethode auf Klarsichtfolie probiert, auf die ich hier im MB gestoßen bin. Auf unbehandelten Flächen könnte das durchaus Erfolg haben. Bei lackierten löst sich zu wenig Farbe - dafür aber beim Abziehen umso mehr Lack.
Ich habe mich also geschlagen gegeben und es doch noch mal mit meinem Rest (ein halber Bogen) Decal-Folie probiert. Aber diesmal wie es in der Anleitung steht auf Normalpapier, mit wenig Tinte und einer Lackschicht zum Stabilisieren der Folie.
Das hat dann geklappt. Allerdings hätte es durchaus doch etwas mehr Tinte und eine etwas bessere Druckqualität sein können. Da meine Folie aber nun aufgebraucht war, muss ich mit einem etwas schwächeren Druck leben.
Man sieht es hier ganz gut, dass die Tinte etwas blass und nicht ganz füllend ist:
Soundcheck Nr. 2 (nach dem Setup)
Nach Einstellung des Halses lässt es sich schon besser drauf spielen., Ich kann mir vorstellen, dass jemand, der sich mit dem Set-Up besser auskennt als ich, noch ein bißchen mehr rausholen könnte.
BTW: Die spielerischen Aussetzer sind mir verschuldet - bin etwas eingerostet in den Fingern.
Wie beim letzten Soundcheck ist die Reihenfolge wieder: Beide, Hals, Steg - PU
Slap:
https://soundcloud.com/antipasti/harley-benton-bausatz-slap
Plek:
https://soundcloud.com/antipasti/harley-benton-bausatz-plek
Zupf:
https://soundcloud.com/antipasti/harley-benton-bausatz-zupfen
Fazit
Nun fehlt mir zwar jeglicher Vergleichswert zu konkurrierenden Niedrigpreis-Bausätzen. Aber abgesehen von den bereits genannten Punkten in der Bedienungsanleitung und den nicht ganz passgenauen Vorbohrungen hab ich nichts zu meckern. Hat Spaß gemacht (naja - zumindest aus der Post-Perspektive), klingt gut und sieht geil aus (in meinen Augen). Und ich habe einiges dabei gelernt - auch wenn ich momentan noch nicht weiß, ob ich dieses Wissen jemals wieder irgendwo anwenden kann. Aber schaden tut es ja auch nicht.
Edit: eine zusätzliche Abschirmung des E-Fachs wäre nötig. Man hört es auf der Aufnahme zwar nicht immer so deutlich, aber bei höherer Lautstärke brummt es schon noch.
Daher:
Ich kann diesen Bausatz jedem, der Spaß am Basteln und Bock auf ein individuelles Design zu einem wirklich günstigen Preis hat, empfehlen. Und soundmäßig muss sich das Teil nicht hinter
meinem Ex-Bass für damals 1200 DM verstecken. Lediglich die Bespielbarkeit könnte besser sein - aber das könnte wie schon gesagt auch an meiner mangelnden Erfahrung liegen.
Sollten die bereits fertigen Harley Benton-Bässe für nur ein paar Euro mehr qualitativ ähnlich oder sogar besser als der Bausatz sein, bekäme man verhältnismäßig viel Bass für verhältnismäßig wenig Geld.
So, das war's von meiner Seite. Ich denke, der Baubericht ist detailiert genug. Somit will ich unseren heiß verehrten Chef nun nicht mehr länger davon abhalten, die Bauberichte in die passenden Subforen zu verschieben und verbleibe
Euer antipasti (Singemod)
Danksagungen
- Natürlich den Usern, die trotz meiner verzögerten Durchführung "bei der Stange" geblieben sind und mich mit unzähligen Karmapunkten, Likes und netten Kommentaren überschüttet haben.
- Den immer fairen Mitspielern.
- Meiner Freundin für die uneitle Darstellung einer Berberin, die sich auf meinem Dachboden eingenistet hatte. Und natürlich für ihre Geduld bezüglich Lackgerüchen und Geldmangel wegen der Vernachlässigung meiner beruflichen Pflichten
- Und - wer hätte das gedacht - dem Musiker-Board, dem großen Musikladen mit dem T für diese Aktion und überhaupt ...
- Ebenfalls danken möchte ich für Inspiration und Lieferung von seltenen Lacken und feinem Schleifpapaier Gitarrenbastler.de .
Restbilder
Da sie nun mal geschossen sind, will ich sie auch noch mal zeigen: