In die Songs hineinversetzen?

J
Jusso
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Hey,
habe seit kurzem Gesangsunterricht. Meine Lehrerin meinte, ich solle mich in die Lage des lyrischen Ichs hineinversetzen, damit ich die Aussage des Songs gut rüberbringen kann, versteht ihr?
Aber ich find das furchtbar schwierig, hat wer Tipps?

Gruß:)
 
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Mal eher gefragt: Wieso fällt es Dir schwer? Wo hängt´s?
Im Prinzip ist das mit 2 Möglichkeiten zu lösen:
1. du überträgst den song und seine aussage auf eine dir privat bekannte situation und gefühlslage (das sollte man aber vorsichtig machen)
2. du benutzt deine phantasie und stellst dir vor: das ist jetzt so. so fühlt sich das an.
Und die Musik hilft dir dabei, dass in dir zu finden.
 
ich weiß nicht warum mir das schwer fällt, aber .. also ic denk mir dann mmer so paar bilder imkopf rein.. aber irgendwe ist es nicht das wahre so..
okay, ich werd den thread mal durchgucken :)
 
ich weiß nicht warum mir das schwer fällt, aber ..

Ich kann das sehr gut verstehen und finde diese Aussage einer GL gegenüber einem Anfänger auch relaltiv hilflos.

Da soll man zum einen Technik pauken, auf Körperhaltung, Intonation, Atmung und Stütze achten, den Text natürlich auch halbwegs können und sich - ganz nebenbei - auch noch in die Lage des lyrischen Ichs versetzen. Geht's noch?

Das "Gefühl", der Ausdruck, der Stil gehört sicher zu den wichtigsten Aspekten beim Singen. Aber Gefühl kann eben auch erst dann entstehen, wenn man sich nicht mehr zu konzentrieren braucht.

Niemand kann Traurigkeit oder Sehnsucht vermitteln, während er eine Gebrauchsanweisung studiert.
 
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Ich kann das sehr gut verstehen und finde diese Aussage einer GL gegenüber einem Anfänger auch relaltiv hilflos.

Wenn es denn nur diese einzige Aussage wäre und sonst nichts, hast du sicher recht. Aber im Rahmen des Gesangsunterrichts passiert ja schon oft mehr Kommunikation, als nur die Übermittlung von Aufforderungen. Aber wie das Thema "Hineinversetzen ins lyrische Ich" genau besprochen wurde, können wir ja hier nicht wissen.

Da soll man zum einen Technik pauken, auf Körperhaltung, Intonation, Atmung und Stütze achten, den Text natürlich auch halbwegs können und sich - ganz nebenbei - auch noch in die Lage des lyrischen Ichs versetzen. Geht's noch?

Naja, es ist ja durchaus möglich, daß man alle diese Anforderungen gleichzeitig bewältigt. Je nach Leistungsstand und Erfahrung. Möglicherweise war wirklich eine Überforderung im Spiel, wie du andeutest: aber wir wissen es nicht. Es ist genauso möglich, daß Jusso hier einen minimalen Ausschnitt aus dem Gesangssunterricht berichtet, der keine sinnvollen Schlüsse auf die Gesamtsituation zulässt.

Und zum Thema: ich bin selbst eher als Korrepetitor tätig, aber wenn ich mit Sängern arbeite, gehe ich folgendermaßen an die Einstudierung eines Stückes ran:
  • ich bespreche mit dem Sänger, ob er/sie alle Worte kennt, versteht und deuten kann. Das ist schon bei deutschsprachigen Texten manchmal schwierig, bei fremdsprachigen umso mehr. Ein Sänger muss IMHO einen fremdsprachigen Text sinngemäß richtig auf deutsch (bzw. seine Muttersprache) übersetzen können, sonst wird er sich nie in das lyrische Ich hineinversetzen können
  • dann geht es an die Bilder und Metaphern: hier gibt es manchmal/oft Interpretationsspielraum. Auch Bilder und Metaphern muss jeder Sänger für sich ausreichend klar definiert haben, um sie an ein Publikum transportieren zu können. Es ist für Anfänger auch nicht schlecht, alle Metaphern eines Textes mal wörtlich herauszuschreiben und eine Deutung zu formulieren. Das ist zwar so ein bisschen wie im Deutschunterricht, aber man wird langfristig zu einem besseren Sänger, wenn man Metaphern und Bilder für sich klarstellt und nicht im Beliebigen lässt
  • dann geht es auch um die Wort-Ton-Beziehung. Gute Komponisten setzen wichtige Texte auf wichtige Töne. Man sollte sich als Sänger darüber klar sein, welche Textpassagen kompositorisch besonders hervorgehoben sind und welche ausdrücklich nicht. Vokalkomposition organisiert Text hierarchisch - vor allem in der Popmusik (Hookline). Diese Hierarchien muss man wahrnehmen und sich damit auseinandersetzen
  • dann geht es an die Haltung. Das ist der Kern, worauf sich Jussos Frage bezieht: welche Haltung nimmt das lyrische Ich ein und welche Haltung nimmt damit derjenige ein, der diesen Text und diese Musik singt? Wenn man sich über die obigen Punkte im Klaren ist, ist diese letzte Schritt nicht so schwer. Ich schaue mir an: wenn ich diese und jene Worte, Metaphern, Bilder, melodische Hochpunkte und letztlich Emotionen in einem Stück habe - was bedeutet das für mich? Übernehme ich diese Haltungen, fülle ich sie mit eigenen Inhalten, wie komme ich mit dem Textinhalt persönlich klar? Ab diesem Punkt ist Gesang vor allem Schauspiel: es geht darum, einen Text glaubwürdig zu präsentieren; das Produzieren von Tönen ist eher eine Nebensache im Dienste der Gesamtgestaltung des Stückes

Harald
 
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aber wir wissen es nicht.

Was wir aber zumindest lesen konnten ist, dass der TE erst "seit Kurzem" Unterricht hat. Daher können wir nicht von einem allzu hohen Leistungs- und Erfahrungsstand ausgehen. Und auf diesen Zusammanhang bezieht sich mein Statement. Dass Technik und Gefühl nach entsprechendem Fortschritt zu bewältigen sein sollten ist klar - sonst würde ja niemand singen lernen können.

Ansonsten hast du recht: den genauen kausalen Zusammenhang der Kommunikation zw. Lehrer und Schüler kennen wir nicht - den kennen wir nie genau.

Das ist ein Risiko, dem sich jeder User, der in einem Forum eine Frage stellt oder ein Problem schriftlich schildert, aussetzt. Je mehr Informationen zur Verfügung stehen, um so höher die Möglichkeit, eine treffende Antwort zu bekommen.

Daher bleibe ich nach jetzigem Kenntnisstand dabei: Jemanden, der nach eigener Aussage "seit kurzem" Unterricht hat, sollte man mit Themen, die über die reinen Trainings-Aspekte für Atmung, Intonation etc hinausgehen, erstmal verschonen.

Offensichtlich ist, dass diese Aussage der GL den Schüler ziemlich verunsichert hat - sonst hätte er wohl kein Forum um Rat bemüht.
 
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Aber auch als Anfänger sollte man sich immer wieder darüber bewußt sein, daß man als Sänger ein Erzähler ist. Jeder Song erzählt eine Geschichte.
Wenn ich einem Kind vorlese, leiere ich den Text ja auch nicht emotionslos herunter, sondern variiere Tonhöhe, Sprechgeschwindigkeit, Sprachrhythmus etc. und übertreibe dabei auch mal total. Mit dem Singen ist es im Grunde ganz ähnlich. Man sollte das ruhig von Anfang an präsent haben, sonst kann es passieren, daß man die technischen Übungen perfekt rauf- und runtersingen, aber keinem Song Leben einhauchen kann.
 
Ich gebe mich geschlagen :)

Vielleicht gefällt mir die Formulierung "versetz dich in die Situation des lyrischen Ichs" auch einfach nicht. Das wird häufig so dahingesagt, als wäre es allgemeingültige Formel. Und ein - ich sag mal mal 14jähriger - kann das einfach nicht auf die gleiche Art wie ein 30jähriger, da er viele Situationen, Bilder und Metaphern, die in Songtexten gern mal eine Rolle spielen, einfach nicht nachempfinden kann.

Hätte sie gesagt "sing nicht so stupide herunter als wäre es eine Einkaufsliste" hätte ich wahrscheinlich nichts dagegen gehabt. Sowas schreibe ich ja in den HP-Foren selbst gern.
 
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Ich gebe mich geschlagen :)

Vielleicht gefällt mir die Formulierung "versetz dich in die Situation des lyrischen Ichs" auch einfach nicht. Das wird häufig so dahingesagt, als wäre es allgemeingültige Formel.

Hätte sie gesagt "sing nicht so stupide herunter als wäre es eine Einkaufsliste" hätte ich wahrscheinlich nichts dagegen gehabt. Sowas schreibe ich ja in den HP-Foren selbst gern.

:)
Du hast mir das erste Lächeln des heutigen Tages entlockt.
Ja, dieses gestelzte "lyrische Ich" klingt natürlich nach ältlicher Ex-Kammersängerin-nun-Gesangslehrerin ;)
Ich sage meinen Leuten auch eher: Leier das nicht so herunter, entertain me !
 
Leier das nicht so herunter, entertain me !

Jou - so gefällt es mir schon besser.

Freut mich, dich zum lächeln gebracht zu haben :)

Ich stell mir halt vor, wie ein GL dem vorpubertiernden Schüler "Frühlingstraum" aus Schuberts Winterreise vorspielt und sagt: nun, Junge, versetz dich mal in die Lage des lyrischen Ichs.

Wiki:
Das lyrische Ich wird brutal aus einem schönen Frühlingstraum gerissen und sucht aus der Realität den Weg zurück in seinen Traum (Ihr lacht wohl über den Träumer, der Blumen im Winter sah?). Wieder zurück in der Erinnerung an den Traum erinnert sich das lyrische Ich an die Nähe seiner Geliebten. Das lyrische Ich ist unfähig, die Erinnerung an die Vergangenheit zu verdrängen, und sehnt sich zurück in den Frühling (Wann grünt ihr Blätter am Fenster? Wann halt' ich mein Liebchen im Arm?).


.. und jetzt sing mal schön :)
 
Wenns nach mir ginge, sollte man im GU auch etwas Schauspielunterricht abgreifen können.
Ich glaub, ich hau das in meiner ersten Stunde in 2012 mal an! :)
 
Ich stell mir halt vor, wie ein GL dem vorpubertiernden Schüler "Frühlingstraum" aus Schuberts Winterreise vorspielt und sagt: nun, Junge, versetz dich mal in die Lage des lyrischen Ichs.

Könnte sogar öfter klappen als man so meint. Die vorpubertierenden Jungs sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Manchmal sind sie sogar entsetzlich altmodisch ;)
 
Wenns nach mir ginge, sollte man im GU auch etwas Schauspielunterricht abgreifen können.
Ich glaub, ich hau das in meiner ersten Stunde in 2012 mal an! :)

Ja, das ist eine gute Idee.
Ich habe das auch schon gemacht.... abgesehen davon, dass mein GL selber auch Darsteller ist und mir somit einiges schauspielerisches Knowhow mitgeben kann, habe ich auch schon mal für eine spezielle Vorbereitung
zusätzlich eine Schauspielerin in den Gesangsunterricht geholt. So konnte sich mein GL auf meine gesangstechnischen Belange konzentrieren und die Schauspielerin mir auf der anderen Seite helfen.
OK - das ist natürlich durchaus mit Zusatzkosten verbunden, aber ab und zu sollte man sich den Luxus vllt. mal leisten.
Mir hat das sehr geholfen.
 
Ja - aber du weißt ungefähr, was ich damit ausdrücken wollte, oder?

Ja klar :) Ich stimme Dir sogar zu ;) Ich würd auch eher sagen "Nu bring da mal Leben rein" als "Versetzte Dich in das lyrische Ich". Wenn schon versetzen, soll sich der Sänger doch in die Figur, die er singt, einfühlen. Das geht imho auch schon, wenn die Technik noch nicht so sitzt. Die GL muss dann halt aufpassen, dass das Gefühl nicht sämtliche Technik schreddert und ggf. abbrechen.
 
Aber ich find das furchtbar schwierig, hat wer Tipps?

Wohl der effektivste Tipp: such dir Lieder aus, bei denen es dir nicht schwer fällt. z.B. weil sich das lyrische Ich in einer dir vertrauten Situation befindet. Ansonsten: streng deine Phantasie an, und zwar nicht nur beim singen selbst sondern auch vor und nach dem Gesangsunterricht. Und sammel Lebenserfahrung ;) Ich muss bei dieser Diskussion immer an den Film Black Swan denken, da geht es zwar um Ballett (sprich letztlich wohl wieder um Schauspielerei), aber das ist ja in der Hinsicht letztlich genau das selbe.

Da soll man zum einen Technik pauken, auf Körperhaltung, Intonation, Atmung und Stütze achten, den Text natürlich auch halbwegs können und sich - ganz nebenbei - auch noch in die Lage des lyrischen Ichs versetzen. Geht's noch?

Um sich in das lyrische Ich hineinzufühlen, muss man das Stück ja nichtmal selbst singen. Das kann man ja schon beim anhören tun.

Aber Gefühl kann eben auch erst dann entstehen, wenn man sich nicht mehr zu konzentrieren braucht.

Da würde ich jetzt auch nicht zustimmen, ansonsten würden z.B. PC-Spiele überhaupt nicht funktionieren, wenn Gefühle/Emotionen sofort komplett abgeschaltet würden, sobald man sich konzentrieren muss.

Niemand kann Traurigkeit oder Sehnsucht vermitteln, während er eine Gebrauchsanweisung studiert.

Es geht glaube ich hier auch erst mal gar nicht so sehr ums vermitteln, sondern eher darum, sich überhaupt erst mal selbst in das Stück reinzufühlen.
 
Ich würd auch eher sagen "Nu bring da mal Leben rein" als "Versetzte Dich in das lyrische Ich".

Inhaltlich zielen beide Sätze in die gleiche Richtung, ich verwende auch ähnliche Formulierungen, je nach Situation. Aber die Wortwahl spielt ja gelegentlich durchaus eine Rolle, wie wir hier in der Diskussion auch sehen: der Begriff "lyrisches Ich" ist tendenziell negativ besetzt. Andere Formulierungen wie "bringe Leben rein", "Leier das nicht so herunter, entertain me !" sind positiver besetzt. Das ist aber nicht unbedingt gut, weil es unausgewogen ist.

Es ist halt so: beim Reden über Musik helfen aussagekräftige Worte und glaubhafte Haltungen enorm. Wer sich in seiner Wortwahl einschränkt, kann einige Situationen nicht mehr auf den Punkt genau benennen. Das passiert, wenn man den Begriff "lyrisches Ich" ablehnt. Es gibt mit Sicherheit Situationen, wo dieser Begriff das Mittel der Wahl ist, weil er den Kern der Sache trifft. Wenn es für den Schüler besser passt, kann man "das lyrische Ich" natürlich mit anderen Worten umschreiben ("Leben reinbringen" etc.), aber ich fände es sehr ungünstig, diesen Begriff kategorisch abzulehnen und gar nicht zu verwenden. Wer das tut, umschreibt notwendigerweise und redet letztlich um den heißen Brei herum.

Bei Musikunterricht heißt IMHO die Maxime "ausgewogene Kommunikation", und dazu passt es nicht, Begriffe abzulehnen. Es kommt halt auf die Situation und den Schüler an, welche Begriffe und Formulierungen man vorzieht. Die eigene Sprache und die eigenen begrifflichen Vorlieben sollten da zweitrangig sein.

Harald
 
Bei Musikunterricht heißt IMHO die Maxime "ausgewogene Kommunikation"

Dann fang mal gleich mit an und beachte bitte das "eher" in meinem Satz mit ;)

Ich würde allerdings nach wie vor eher ;) Formulierungen verwenden wie "fühl dich da mal rein" - "Stell Dir vor, Du wärst in dieser Situation" etc wenn "Bring Leben rein" nicht passen will(1), aber wenn jemand halt nur "versetz Dich in das lyrische Ich" versteht, warum denn nicht? Der Begriff hat halt bloß nun mal etwas ältlich anmutendes und ich erwarte nicht unbedingt, dass er heute noch verstanden wird.

Normalerweise, wenn ich denn GL wäre, was ich ja nicht bin, denke ich, würde ich die Songs schon kennen, die ich meine Schüler erarbeiten lasse. Und dann weiss ich ja, wie ich sie interpretiere. Dann werde ich auch relativ gezielt(!) Tips geben, wie man das interpretieren kann. Wenn eine Schülerin eigentätig auf eine andere, passende Interpretation kommt, wunderbar. Die sitzt dann aber eh schon im lyrischen Ich ;)

(1) Wo sollte es eigentlich nicht passen? Auch Trauer und Melancholie gehört mitunter zum Leben.
 
Den Grund warum ich "versetz dich in die Lage des lyrischen Ich" schwierig finde, habe ich ja schon genannt.

Ich glaube halt, dass das eine schwierige Aufgabe ist, sich in etwas vielleicht sogar noch völlig Unbekanntes hineinzuversetzen.

Beipiel: ich bin weder religiös noch schwarz, noch arbeitete ich jemals als Sklave auf einem Baumwollfeld. Ich kann also weder das Leid nachfühlen noch den tiefen Glauben an das Heil durch den Herrn.

Das heisst: wenn ich ein Spiritual oder Gospelsong singen möchte, bin ich auf das Nachahmen der Klänge und der Stilistik angewiesen. In die Lage und vor allem den Glauben kann ich mich nicht hineinversetzen. Zumindest nicht ausreichend - nur oberflächlich.
 

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