Mariönchen, es geht uns hier nicht darum zu zeigen was für überlegene Großkotze wir sind, sondern dass wir dir aus deiner Gesangskrise raushelfen wollen. Die meisten unter uns waren oder sind Anfänger, die auch wie du das Singen sich mühsam aneignen müssen/mussten. Wir wollen dir mit unserem Erfahrungsschatz helfen es mal aus einem anderen Blickwinkel zu sehen und wollen dir Tipps geben wie du aus der Krise rauskommst und wieder Freude am Singen findest.
Da du meinst, wir hätten deine Fragen nicht beantwortet - was ich nicht bestätigen kann, es sei denn du akzeptierst die Antworten nicht - sammeln wir die Probleme und Fragen doch mal:
Hauptproblem) Obwohl du seit 2 Jahren Gesangsunterricht hast, hast du scheinbar immer noch dieselben Probleme wie vor dem Gesangsunterricht.
Frage 1) Bauch raus, ist das gut? Unterschied Pop Klassik?
Frage 2) Kann jemand was zu SLS sagen?
Frage 3) Welchen Lehrer nehmen?
Frage 4) Unterschied Power Kopfstimme Bruststimme
Frage 5) Was soll dieser Unterbauch Push?
Frage 6) Ich spüre einen guten Stimmbandschluss, aber spüre meine Resonanzräume nicht mehr so. Normal?
Frage 7) Bringt es allen Anfängern was die Stütze über Stimmbandschluss zu lernen?
Gehen wir erst mal auf die Fragen ein.
1) Hab ich eigentlich schon beantwortet, aber noch mal in kurz: Es gibt keine Unterscheidung in Pop- und Klassikstütze, sondern nur verschiedene Ansätze die Stütze zu lehren/lernen. Bei der Stütze bleibt der Bauch möglichst lang in der Position, die er beim Einatmen eingenommen hat, also draußen. Mit Verbrauch der Atemluft geht er aber natürlich rein, weil wir aber wenig Luft verbrauchen wollen dementsprechend langsam.
2) Ich kann da nichts zu sagen, aber andere haben das getan.
3) Den bei dem du dich am wohlsten fühlst und Fortschritte machst. Von den dreien also eher die neue Klassiklehrerin. Ist es keiner, dann weitersuchen, aber dann jemanden, der das Genre lehrt, das du singen willst. Also entscheide dich für eine Richtung (zumindest grob: Contempory oder Klassik).
4) Man singt (außer in tiefen Tiefen) nicht mit der Bruststimme. Das was Power macht ist die gestütze Kopfstimme und die Mischstimme. Bei der Mischstimme mischt man die tragfähig machenden Obertöne der Kopfstimme in die sonst harte, wenig tragfähige Bruststimme. Wenn man aber sonst nicht mit der Kopfstimme gesungen hat, hat man nicht so das Gefühl dafür und sollte deshalb erst mal die Kopfstimme beherrschen. Deswegen lerne ruhig erst mal die Kopfstimme zu kontrollieren und dann wenn du das kannst, bist du soweit für die Mischstimme, denn die brauchst du und nicht die Bruststimme.
5) Wenn man den Unterbauch einzieht, macht man Bauchpresse. Man sollte aber die Unterbauchmuskeln so zusammenziehen, dass Bauch- und Brustdecke gedehnt und geweitet werden. Es ist also eigentlich kein "push" sondern eher ein "pull".
6) Seltsam ist, dass du von "spüren" sprichst. Den Stimmbandschluss und die Resonanzen kann man aber nicht spüren, weil man dafür einfach keine Tiefensensibilität hat. Wenn du meinst, du müsstest es irgendwo im Gesicht vibrieren spüren, dann muss man sagen, dass dieses Vibrieren kein sicheres Zeichen ist und nicht dadrauf fixieren musst. Dass du einen Stimmbandschluss hast und bestimmte Resonanzen nutzt, hört man. Inkompletter Stimmbandschluss = wilde Luft entweicht = hauchen. Aber Achtung, denn wenn auch bei einem eigentlich guten Stimmbandschluss kann ein Ton verhauchen, indem er durch erhöhten Druck wieder aufgesprengt wird. Den Unterschied kann man aber hören. Ersterer wirkt eher unterspannt und kraftlos und letzteres eher verspannt und angestrengt. Wenn man mit passendem Stimmsitz singt (passend, nicht richtig, denn es kommt drauf an, was du erzielen willst) hört man es auch, z.B. klingt die Stimme voller, präsenter und lauter als wenn man in sich hineinsingt. Anfänger sollten sich da aber auf die Ohren des Lehrers verlassen (bzw. aufnehmen und hören).
7) Nein, denn nicht jeder hat dieselben Probleme wie du und jeder hat nicht dieselbe Wahrnehmung wie du! Es wurde schon mehrfach betont, dass es kein allgemeingültiges "richtig" gibt und nicht jede Methode zu jedem passt. Davon mal abgesehen, wenn ein Lehrer auf den Schüler zugeht und sagt "Kontrolliere deinen Stimmbandschluss", werden die meisten über ihrem Kopf ein großes Fragezeichen malen. Stimmbandschluss kann man wie gesagt nicht fühlen, sehen und somit direkt kontrollieren. Dass man seinen Stimmbandschluss unter Kontrolle hat ist eine rückblickende Feststellung und nicht der Weg! Wichtig also ist, wie du das erreicht hast, was du getan und gedacht hast. z.B. hast du die ganze Zeit miiimiiimiii gesungen, vocal fry gemacht, dich auf einen Punkt fixiert, etc.. Außerdem besteht bei einem solchen Ansatz die Gefahr, dass man sich auf den Hals fixiert und ihn dicht macht. Die meisten Anfänger haben nämlich mehr Probleme die Atmung zu kontrollieren und weniger dass sie einen inkompletten Stimmbandschluss haben. Lenkt man bei denen die Aufmerksamkeit auf den Hals, wird er dicht, was dazu verleitet noch mehr zu pressen. Also nein, man kann nicht allgemeingültig zu jedem Anfänger sagen, dass er sich auf den Stimmbandschluss konzentrieren soll. Aber für Leute, die eine kraftlos verhauchte Stimme haben, könnte das ein guter Ansatz sein.
Nun zum Hauptproblem. Wir haben hier die sicher nicht minderbegabte mariönchen, die außerdem eine schöne Stimme hat und sich viel mit Theorie auseinandergesetzt hat. Warum aber macht sie nach 2 Jahren Gesangsunterricht wenig Fortschritte? Da ein Lehrer seine Schüler lehrt und nicht lernt und wahrscheinlich andere Schüler des Lehrers trotzdem Fortschritte machen, ist es wohl erlaubt die Lernstrategie des Schülers kritisch zu hinterfragen. Dabei ist besonders auffällig, dass du anscheinend nicht viel Freude beim Singen verspürst, weil dich Fehler trotz aller Bemühungen (du hast drüber gelesen, nachgedacht, gibst dir ganz viel Mühe und willst es unbedingt) sehr frustrieren. Wenn das so ist, kann man sich gut vorstellen, dass du vergleichsweise wenig singst und wenn ich mich an frühere Threads von dir erinnere, singst du auch eher selten ein Lied mal komplett durch. Da Übung aber der wichtigste Schlüssel zum Fortschritt ist, liegt hier wohl der Hund begraben! Weißt du was ich immer von meinen Lehrern gehört habe? "Sei easy!" "Freu dich auf den Ton!" "Und jetzt mit Enthusiasmus!" "Denk nicht an die hohen Töne! Lebe den Song!" "Denk 'Pöh, kümmert mich doch nicht. Ich bin ganz gelassen". Denn tatsächlich, wenn man sich zu sehr an einer schwierigen Stelle verbeißt, es unbedingt will und "es muss verdammt nochmal!!!", versteift man sich so sehr, dass es in die Hose gehen muss. Und wirklich 100%ig garantiert geht es in die Hose, wenn man sich erschreckt und denkt "Oh nein! Ich kriegs nicht hin! Es muss aber!!!!". Und wenn man nicht daran denkt, es einfach fließen lässt oder man sich so auf etwas anderes konzentriert, dass man gar nicht an die schwierige Stelle denken kann, macht es plötzlich baaaaang! und die Stimme ist da, so als hätte man Ketten auseinander gesprengt. Das merkt man aber erst hinterher, dass man den Song plötzlich geschafft hat und es sich gut und frei anfühlte. Dieses Gefühl macht einem dann Spaß und man singt mehr, völlig egal ob die Technik perfekt war. Und durch diesen Übungseffekt wird man dann besser. Und wenn man was falsch gemacht hat, dann muss man es locker nehmen und sich sagen "Es ist normal, dass man Fehler macht und gehört einfach dazu. Was solls? Dann mach ich es nächstes Mal einfach besser." Und glaub mir, auch Zuhörer verzeihen einem vieles solange der Song einen gepackt hat. Wenn man aber wegen einem versemmelten Ton sich ärgert, mit dem Fuß stampft, es nochmal und nochmal und nochmal probiert und dann aufhört, weil es nicht klappen will, dann fliegen die Tomaten.
Und was das Fragen angeht, sicher sind die meisten interessiert was da eigentlich passiert. Manche Dinge sind dann ganz nett zu wissen, aber weiter bringen die einen nicht wirklich. Für einen Anfänger machst du dir auch auffällig viele Gedanken über solche Dinge, die eigentlich nicht viel weiterbringen. Andere Anfänger fragen eher nach Übungen und Tricks und suchen Antworten wie "Stell dir vor der hohe Ton ist tief" oder "Sing die Stelle auf na und dann erst mit Worten". Antworten wie "Mache einen Krikoidtilt und achte dabei dass der weiche Gaumen sich hebt und du den Unterbauchpush nicht vergisst!" bringen da eher nicht weiter. Wie gesagt, man kann rückblickend sagen "Du hast an der Stelle einen Krikoidtilt gemacht, den Gaumen gut gehoben und mit Unterbauchpush unterstützt", aber nicht andersrum, weil dafür schlicht und einfach die Tiefensensibilität fehlt und sowas willkürlich schlecht zu steuern ist.
Versteh es also bitte nicht falsch, mariönchen. Wir wollen dir aus dieser Gesangskrise raushelfen und wie du liest, sind sich alle einig, dass es dich weiterbringt, wenn du dich weniger auf Technik versteifst, es akzeptierst, dass Fehlermachen nicht schlimm ist und zum Lernprozess einfach dazu gehört und so wieder Spaß an der Musik findest. Du magst doch Songs mit großen Gefühlen, dann lege deinen Schwerpunkt dorthin und lass dich doch nicht von ein paar Tonwacklern fertig machen.