Ich wunder mich immer wieder was ich hier lese über Kehlkopfstellung oder Bauch rein oder raus (...) Meine GLs (eine klassisch Opernsängerin, die andere eher Richtung Musical) gaben mir Visualisierungen (heiße Kartoffel etc.), lustige Übungen (springen, Stofftiere durch die Gegend werfen, seltsame liegende Achter malen und währenddessen singen, ausm Fenster ruuuufen, lachen, Lieder in allen möglichen Gefühlslagen singen etc. etc.)
Du musst das ein wenig unterscheiden.
Selbstverständlich lernt niemand Singen (auch in der Klassik nicht
) indem der GL sagt "jetzt muss der Kehlkopf 0.5 cm runter, der Muskel xy macht eine Tonuserhöhung von yz %, dann mischst du noch ein halbes Gramm Lächelspannung und 5 Gramm weiter Rachen hinzu und schon hast du den perfekten Ton".
Klar arbeitet man in der Stunde so, wie von dir beschrieben. Vieles vom beschriebenen habe ich auch gemacht (und beim werfen mal fast einen Spiegel zertrümmert
). Bilder zB. sind für viele (aber nicht für alle) eine sehr gute Hilfe, ich mag sie auch und finde, die besten Bilder sind diejenigen, die der GL zusammen mit dem Schüler entwickelt, individuell auf ihn zugeschnitten.
Aber: es gibt halt auch sehr kopflastige Menschen (fürs Singenlernen manchmal eine Hilfe, oft aber ein Fluch
) und die brauchen noch eine "Nachbearbeitung" von dem was sie machten in Form von Erklärungen. Ich gehöre auch dazu. Meine frühere Lehrerin war der rein intuitive Typ, ich konnte bei ihr gesanglich bis zu einem bestimmten Punkt kommen, dann war Schicht im Schacht. Meine jetzige GL findet die für mich genau richtige Mischung aus intuitivem Lernen und Erklärungen. Ich kann auch zu jeder Zeit Fragen stellen und so wird während den ersten 5min einer Stunde meist besprochen, was mir während dem üben zu Hause aufgefallen ist. Ich bekomme dann von ihr die gewünschten Erklärungen und i.d.R baut sie anschliessend das Thema auch gleich in Übungen ein, oder macht es zum Schwerpunkt während der Arbeit an der Literatur. Für mich ist das ein sehr guter Weg.
Ich hab ne Übung wo ich mir eigentlich ziemlich sicher bin dass jeder die Stütze spüren müsste: Hol Luft und spitz die Lippen - wie beim Kerzen ausblasen, nur anstatt wie beim Kerzen ausblasen die ganze Luft sofort raus zu lassen, lässt du einen permanenten und gleichmäßigen Luftstrom raus - das was dein Körper dann da irgendwo im Bauch macht ist die Stütze!
Ja, so kann man die Stütze üben. Bei mir füllt sich zuerst Rücken- und Flankenbereich, während dem "ausblasen" geht der Unterbauch rauf und der Brustkorb wird immer weiter. Wenn die Kerze aus ist, lässt man den Bauch los, Luft strömt ein und die nächste Kerze wird ausgeblasen. Wenn man es richtig macht, gibt es kein Druckgefühl im Bauch und da man sich für die Pausen zwischen dem ausblasen Zeit lassen kann, könnte man die Kerzen von 100 Christbäumen ausblasen ohne dass man irgendwann aktiv Luft holen muss. Ich habe auch von GLs gehört, die diese Ausblasübung mit der Stopuhr in der Hand machen und wenn ein Schüler eine bestimmte Zeit unterschreitet ist das für ihn gar nicht lustig
. Naja ein bisschen hart, aber praktisch wenn man dann lange Phrasen ohne Einatmung zwischendurch singen kann.
@ mariönchen
Da ich nur klassisch lerne/singe und zudem eben auch ziemlich kopflastig funktioniere, kann ich dich bis zu einem gewissen Punkt verstehen. Aber mittlerweile muss ich auch den anderen hier recht geben! So technisch und bis ins letzte Detail zerpflückt wie du das machst, könnte auch ich nicht singen lernen.
mariönchen;5710038 schrieb:
Es ist doch nichts anderes wie mit einem Instrument. Du kannst darauf rumhauen und die Töne treffen....aber wenn Du das Pedal bei einem Klavier nicht richtig einsetzt, kann sich das alles schon grausam anhören. Wenn Du bei einer Geige den Stab nicht richtig hälst oder bei der Trommel die Stöcke..oder oder oder...das sind doch Basics die man wissen sollte.
Du kannst die Stimme doch nicht 1:1 mit einem anderen Instrument vergleichen. Bei einem Klavier, einer Geige sind zB. die Resonanzräume vorgegeben. Auch wenn du eine halbe Stunde überlegst, wie du die Spitze des kleinen Fingers auf die Taste setzen willst oder zuerst eine 10seitige Abhandlung über deine geplanten Bogenstriche schreibst: die Resonanzräume stört das nicht, sie bleiben erhalten. Ganz anders beim Singen, da musst du die weiten Resonanzräume erst einmal schaffen, dh. du musst deinen Körper öffnen. Mit zuviel Denken, passiert aber vermutlich genau das Gegenteil; du bist auf irgendwelche Einzelheiten fokussiert, ohne Gefühl fürs Ganze und der Klang ist nicht wie er sein soll oder könnte. Technik ist ohne Zweifel sehr wichtig beim klassischen Singen und steht bis zu einem gewissen Zeitpunkt der Ausbildung bei den meisten Schülern im Vordergrund. Aber so bald als möglich müssen auch die Emotionen, das Gefühl für das was du singst, für die Musik die du machst, dazu kommen! Nur so kannst du dich physisch und psychisch wirklich öffnen.
Und, finde auch: lieber mal einen abgerutschten Ton risikieren (das Publikum wird ihn dir verzeihen, sofern es ihn überhaupt bemerkt
), als nur die technischen Details akribisch zu einer in der Form zwar perfekten, aber glanzlosen Perlenkette aufreihen.