Die Sache ist einfach die, dass ungefähr 99,99% aller Leute, die im Netz irgendwas über Linearität und Klangtreue von Boxen schreiben, das überhaupt nicht beurteilen können.
Es gibt einfach keinen Bezugspunkt für Normalsterbliche.
Alleine schon der Fakt, dass quasi alle "HiFi"-Boxen in nem normalen Wohnzimmer stehen, das nicht auf akustische Linearität getrimmt wurde, lässt solche Aussagen schon extrem an Ernsthaftigkeit einbüßen.
Oder um es mal spitz zu formulieren: Was bringt es mir, wenn die Boxen von 20Hz-20kHz plusminus 3dB haben, ich aber an meinem Abhörplatz für manche Frequenzen ne 10dB Senke hab?
Ich merk in meinem Raum schon Unterschiede, wenn ich meinen Kopf 5-10cm vor und zurück bewege. (in anderen Räumen auch)
Das liegt teils am Raum und teils einfach am Abstrahlverhalten der Lautsprecher.
Um jetzt ernsthaft beurteilen zu können, was genau jetzt Raumanteil ist, und wo die Lautsprecher z.B. überbetonen, braucht man massiv viel Erfahrung in folgenden Dingen:
- die abgespielte Musik. Ich würd sagen, ohne ein Musikstück nicht mindestens auf 5-10 Highen Anlagen in Highen Räumen gehört zu haben, weiß man gar nicht wie die wirklich abgefischt ist.
- verschiedene Lautsprecher in seinem Raum. Auch hier wieder: weniger als 5 Lautsprecherpaare sind keine Hörerfahrung
- die verwendeten Lautsprecher in mehreren Räumen, die man am besten auch alle gut kennt.
Und diese Erfahrungen haben nur ganz wenige Leute.
Es bleibt dann noch die Möglichkeit das ernsthaft elektronisch durchzumessen, und das dürfte auch zu halbwegs brauchbaren Ergebnissen führen, aber wieder bezweifle ich, dass das wirklich viele Leute machen.
Und dann hat man eben nur eine Aussage für seinen eigenen Raum und für die eine Hörposition.
Ich persönlich trau mich nicht mal ansatzweise in einen fremden Raum zu gehen, mir fremde Boxen anzuhören und danach die Linearität beurteilen zu wollen. Dazu beschäftige ich mich deutlich zuwenig mit solchen Dingen.
Deswegen halt ich da meine Klappe, aber leider gibt es immens viele Leute, die wild irgendwelche Sachen behaupten, ohne auch nur annähernd irgendeine Ahnung von der Physik, oder irgendwelche ernsthaften Hörerfahrungen zu haben.
Leider steht im Netz nie dran, mit was für Leuten man da diskutiert..
So generell gibt es bei HiFi-Boxen verschiedene Ansätze: es gibt "schmeichelnde" Boxen, die gerne auch mal etwas mehr Bässe und Höhen haben, was viele Leute als angenehm empfinden, und es gibt möglichst "lineare" Boxen. Dann gibt es noch Boxen, die möglichst gut aussehen soll, oder spezielle Anforderungen an die Form haben. Und auch wenn man denken sollte, dass bei "Studiomonitoren" möglichst viel Wert auf Linearität gelegt wirf, ist dem leider in der Praxis einfach oft nicht so.
Dazu kommt dann noch, dass Dinge wie Impulstreue und Phasentreue oftmals überhaupt gar nicht erwähnt werden. Aber letztlich geht es darum, dass die verschiedenen Geschmäcker und Ansprüche der Kunden irgendwie befriedigt werden.
Und bei dem einen ist das eben: "die Box muss weiß sein" und beim anderen "die Box muss mindestens 50.000€ kosten, sonst kann ich mich in meinen Kreisen nicht mehr sehen lassen" (kein Joke, sondern Erfahrungsbericht eines HiFi-Verkäufers) und für den anderen ist es eben Linearität, nur ist die nicht so leicht zu erkennen, wie die letzten beiden Beispiele ;-)
Der Preis sagt allerdings letztlich absolut nix über die Linearität aus. Gute Boxe müssen nicht zwangsläufig Ultra-teuer sein, allerdings ist die Wahrscheinlichkeit, dass auf wesentliche Dinge geachtet wurde, bei teuren Boxen deutlich höher.
Jemand, der jahrelang für Firmen Boxen konstruiert hat, erzählte mir die Geschichte, dass da teilweise der Mensch, der für den Materialeinkauf zuständig war, vorbeikam und fragte welche Bauteile man denn noch weglassen könne, ohne dass die Boxen wesentlich schlechter würden, und dass bei solchen Geschichten ein sehr großer Druck gemacht wurde, was ihn letztlich dazu getrieben hat sich selbstständig zu machen, um endlich die Dinger so bauen zu können, wie er wollte.
Ich hab es mir zu eigen gemacht, dass ich in Sachen Audio-Equipment nur noch mit einem guten Freund antesten geh, der beruflich zig Anlagen hört und entsprechende Erfahrungen mitbringt. Wessen Ohren gut genug sind um für Firmen zu arbeiten, die mal eben ne 16000 Mann Halle mieten um ne PA Anlage für mehrere Millionen zu testen, der darf auch ein Wort über die Lautsprecher in meinem Wohnzimmer verlieren.
Mir bringt es den Vorteil, dass ich ein Urteil habe, auf das ich mich sehr verlasse (zumal nicht so parteiisch wie etwa ein Verkäufer), und zugleich noch jemanden, der mir Hinweise gibt, worauf man alles achten kann und oftmals erklären kann, woran manche Hörerfahrungen liegen. Ich lern da jedesmal ne Menge.
Nur leider hat nicht jeder der im Netz was schreibt, solche Leute an der Hand, und fällt dann eben auch Urteile, die nicht umbedingt immer auf der reinen Faktenlage beruhen, einfach weil man (ich schließ mich da gar nicht aus!) sich nicht umfassend auskennt, und wichtige Dinge vernachlässigt und nicht bedenkt.
Dazu kommt noch, dass so viele Wörter keine wirkliche Definition haben. Das haben wir hier schon in diesem Thread: "ehrlich" (wie will man das messen? Wenn die Instrumente wie in Natura klingen, ist es dann ehrlich? Vllt sind sie ja absichtlich anders gemischt?), "High-End" (fängt für den einen vllt bei 1000€ Boxen an, für den anderen nicht unter 5000€ pro Box, für den dritten spielt der Preis dabei gar keine Rolle) etc pp
Dann muss man noch bedenken, dass nichteinmal die Messschriebe (wenn es die überhaupt gibt) eindeutig sind: Die werden nämlich unter bestimmten Bedingungen gemacht (an die sich auch nicht umbedingt jeder halten muss).
Aber was ist wenn man mal von diesen Bedingungen abweicht? Beispielsweise mal Off-Axis geht, oder leiser oder lauter hört. Dabei verbiegt sich nämlich auch der Frequenzgang. Und nicht nur das: ärgerlicherweise hören wir noch nichtmal lautstärkeneutral.. es gibt soviel zu bedenken.. es ist schrecklich..
Zum Thema des Threads zurück:
Solange hier keine professionellen Ambitionen vorhanden sind (und dann wären ziemlich sicher erstmal gewaltige Investitionen in den Raum nötig), ist es meine ganz persönliche Meinung, dass es nicht so ganz extrem darauf ankommt, ob die Boxen nur super-flat linear sind oder nicht, sondern dass man sie gut kennt, und auch im Vergleich weiß, wo sie evtl schwächeln. Dazu sollte man nach Möglichkeit viel Musik hören, von der man weiß, dass die gut produziert wurde und wenn es geht, dieselbe Musik mal irgendwo unter optimalen Bedingungen (richtiges Studio, beim HiFi-Freak mit super Hörraum nebenan, oder sonstwo) anhören. Wenn man dann z.B. merkt, dass an den eigenen Boxen die Bässe wummern, oder nicht klar klingen, dann weiß man, dass man dann beim Beurteilen des eigenen Mixes in dem Bereich sehr vorsichtig sein muss, und dann macht man genau das, was Novik sagte: auf anderen Anlagen/Kopfhörer anhören. Am besten auf solchen, wo man weiß, dass sie diese Schwäche nicht haben.
Wissen/Erfahrung ist eben wesentlich entscheidender als kleine Verbesserungen am Equipment. Klar, wenn du die Möglichkeit hast, die Hecks gegen ein paar O300 zu tauschen: würd ich machen, aber mMn muss man schon wesentliche finanzielle Sprünge machen um wirklich auf der sicheren Seite zu sein, dass es eine merkbare Verbesserung ist.
Für mich ganz persönlich hab ich festgestellt, dass ich dazu tendiere, WENN ich denn mal ein Gerät, durch eines ersetze, dass die selbe Aufgabe (nur besser) erfüllt, dass ich oftmals etwa das Doppelte des Ursprungsgerät ausgebe. Ist aber nur ein persönlicher Erfahrungswert für mich, ohne irgendwelchen Anspruch auf Allgemeingültigkeit ;-)