Ich denke, dass Eddie van Halen einfach ein "native groover" ist, jemand, der stets einen starken rhythmischen Puls hat. Ist ein Talent, das man sich wohl nicht oder nur schwer erarbeiten kann. Dafür ist er timingmäßig oft unpräzise, gemessen an einem neutralem Puls, z.B. einem exaktem Metronom. Aber Groove und Timing sind zwei unterschiedliche Dinge, die zwar miteinander zu tun haben, aber halt nicht dasselbe sind. Insofern mag vielleicht formell daneben sein, im musikalischen Sinn ist er es aber definitiv nicht. Es ist stets schlüssig und groovig.
Ich habe in letzter Zeit häufiger mit einem (durchaus rennomierten) Reggae-Künstler zu tun, er erklärt es so: Es sind übereinander liegende musikalische Ebenen. Das Schwere ist, beide bzw. alle klar zu fühlen und Spannung daraus zu ziehen, dass sie voneinander leicht abweichen dürfen.
Neulich noch sah ich eine junge Reggae-Bassistin, die brachte das Kunststück fertig, gleichzeitig einen fetten, groovigen Bass hinzulegen, und darüber in einer Qualität zu singen, die den Großen im Showbiz in nichts nachstand. Der Hammer dabei war, dass sie den Bass immer noch perfekt in Time spielte, aber die Gesangsphrasierung nach Belieben vor oder hinter den Beat zu legen, und zwar musikalisch konsistent.
Steve Vai ist ganz bestimmt in der Lage, exakt und perfekt in Time zu spielen, on top, davor und dahinter, wahrscheinlich in jedem Taktmaß, das es gibt. Kann man alles üben. Ansonsten hätte er wahrscheinlich nicht einmal die erste Probe bei Frank Zappa überlebt. Aber ich finde auch, dass er keinen Hintern zum Wackeln bringt.
Nochmal On Topic: Der wesentliche Unterschied zwischen einem Rhythmus- und einem Leadgitarristen ist das unterschiedliche Verhältnis des Arbeit der Anschlags- und der Greifhand. Bei Leadgitarristen liegt viel mehr Gewicht auf der Greifhand, es muss dort oft ungleich mehr Bewegungsmaterial erarbeitet werden, als es bei Rhythmusgitarristen nötig ist. Das liegt natürlich daran, dass man im Ledaspiel nur selten eine gegriffene Note mehrmals nacheinander anschlägt, bei Rhythmusarbeit ist das aber meist die Regel. Viele Techniken rund um das Leadspiel drehen sich um die Linke, oft wird die rechte Hand (liebe Linkshänder.. ja, natürlich, schon klar
) dagegen vernachlässigt. In einem Peter Fischer-Buch, ich glaube es ist "Rock Guitar Secrets", steht sinngemäß sogar der Satz "Und der Anschlag? Mir doch egal".. oder so ähnlich. Ich sehe das anders, aber im Prinzip zeigt der Satz, dass das Gewicht eher auf der Greifhand liegt.
Grüße Thomas