Hi Ihr alle,
mich hat der Text nicht wirklich in seinen Bann gezogen, unabhängig von der Sprache und Sprachebene und welches Englisch nun immer.
Das ist durchaus Geschmacksache, aber einiges war mir zu umständlich. Geahnt habe ich, dass es um eine zentrale Metapher geht, die (natürlich) um Aufwachsen, Hege und Pflege und sonstiges geht.
Bei einer zentralen Metapher hat aber nun mal die Metapher das Hauptgewicht - egal wie oft oder selten nun das corn genannt wird.
Ich glaube, es sind eher die Perspektiven und Zeitbezüge, die es schwierig machen - und dass eine zentrale Methapher aufgebaut, aber für mich nicht befriedigend als roter Faden durchgehalten wird.
Long Run
It's been a long runsince I left you behind
while you were growing
my little tiny corn.
Hat lange gebraucht seit ich Dich zurückgelassen habe [das würde ich bei einem Kind nicht sagen, es sei denn der Vater oder die Mutter hätten es tatsächlich verlassen oder ausgesetzt]
während Du gewachsen bist [and wäre aus meiner Sicht schlüssiger und einen Tick glatter als das while]
mein winzig kleines Samenkorn
It's been a long run
for me to realize
from the pieces I taken
you were cutten and sliced.
Habt ne lange Zeit gebraucht
bis ich kapierte
von den Teilen die ich genommen habe
wurdest Du geschnitten/gemäht und (in Scheiben) geschnitten
Ehrlich gesagt wurde es mir da zu umständlich: das betrifft sowohl das Englische - diese Umstellung von you were cut and sliced and/till I took you genauso wie diese Umschreibung des Brotes: Warum- vertraust Du Deiner Metapher nicht? Die macht dann zumindest deutlich, dass zwischen der ersten Strophe und der zweiten eine Zeitspanne bzw. Entwicklung liegt: nämlich beim Korn die der Ernte und der Verarbeitung und mataphorisch nach dem Pflanzen/der Geburt die Aufzucht/Pflege bis zur Ernte/dem Erwachsenensein. Übrigens finde ich das als Metapher für ein Auf- und Heranwachsen bis zu dem Zeitpunkt, wo die Kinder für die Elten da sind - denn darum geht es bei dieser Aussage - reichlich barbarisch: nach dem Pflanzen erst mal vergessen, und dann kommt direkt schneiden/zurechtstutzen und mundgerecht verbraten (wieder schneiden) ... da ist nix von mal nach dem Feld schauen, den Boden düngen oder pflegen, bei Regen auf das Feld gehen, einen Sturm fürchten etc. ...
Chorus:
And I want you to know
whatever you'll grow
I'll be always there for you.
If you get out of my eyes
you'll never outta sight
nor out of my mind.
Alles was ich möchte dass Du weißt ist
was immer aus Dir wird [meinst Du das so? das ist bei einem Kornsamen eine ziemlich seltsame Wendung ...]
Ich bin immer für Dich da [das empfinde ich bei der raschen Aufeinanderfolge von erster Strophe (Pflanzen) und zweiter Strophe (Ernten/Essen/sich nützlich machen) und auch der verwendeten Worte "left you behind", die ich als alleine lassen/verlassen auffasse, als geradezu polemisch und nicht ernst gemeint]
Auch wenn Du aus meinen Augen bist
bist Du nicht aus meiner Sicht
oder aus meinen Gedanken [hier empfinde ich ähnlich wie oben: ziemlich pathetisch und unvermittelt und konträr zu den ersten beiden Zeilen]
It's been a long run
to re l i e f you from suffering
I tried always to care
for your wounds I scared
Hat ne lange Zeit gebraucht,
Dich von Deinem Leiden zu erlösen [das passt doch überhaupt nicht zur Metapher und für mich passt es überhaupt nicht zu den bisherigen Strophen: welches Leiden überhaupt?]
Ich habe immer versucht
Deine Wunden zu heilen, die mich auch schmerzen [auch das passt nicht zur Metapher und kommt unvermittelt - mir kommt das vor wie Sätze, die Kinder von ihren Eltern zu hören bekommen, wenn es denen nicht gut geht: aber ich habe dich doch immer geliebt und alles getan etc. bzw. wie reine Beschwörungen]
Chorus
"Middle 8"
Chorus
It's been a long time
until you got full-blown
you grown up into blossom
... with or without my own.
Hat ne lange Zeit gebraucht
bis Du ganz erwachsen wurdest
zur vollen Blüte wurdest
... mit oder ohne mein Zutun [das schließt sich dem vorher Gesagten an]
Für mich passen die beiden Ebenen nicht wirklich zusammen: 1) Eltern (ist nicht klar, ob Mutter oder Vater) sehen ihr Kind aufwachsen, beschreiben ihre Gefühle während dieses aufwächst und erwachsen wird und 2) ein Korn wird gepflanzt, (wird alleine gelassen), wächst zur vollen Blüte, wird geerntet (und aufgegessen von denen, die es gesät haben).
Sie passen sogar auf eine solche Art nicht zusammen, dass ich vermute, es geht unter der Hand um ganz andere Inhalte: um das Gefühl, verlassen worden und unbehütet geblieben zu sein (left you behind), auch das Fehlen jeglicher Form von Pflege und Hege, die man selbst einem Feld angedeihen läßt bestärkt die Deutung, dass wirkliche Bindungen gar nicht entstanden sind, während im Chorus aus Elternseite genau das Gegenteil behauptet wird: wir waren immer für Dich da, haben uns immer um Dich gesorgt etc.
Sehr interessant finde ich die letzte Strophe, in der ausgedrückt wird, dass dies Aufwachsen auch mehr oder weniger ohne die behauptete Fürsorge der Eltern geschehen wäre, was in gewisser Weise die im chorus aufgestellten Beschwörungen relativiert oder sogar konterkariert.
Deine Interpretation habe ich übrigens erst jetzt gelesen - ich wollte mich bei meiner Interpretation davon nicht beirren lassen:
Das LI (lyrisches Ich) ist ein Elternteil, das seine Familie und sein Kind verlassen hat, während es heranwächst (my little tiny corn).
Nach langer Zeit wird es dem LI bewusst, was es dem Kind damit angetan hat, wie tief die Wunden sein müssen, die das LI verursacht hat.
Es möchte das wieder gut machen und verspicht dem (inzwischen groß gewordenem) Kind, von nun an immer für es da zu sein.
Das Ende erklärt sich dann von selbst.
Das korrespondiert so ziemlich mit meiner Interpretation. Allerdings bleibe ich bei meinem Ersteindruck: Ich hätte mich von selbst bzw. außerhalb eines lyric-threads nie so mit diesem Text befaßt - dazu ist er mir zu wenig pointiert, ausdrucksstark und dann auch von der Perspektive zu wenig durchgeführt. Ich finde das gut von hwrath ausgedrückt:
Sein Kind allein zu lassen und dann eine lasche "Nicht-mal-wirklich-Entschuldigungs-Haltung" einzunehmen, stellt entweder einen äußerst groben Abwasch dieser sensiblen Thematik seitens des Autors, die bloße Hilflosigkeit und Ohnmacht des LI angesichts seines Fehlers/Versagens (die dann aber noch schärfer herausgearbeitet bzw. -gestellt werden müsste) oder die psychische Gestörtheit des LI* dar. Die beiden letzten Optionen verlangen noch so einiges an Ideenschmalz, lohnen sich m. M. n. aber sehr.
Die zentrale Metapher des Korns macht Sinn als die Rechtfertigungsideologie des LI, das sein Kind verlassen hat. Das LI kommt aber quasi nicht vor - genauso wenig wie das Objekt (das Korn) eine Stimme hat. Alles ist angedeutet, aber es bleibt eben bei dem vorliegenden Text vor allem der Eindruck - und den teilen ja alle Kommentatoren hier - dass nicht das ausgedrückt werden konnte, was eigentlich ausgedrückt werden sollte.
Genau das lohnt aber.
x-Riff