Montag,
01.10.12 - "A beautiful Pennsylvian Day!"
Wir wurden um 08:45 von Bruce im Batmobi ... äh ... Martinbus abgeholt:
Die Nummer des Kennzeichens ist erstaunlicherweise "D-45"
Der lange Kerl rechts neben mir ist mir schon seit dem Flughafen Frankfurt andauernd nachgelaufen ...
das ist natürlich Corkonian.
Die Werksfront in ihrer ganzen Schönheit:
Jetzt sind wir also da angekommen, wo meine Martin geboren wurde - *schnieff* - ein erhebender Moment
Diese Front des
Werks in der Sycamore Street ist eine Nachbildung der
alten Martin-Factory in der North Street. An der hat uns Bruce auch vorher vorbeigefahren. Leider langte die Zeit dann am Nachmittag nicht mehr, um dort noch mal den Geist der frühen Jahre zu spüren. Ein Kollege von Bruce hat mir recht eindrucksvoll die Atmosphäre dieses alten Gebäudes beschrieben. Ein wenig davon sieht man in diesem Video, dass ich (auf einem original Martin USB-Stick mit Fichtenhülle) bekommen habe und das ich hier verlinken darf. Es zeigt Filmaufnahmen aus dem Jahr 1939, auf denen u.a. auch C.F.Martin III zu sehen ist. Seinen Sohn Chris (C.F.Martin IV) konnten wir leider, leider nicht treffen, da seine Frau z.Zt. erkrankt ist und er sich um sie kümmern musste. Auf diesem Wege nochmals gute Besserung an sie!
Das Video mit den Aufnahmen von 1939 (es ist recht groß und lädt ein paar Minuten von der Dropbox - bitte Geduld!):
https://dl.dropbox.com/s/ym207nw2r4cfk2a/North Street 1939-SD.mov?dl=0
Dann standen wir also in der Eingangshalle der Martin-Company
Bruce (von ihm gibt es später noch ein Foto) hat uns dann kurz die Büros gezeigt und mit orginal Martin-Wasser versorgt (Plastikflasche mit C.F.Martin-Logo)
Die leere Flasche habe ich natürlich gleich als Souvenir requiriert und außer Landes geschmuggelt.
Bruce übergab uns einem Kollegen und der führte uns als erstes in einen Bereich, den normale Besucher nicht zu sehen bekommen.
Einschub: Während der normalen Arbeitszeit kann jeder beliebige bei Martin ans Tor klopfen, um Einlass bitten und eine Tour durch das Werk erhalten. So eine Tour dauert ca. 1 h und etwa 10.000 Leute nutzen jedes Jahr diese Möglichkeit. Unsere dauerte insgesamt netto 7 h! Schon alleine diese Tatsache - neben der großzügigen Bewirtung und Unterbringung - zeigten uns unseren "VIP-Status"
Ende Einschub.
Wir wurden nun also in den "Keller" geführt, der die "Sawmill" (das Sägewerk) und das Holzlager beherbergt.
Wie man übrigens auf diesem Foto schon ganz gut erkennen kann, herrscht im ganzen Betrieb - wirklich überall! - eine nahezu klinische Sauberkeit. Der Zustand würde einer Kantine alle Ehre machen
Wie sauber es hier zugeht, wurde mir erst richtig klar, als ich einen Tag später die kleine Werkstatt von Fodera gesehen habe
Bei Martin ist jeder Mitarbeiter, die übrigens bei guter Auftragslage in 2 Schichten von morgens bis ca. 23:00 Abends arbeiten, für die Sauberkeit seines unmittelbaren Arbeitsbereichs selbst verantwortlich. An jedem Arbeitsplatz gibt es (markierte) Stellen, an denen Schaufel und Besen oder andere Reinigungsutensilien hängen und die von den Mitarbeitern nach jeder Schicht auch benutzt werden. Auch zur Luft im Werk noch ein paar Worte: das ganze Werk ist mit einer Absauganlage versehen, die Staubteilchen und in der Luft schwebendes Sägemehl absaugen. Die Fabrik riecht wunderbar nach Holz, aber es schwebt kaum was in der Luft, dass einen beim Atmen behindern oder stören könnte. Lackierarbeiten und auch das trocknen frisch lackierter Teile findet in abgeschlossenen Räumen bzw. Kabinen statt, so dass keine Chemikalien in die Luft der eigentlichen Werkshallen gelangen können.
Auf dem Weg zur Sawmill kommen wir als Einstieg schon mal an einer Reihe von in Arbeit befindlichen Hälsen vorbei ... so viele schöne Martins werden mal draus entstehen
Hier das Lager mit fertigen Hälsen, die auf die Vereinigung mit den zugehörigen Korpi warten:
Dann stehen wir also im Holzlager von Martin. Holz ist für mich (nicht nur als Gitarrist) ein ganz besonderer Werkstoff und allein der Geruch dieser Holzstapel mit den verschiedensten Holzsorten (Mahagoni, Fichte, Palisander(!), Koa etc) ist ein Erlebnis für die Sinne.
Martin hat übrigens spezielle Vorrichtungen und Räume, in denen das frisch gesägte Holz nach genau vorherberechneten und ständig geprüften Parametern (Luftdruck, -feuchte, -temperatur) getrocknet bzw. auf einen genau definierten Wert bzgl. der Feuchte/Trockenheit gebacht wird. Dazu werden an den schmalen Schnittseiten der Bretter Elektroden angebracht und die gemessenen Werte kontinuierlich von einem Messsystem mit angeschlossenem Computer aufgezeichnet und kontrolliert.
Das hier z.B. ist Mahagoni in der Rohform:
Bei den preiswerteren Modellreihen werden die Hälse aus 2 Teilen zusammengesetzt. Hier auf diesem Holzblock sind die Teile platzsparend angezeichnet und werden dann mit einer Bandsäge ausgesägt:
Eine der Sägemaschinen, die aus dem rohen Holz dünne Platten für Zargen, Decken oder Böden sägen:
Hier werden die "Reifchen" hergestellt, die bei der Verbindung von Decke/Boden und Zarge zum Einsatz kommen:
An einer Seitenwand des Holzlagers befindet sich eine ganz besondere Sammlung - es ist sozusagen Chris Martins Privatsammlung. Hier befindet sich von
jedem Modell, das die Martin-Factory produziert hat ein Exemplar. Sorgfältig in Koffer und Plastikfolie verpackt. Diese Sammlung umfasst nicht nur die Modelle der aktuellen Produktion und die der letzten Dekaden, sondern z.T. auch sehr alte Instrumente, die im Lauf der Zeit "zurückgewonnen" werden konnten. Wir haben überschlagsmässig versucht, eine annähernde Zahl auszurechnen ... wir kommen auf eine Zahl, die weit im 4-stelligen Bereich liegen muss!
Zargenhölzer:
Deckenhölzer:
Dieser kleine Holzstapel lag mir besonders nah am Herzen ... das ist die berühmte und gesuchte Adirondack-Fichte, die die Decken zu einigen Edelmodellen von Martin liefert. Auch meine HD-28LSV besitzt eine Decke aus diesem wunderschönen Holz.
Bei dem nächsten Bild bitte die Luft anhalten ... sofern ihr nicht in die USA reist, werdet ihr kaum so was hier in Europa zu sehen bekommen - das ist echtes Brazilian Rosewood (Brasilianischer Palisander):
Nach dem Holzlager gings dann weiter in den Bereich, in dem die vorgesägten Teile passend zusammengesucht und geleimt werden.
Hier sehen wir mal zwischendurch eine Decke, die schon bookmatched zusammengeleimt und deren Kontur angezeichnet wurde:
Dieser Mitarbeiter hier sucht die Zargen aus, die zusammenpassen. Das ist eine wirkliche Puzzlearbeit. Er hat Stapel vor sich liegen und sucht daraus jeweils Pärchen aus, legt diese zusammen und markiert/nummeriert sie:
An diesen Maschinen werden die beiden Teile der Decken und der Böden (sofern es sich nicht um ein 35er-Modell handelt
) zusammengeleimt:
So sieht dann eine fertige Decke nach dem zusammenleimen aus:
Und hier werden die Decken bzw. Böden ausgesägt:
Ein fertiger Boden. Hier auf diesem Foto ist übrigens links deutlich eine Schaufel zu sehen und auch, dass ihr Platz auf dem Brett angezeichnet wurde, damit man genau weiss, was da zu hängen hat!
Nun springen wir mal zur Bearbeitung der Griffbretter - dem sägen der Bundschlitze.
(Nicht wundern, dass hier nicht die einzelnen aufeinanderfolgenden Schritte zusammengehörig gezeigt werden, ich berichte hier in der Reihenfolge, wie wir durchs Werk geführt wurden.) Bei Martin werden - je nach Modell - entweder Griffbretter mit durchgehendem Schlitz (Hälse mit Binding) oder Hälse mit Schlitzen, bei denen am Rand ein kleiner Rest stehen bleibt (Hälse ohne Binding) angefertigt. Während die durchgehenden Schlitze von einer "einfachen" Sägemaschine gemacht werden, durchlaufen die mit den nicht durchgehenden Schlitze das sogenannte "Micro-Verfahren", bei dem eine Spezialmaschine die Arbeiten durchführt. Auf dem folgenden Foto seht ihr ein Griffbrett mit durchgehenden Bundschlitzen. Auf dem zuoberst liegenden Griffbrett sieht man auch (vorne links) deutlich eine Fehlermarkierung, die wohl dafür sorgen wird, dass dieses Griffbrett nicht zum Einsatz kommen wird. Rechts daneben übrigens ein Griffbrett, bei dem die Löcher für die Dots schon gebohrt wurden:
Für den Einbau fertige und vorbereitete Brücken:
Hier nun die andere Sorte Griffbretter mit den nicht durchgehenden Bundschlitzen:
In dieser Maschine werden die Hälse gefräst:
Fertig gefräste Hälse:
Hier zeigt uns Bruce einen Hals noch ohne Griffbrett, aber bereits mit Kopfplattenfurnier und der Rille für den Trussrod. Die beiden kleinen Metallnasen rechts oben und links unten dienen dazu, in die entsprechenden Vertiefungen auf der Griffbrettunterseite zu greifen und garatieren damit die Passgenauigkeit von Hals und Griffbrett. Jeder Hals und jeder Korpus trägt übrigens die Modellnummer und eine individuelle Seriennummer, die in dem Moment vergeben wird, wenn die Zargen, der Halsklotz und der Endblock (der einmal den Endpin tragen wird) zusammengesetzt werden. Diese Nummer ist im Halsblock per Laser eingebrannt.
Dieser Roboter ist sozusagen der einzige "nichtmenschliche Mitarbeiter" bei Martin. Er legt die Hälse in eine automatische Fräse ein, die dann die Löcher für die kleinen Metallstifte (-> Griffbrett) bohrt und den Kanal für den Trussroad fräst:
So zwischendurch mal ein paar Kisten mit Braces. Dies sind die Verstärkungsleisten, die nach einem genau ausgearbeiteten Plan auf die Decke aufgeleimt werden. Diese Braces, die übrigens auch bei Martin angefertigt werden, werden dann von Hand mit einem Stechbeitel bearbeitet. Die Mitarbeiterin, die das macht, haben wir auch bewundern können. Es ist faszinierend mitanzusehen, mit welcher Routine sie die dünnen Leisten noch weiter abhobelt und ihnen Konturen verpasst, damit ihre Enden ganz flach auf der Decke aufliegen. Es ist verständlich, dass dazu eine Menge an Erfahrung gehört.
Einschub: Die Kenntnisse und Erfahrung, die die Mitarbeiter hier im Werk machen, sind Chris (Martin) sehr wichtig. Da hier fast ausschliesslich Handarbeit stattfindet, müssen die Mitarbeiter sehr intensiv eingearbeitet und geschult werden. In der Regel dauert es bis zu einem halben Jahr, bis "Neulinge" an einem Arbeitsplatz voll eingesetzt werden können. Wir haben Mitarbeiter kennengelernt, die bei C.F.Martin III angefangen haben und die seit über 40 Jahre bei Martin arbeiten. Diejenigen, die z.B. wg. Rente ausscheiden, arbeiten in den letzten Jahren in der Regel ihre Nachfolger selbst in ihrem Arbeitsbereich ein. Bei Martin gibt es daher auch kein "hire & fire". Während der Zeit der Rezession vor einigen Jahren wurde kein einziger Mitarbeiter entlassen, weil das Knowhow und die erlernten Fähigkeiten nicht verloren gehen sollten. Dieser Kurs hat sich für Martin bezahlt gemacht. Nachdem es mit der Firma wieder bergauf ging, mussten keine neuen Leute gesucht und geschult werden - sie waren ja noch da. Überhaupt: die Rede war und ist immer von der "Martin-Family" - dieses Gefühl und die Stimmung kommen wirklich gut rüber. Keiner der Mitarbeiter, mit denen wir gesprochen haben, machte einen i-wie angestrengten oder genervten Eindruck. Im Gegenteil - es herrschte gute Laune woimmer man jemandem begegnete. Dass auch hier nicht immer eitel Sonnenschein sein kann, ist mir natürlich klar, aber offensichtlich ist das Arbeitsklima bei Martin wirklich hochgradig gut! Was mir auch auffiel ist, dass keiner der Mitarbeiter sich durch unseren Besuch i-wie gestört oder genervt fühlte. Nein, für die ist ein Besuch ihres Arbeitsplatzes etwas ganz normales. Wenn ich mir vorstelle, dass mir bei meiner Arbeit im Büro in der Arztpraxis alle Nase lang jemand über die Schulter schauen will oder mich anquatscht ...
Einschub Ende.
Hier sehen wir jetzt ein Laserschneidgerät, dass die Griffbretter aus den Rohlingen herausschneidet. Es wird Darth Vader genannt
Auch hier macht zwar eine Maschine die Schneidarbeit, aber das exakte Postionieren der Rohlinge ist Handarbeit:
Dass Martin seine eigenen Saiten herstellt (nicht hier in Nazareth) wissen wohl einige. Hier ist ein Testgerät, mit der die Qualität der angelieferten Saiten regelmäßig kontrolliert wird:
Diese Mitarbeiterin prüft die Decken vor der Verarbeitung und legt eine durchsichtige Schablone so auf die Decke, dass eventuelle kleine optischen Fehler im Holz in Bereiche fallen, die dann als Schallloch ausgesägt werden oder unter dem Pickguard versteckt werden können:
Das waren zunächst mal meine Beiträge und Bilder aus der Werkstatt ... leider hat der Akku meiner Kamera am Nachmittag seinen Geist aufgegeben
und ich habe von den Bildern des finalen Zusammenbaus der Gitarren und aus dem Customshop keine eigenen Bilder ... Aber zum Glück waren ja noch mehr Besucher in der Gruppe und ich hoffe, dass ich bald Bilder u.a. von den 3 Thomännern bekomme, die ich natürlich dann hier noch reinstellen werde.
Ich denke, dass Corkonian auch noch einiges in seinem Thread posten wird. Sofern der Gute mittlerweile wieder wach und am Leben ist. Er hatte von uns dreien ja den weitesten und längsten Anreiseweg und war auf Hin- und Rückreise jeweils weit über 30 Stunden unterwegs.