Hallo an alle,
sehr interessante Diskussion, die sich hier entwickelt hat.
Überrascht war ich, dass Wiederverkaufswert und Klang gegen einander abgewogen werden.
1. Bin ich bereit für eine Custom vom E-Gitarrenbauer? Warum eine Custom?
Schon länger denke auch ich über eine Sonderanfertigung nach meinen Wünschen nach, was mich dazu geführt hat, darüber nachzudenken, was genau ich mir an meinem Trauminstrument wünschen würde. Oft höre/lese ich, wie Gitarristen gerne versuchen ihre Lieblingsgitarren in einer zu vereinen. Was legitim ist, denn wer wünscht sich nicht, alle seine Lieblingssounds verschiedener Gitarren mit einer abrufen zu können. Oder Dinge wie die Bespielbarkeit der einen mit dem Klang der anderen zu verbinden etc.
Ich persönlich bin zu dem Schluss gekommen, dass man sich vielleicht an seine Lieblinge mit einer Custom annähern kann, aber dennoch nie das Original erreichen wird. Eine Gitarre kann nicht exakt wie ein Strat und wie eine Les Paul klingen! Natürlich kann man sich auf ein arbeitstaugliches Niveau annähern. Eine Allrounderin quasi. Man könnte jetzt fragen, ob das Publikum nach Kabel, Effekten, Amp, Mikro, Mischpult, PA überhaupt den unterschied hören würde, aber ich denke darum geht es nicht, denn seien wir ehrlich, wir tun das doch nur für uns.
Eine Custom kann also der Versuch sein Lieblingssounds mit dem gleichen Instrument abrufen zu können. Andererseits könnte man mit einer Custom auch versuchen seinem ganz eigenen Sound zu noch mehr Ausdruck zu verhelfen. Das schließt ersteres nicht aus, erweitert aber das Spektrum auch um ein Gitarrenmodel/-sound, den es so noch gar nicht gibt.
Ich persönlich denke, dass ich noch nicht bereit bin für eine Custom Gitarre. Momentan würde vielleicht eine Standardgitarre entstehen z.B. eine Strat, die mir in der Bespielbarkeit her angepasst wäre, aber eine genaue Soundvorstellung könnte ich meinen Modifizierungswünschen nicht zu Grunde legen.
Es sollte einem also absolut klar sein, was man von einer Custom erwartet und vor allem durch welche Maßnahmen man was erreichen möchte! (ein erfahrener E-Gitarrenbauer steht hier mit Rat und Tat zur Seite, aber am Ende wird er das Instrument nicht spiele
2. Wiederverkaufswert, Preis/Leistung
Eine Custom ist in erster Linie nur auf einen Menschen zugeschnitten. Vielleicht gibt es Menschen mit ähnlichen Vorstellungen von der Traumgitarre (Tausende spielen ja auch die gleichen Serienmodelle...), aber ganz klar, bei einem Serienmodell weiß man ungefähr, was einen erwartet. Man hat im weitesten Sinne eine Vergleichbarkeit. Eine Custom hat eine schlechtere Position bei einem Verkauf.
Ich persönlich denke, das man sich egal ob teueres Serienmodell oder Custom einen Traum erfüllen möchte. Bei einem Serienmodell würde ich nicht "zuschlagen", wenn es nicht klick macht und eine Custom würde ich nicht ordern, wenn ich nicht genau wüsste, was ich möchte. Solange man hier unsicher ist, wird man zweifeln, zaudern und mit dem Endergebnis nicht zufrieden sein.
Was spielt Geld schon für eine Rolle, wenn man sich damit einen Traum erfüllt? Natürlich steht es auf einem anderen Blatt, ob und welche Möglichkeiten man hat, selbiges zu sparen um es für solche Dinge zu investieren.
Für mich ziehe ich das Fazit, dass ich mir keine Custom kaufen würde, ohne die nötige inner Überzeugung, genau zu wissen, was ich will. Für mich ist eine Custom eine Gitarre, die nicht nur meinen jetzigen Geschmack trifft, sondern mit der ich auch weiter wachsen werde. Ein Instrument, dass ich vielleicht auch mal nach Jahren intensivsten Spiels links liegen lasse, aber das mich doch nie wirklich los lässt!
Ich möchte jetzt nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, aber so ähnlich muss es David Gilmour ergangen sein, der seine stark modifizierte schwarze Strat auch für ein paar Jahre nicht gespielt hat und sie wiederentdeckt hat.
Eine angefertigte Gitarre, die dann wiederum aber alle meine Wünsche erfüllt, wird ein Serienmodell, an dem mir zwar vieles, aber nicht alles gefällt, immer übertreffen. Da stimmt das Preis/Leistungsverhältnis!
Auf der anderen Seite hege ich auch zu meiner aller ersten E-Gitarre eine starke Bindung. Sie kostet heute (neu) ca 230€. Ich hole sie immer wieder raus und irgendwie hat sich auch ihr klang verändert oder ich werde nur geschickter darin, sie so zu bedienen, dass sie nach mehr klingt, als sie eigentlich ist. Was ich damit sagen möchte, auch eine billige Seriengitarre, kann zu einem echten Schatz werden. Ich würde sie für kein Geld hergeben. Vor dem Kauf habe ich weder über Wiederverkaufswert oder Preisleistungsverhältnis nachgedacht.
Ich denke das sind Punkte die man nicht an erste Stellen setzen sollte, denn wie sich der Wert einer Sache für uns im persönlichen Sinne entwickelt und wie das Interesse der anderen daran ist, sind doch völlig verschiedene dinge.
3. Wahrnehmung / Bedürfnisse
kurzer Exkurs: Ein Freund von mir lacht darüber, dass ich mir einen Tubescreamer selbst zusammengelötet habe. "Wie soll das ohne den originalen Chip, ohne die originalen Teile denn so wie der echte Tubescreamer klingen? Da kannst du es auch gleich lassen..." Die Wahrheit ist doch, ich besitze keinen originalen Tubescreamer und weiß gar nicht, wie er klingt. Dennoch schwärmen so viele Menschen von DEM TS-Sound... Fakt ist aber auch, mein Selbstbau gefällt mir. mir. Die produzierten Klänge sind viell. 100% wie das original, vielleicht 0%, ich weiß es nicht. Es spielt aber auch keine Rolle.
Wir wollen unseren Ton finden, uns Ausdrücken und in unserem kreativen Freiraum ausleben. Wir vergessen dabei oft jedoch, dass die Art und Weise, wie etwas wahrgenommen wird, über das Maß der Vergleichbarkeit hinaus geht.
Eine Custom ist nur für den Auftraggeber gemacht, was aber nicht heißt, das man nicht auch mit einer Seriengitarre den heiligen Gral finden kann.
Es ist eine Sache der Wahrnehmung. Auch ein Serienmodell kann alles haben was man sich wünscht. Die eigenen Bedürfnisse voll befriedigen. Die Wahrheit ist etwas sehr subjektives.
Wir suchen/finden unseren Ton nicht, indem wir bei Produkten auf den Wiederverkaufswert oder das Preis/Leistungsverhältnis achten, sondern in dem wir in uns hinein horchen und dabei unsere ganz persönliche Wahrheit entdecken.
Entschuldigung, dass das alles etwas esoterisch klingt. :-D
4. Um zur Ursprünglichen Frage dieses Threads zurück zu kommen. Ich kann dir nur den Rat geben, heraus zu finden, was du für Wünsche, Bedürfnisse in Bezug auf dein Instrument hast. Dann kannst du dich auf die Suche machen und in einem Serienmodell fündig werden oder ohne Sorge zu einem Gitarrenbauer gehen und deine Wünsche darlegen.
Das entscheidende ist, dass du weißt, was du willst.
Was das nötige Kleingeld angeht, so ist es etwas sehr persönliches, wie viel man investieren möchte oder kann. Ich halte es jedoch für sinnvoll nur Geld zu investieren, dass man nicht zum Leben braucht. Und lieber länger zu sparen um alle Wünsche zu erfüllen, als etwas zu bekommen, bei dem einen ein einziger Zweifel nicht los lässt.
Den Maßstab legst du fest!