kypdurron
Helpful & Friendly User
"Du brauchst so ein Gretsch-mäßiges Ding"
- auf gute Freunde soll man hören, die ehrwürdige Firma Gretsch würde sich freuen über solche Marketing-Unterstützung, wie sie ihr hier in meinem letzten Urlaub zuteil wurde. Und eine prima Ausrede, sich mal wieder in Musikläden rumzudrücken … und sich endlich mal an die Welt der Bigsby-artigen heranzuwagen.
Im Internet stößt man dann schnell auf Epiphone und Ibanez, scheinbar die einzigen Companies, die im unteren bis mittleren Preisbereich eine nennenswerte Auswahl in diesem Segment auf die Beine stellen.
Ein Besuch in einem Offline-Geschäft ließ mich etwas ratlos stehen, denn keine Gitarre war ausgepreist. Aber da hing u.a. eine Ibanez in schwarz mit gold sparkle, die gut in der Hand lag, trocken schon mächtig Alarm machte und auf den ersten Blick bis auf eine wacklige Pickup-Aufhängung keine Fehler erkennen ließ. Am Amp biss sie zwar humbucker-mäßig zu, aber bei weitem nicht so schwammig wie andere Gitarren mit fetten Doppelspulern, die daneben hingen. Epiphones waren hier im direkten Vergleich mindestens eine Klasse drunter anzusiedeln.
"Bestimmt eher teuer", dachte ich, und als ich dann den Preis hörte, war die Kreditkarte praktisch schon gezückt. Deutlich unter 400 € für eine Gitarre, die sich so gut anfasst, hier im Showroom klanglich alles bis über den doppelten Preis an die Wand spielt, eine nette Farbe hat und ein Tremolo? Her damit.
Eine mysteriöse Gitarre?
Normalerweise ist das riskant, denn die Händler sind ja nicht doof und verraten bei Spontankäufen nie, ob man gerade mehr zahlt als woanders. Google hatte zur Modellbezeichnung AFS77T aber praktisch nix zu sagen. Kein Händler führte das Gerät, alle Reviews mindestens fünf Jahre alt. Zudem, in dieser Farbe und mit Chrom-Tremolo? Selbst ein Durchstöbern aller Ibanez-Kataloge ab 2005 brachte keine Aufklärung. Da gibt es eine AFS78T, die praktisch so aussieht, aber auf der Rechnung, dem Aufkleber im Korpus und dem hang-tag steht klar eine "77". Nun habe ich also eine Gitarre neu gekauft, die schon lange nicht mehr geführt wird, laut Seriennummer aber trotzdem Bj. 2010 ist und die es laut Prospekten in der Farbe nie gab. Aber weder kann es sich Just Music leisten, Fälschungen zu verkaufen, noch wäre dann wohl ein offizieller Meinl-Inspektionszettel dabei gewesen. Also wird das "illegal alien" schon irgendwie richtig sein. Aufklärung wird gern angenommen
Ausstattung, Verarbeitung
Was gibt es nun für den Kampfpreis? Es gibt eine, natürlich chinesisch-stämmige, auffällig lackierte Full Hollow Body mit Binding, lackiertem Hals, einem VBF70 Tremolo mit Rollerbridge, zwei Humbuckern ohne Kappen und lustigen Inlays, die irgendwie nach Photoshop aussehen. Laut Beschreibung ist die Gitarre komplett aus Ahorn gefertigt. Die Decke weist etwas unkonventionelle Wölbungen auf.
Bei einer Gitarre ist mit ja immer am wichtigsten, dass die Basis stimmt. Die Ansprache muss passen, und es muss gut in der Hand liegen. Den Rest kann man irgendwann anpassen, wenn man will. Bei dieser Gitarre erkenne ich darüber hinaus in der Verarbeitung des Instruments an sich keinen Fehler, was mich bei der aufwändigen Konstruktion schon überrascht hat. Sieht man mal von der poppigen Lackierung ab, macht alles aus Holz und Kunststoff einen wertigen Eindruck, sogar der Sattel. Auch die Bünde sind sauber eingepasst und an den Kanten nicht scharf.
Bei der Hardware kann man natürlich nicht Oberklasse erwarten: Die geschlossenen Tuner würde ich als "mittelgut" bezeichnen: Es gibt wesentlich schlimmeres, aber etwas mehr Widerstand wäre schön. Die Pickups wackeln etwas an ihrem Rahmen. Der Tip auf dem Toggle dreht frei und lässt sich nicht richtig festschrauben. Die Rollen der Bridge neigen etwas zu Rasseln. Kann man sicher mit dickeren Saiten beheben.
Beim Verschrauben dieser Komponenten geben sich die Chinesen dann aber wieder keine Blöße. Auffallend gut, insbesondere im Vergleich zu manch anderen, lizenzierten Bibsbys schneidet übrigens das Ibanez-Trem ab. Es liegt recht gewichtig in der Hand, und führt auch nicht zu allzu schlimmen Verstimmungen. Die Elektrik ist, soweit man das sehen kann, sauber in Schläuchen verlegt. Was ich nicht verschweigen will, ist eine etwas nervige Kontaktschwäche der Buchse. Eigentlich ist so was schnell wieder hingebogen, aber da man nur sehr schlecht rankommt, ist das gar nicht so leicht. Jemand einen Tipp? Solange das so ist, kann sie jedenfalls nicht mit auf die Bühne, und da gehört sie ansonsten einfach hin. Was für eine Gitarre dieser Preisklasse durchaus ein Kompliment ist.
Setup und Zubehör
Laut Waschzettel wird jede Ibanez bei Meinl auf Herz und Nieren geprüft, bevor sie in den Laden kommt. Ob das stimmt weiß ich nicht, aber wenn ja, kann es ein Grund für den guten Ruf der Company bei Käufern preiswerter Gitarren sein. Bei dieser Gitarre gibt es am Setup jedenfalls nix zu meckern. Bei der Saitenlage geht noch was, aber die Bünde sind gut abgerichtet, die Sattelkerben können so bleiben, die Oktavreinheit ist gegeben, die Halskrümmung passt auch.
Ebenfalls erfreulich: Die Gitarre kommt mit d'Addario Markensaiten und, auch in dieser Preisklasse, mit einem sehr ordentlichen Gigbag sowie einem Gurt (den hab ich noch nicht ausgepackt).
Handling
Vom Handling her hat man durch den relativ dünnen Korpus keine große Umstellung von der Solid Body zu befürchten. Das Halsgefühl ist etwas schlanker und der Radius etwas runder als bei Gibson z.B. Spielt sich auffallend un-hakelig, wenn man von der Fender kommt - die meisten Epiphones, die ich verglichen habe, fühlten sich deutlich fremder an. Durch die komplette Hohlbauweise ist die Gitarre natürlich sehr leicht für ihre Größe. Die Waage sagt 3,3 kg.
Sound
Schon trocken ist auffällig, wie laut und kräftig die Gitarre klingt. Untenrum etwas topfig, aber sehr charaktervoll und resonant, spritzig und mit viel, viel Sustain. Die Humbucker weisen laut Ibanez einen schwächeren Output auf, der sich an Rockabilly- Spieler richtet. Am Amp zeigen sich ein kräftiger Bass und tragende Höhen, zwar ein warmer Grundcharakter, aber mit einer deutlichen Nuance in den oberen Mitten und sehr durchsetzungsfähige Eigenschaften bei Leads. Dabei bleibt das typische, bauartbedingt leicht glasig-offene Klangbild immer erhalten. Die Akkorde lösen nicht ganz so transparent auf wie bei Single Coils, klingen aber auch nicht völlig zugeschmiert.
Mir persönlich ist das teilweise immer noch einen Tick zu dick, aber dieser typische, leicht bröselige Rock n Roll Crunch kommt sehr gut raus, und auch für die Country-Ecke hat man noch knapp genug Biss im Ton. Am Halspickup sind auch warme, tragende Akkorde gut machbar.
Mit High Gain oder auch nur kräftigerem Overdrive sollte man die Gitarre allerdings nicht konfrontieren. Bauartbedingt fängt dann sehr schnell alles an zu schwingen und dicke, tragende, vibrierende Saitenrückkopplungen brechen sich Bahn. Das kann man natürlich, z.B. im Indierock, auch gut einsetzen.
So bekommt man hier für sehr schmales Geld eine aufwändig konstruierte und sauber gefertigte Gitarre mit ausgeprägt musikalischem Charakter, die aber bei der Hardware noch Luft nach oben hat. Das macht unterm Strich ein mehr als faires Package, an dem sich andere holz verarbeitende Betriebe im Budget-Bereich durchaus noch was abschauen können.
- auf gute Freunde soll man hören, die ehrwürdige Firma Gretsch würde sich freuen über solche Marketing-Unterstützung, wie sie ihr hier in meinem letzten Urlaub zuteil wurde. Und eine prima Ausrede, sich mal wieder in Musikläden rumzudrücken … und sich endlich mal an die Welt der Bigsby-artigen heranzuwagen.
Im Internet stößt man dann schnell auf Epiphone und Ibanez, scheinbar die einzigen Companies, die im unteren bis mittleren Preisbereich eine nennenswerte Auswahl in diesem Segment auf die Beine stellen.
Ein Besuch in einem Offline-Geschäft ließ mich etwas ratlos stehen, denn keine Gitarre war ausgepreist. Aber da hing u.a. eine Ibanez in schwarz mit gold sparkle, die gut in der Hand lag, trocken schon mächtig Alarm machte und auf den ersten Blick bis auf eine wacklige Pickup-Aufhängung keine Fehler erkennen ließ. Am Amp biss sie zwar humbucker-mäßig zu, aber bei weitem nicht so schwammig wie andere Gitarren mit fetten Doppelspulern, die daneben hingen. Epiphones waren hier im direkten Vergleich mindestens eine Klasse drunter anzusiedeln.
"Bestimmt eher teuer", dachte ich, und als ich dann den Preis hörte, war die Kreditkarte praktisch schon gezückt. Deutlich unter 400 € für eine Gitarre, die sich so gut anfasst, hier im Showroom klanglich alles bis über den doppelten Preis an die Wand spielt, eine nette Farbe hat und ein Tremolo? Her damit.
Eine mysteriöse Gitarre?
Normalerweise ist das riskant, denn die Händler sind ja nicht doof und verraten bei Spontankäufen nie, ob man gerade mehr zahlt als woanders. Google hatte zur Modellbezeichnung AFS77T aber praktisch nix zu sagen. Kein Händler führte das Gerät, alle Reviews mindestens fünf Jahre alt. Zudem, in dieser Farbe und mit Chrom-Tremolo? Selbst ein Durchstöbern aller Ibanez-Kataloge ab 2005 brachte keine Aufklärung. Da gibt es eine AFS78T, die praktisch so aussieht, aber auf der Rechnung, dem Aufkleber im Korpus und dem hang-tag steht klar eine "77". Nun habe ich also eine Gitarre neu gekauft, die schon lange nicht mehr geführt wird, laut Seriennummer aber trotzdem Bj. 2010 ist und die es laut Prospekten in der Farbe nie gab. Aber weder kann es sich Just Music leisten, Fälschungen zu verkaufen, noch wäre dann wohl ein offizieller Meinl-Inspektionszettel dabei gewesen. Also wird das "illegal alien" schon irgendwie richtig sein. Aufklärung wird gern angenommen
Ausstattung, Verarbeitung
Was gibt es nun für den Kampfpreis? Es gibt eine, natürlich chinesisch-stämmige, auffällig lackierte Full Hollow Body mit Binding, lackiertem Hals, einem VBF70 Tremolo mit Rollerbridge, zwei Humbuckern ohne Kappen und lustigen Inlays, die irgendwie nach Photoshop aussehen. Laut Beschreibung ist die Gitarre komplett aus Ahorn gefertigt. Die Decke weist etwas unkonventionelle Wölbungen auf.
Bei einer Gitarre ist mit ja immer am wichtigsten, dass die Basis stimmt. Die Ansprache muss passen, und es muss gut in der Hand liegen. Den Rest kann man irgendwann anpassen, wenn man will. Bei dieser Gitarre erkenne ich darüber hinaus in der Verarbeitung des Instruments an sich keinen Fehler, was mich bei der aufwändigen Konstruktion schon überrascht hat. Sieht man mal von der poppigen Lackierung ab, macht alles aus Holz und Kunststoff einen wertigen Eindruck, sogar der Sattel. Auch die Bünde sind sauber eingepasst und an den Kanten nicht scharf.
Bei der Hardware kann man natürlich nicht Oberklasse erwarten: Die geschlossenen Tuner würde ich als "mittelgut" bezeichnen: Es gibt wesentlich schlimmeres, aber etwas mehr Widerstand wäre schön. Die Pickups wackeln etwas an ihrem Rahmen. Der Tip auf dem Toggle dreht frei und lässt sich nicht richtig festschrauben. Die Rollen der Bridge neigen etwas zu Rasseln. Kann man sicher mit dickeren Saiten beheben.
Beim Verschrauben dieser Komponenten geben sich die Chinesen dann aber wieder keine Blöße. Auffallend gut, insbesondere im Vergleich zu manch anderen, lizenzierten Bibsbys schneidet übrigens das Ibanez-Trem ab. Es liegt recht gewichtig in der Hand, und führt auch nicht zu allzu schlimmen Verstimmungen. Die Elektrik ist, soweit man das sehen kann, sauber in Schläuchen verlegt. Was ich nicht verschweigen will, ist eine etwas nervige Kontaktschwäche der Buchse. Eigentlich ist so was schnell wieder hingebogen, aber da man nur sehr schlecht rankommt, ist das gar nicht so leicht. Jemand einen Tipp? Solange das so ist, kann sie jedenfalls nicht mit auf die Bühne, und da gehört sie ansonsten einfach hin. Was für eine Gitarre dieser Preisklasse durchaus ein Kompliment ist.
Setup und Zubehör
Laut Waschzettel wird jede Ibanez bei Meinl auf Herz und Nieren geprüft, bevor sie in den Laden kommt. Ob das stimmt weiß ich nicht, aber wenn ja, kann es ein Grund für den guten Ruf der Company bei Käufern preiswerter Gitarren sein. Bei dieser Gitarre gibt es am Setup jedenfalls nix zu meckern. Bei der Saitenlage geht noch was, aber die Bünde sind gut abgerichtet, die Sattelkerben können so bleiben, die Oktavreinheit ist gegeben, die Halskrümmung passt auch.
Ebenfalls erfreulich: Die Gitarre kommt mit d'Addario Markensaiten und, auch in dieser Preisklasse, mit einem sehr ordentlichen Gigbag sowie einem Gurt (den hab ich noch nicht ausgepackt).
Handling
Vom Handling her hat man durch den relativ dünnen Korpus keine große Umstellung von der Solid Body zu befürchten. Das Halsgefühl ist etwas schlanker und der Radius etwas runder als bei Gibson z.B. Spielt sich auffallend un-hakelig, wenn man von der Fender kommt - die meisten Epiphones, die ich verglichen habe, fühlten sich deutlich fremder an. Durch die komplette Hohlbauweise ist die Gitarre natürlich sehr leicht für ihre Größe. Die Waage sagt 3,3 kg.
Sound
Schon trocken ist auffällig, wie laut und kräftig die Gitarre klingt. Untenrum etwas topfig, aber sehr charaktervoll und resonant, spritzig und mit viel, viel Sustain. Die Humbucker weisen laut Ibanez einen schwächeren Output auf, der sich an Rockabilly- Spieler richtet. Am Amp zeigen sich ein kräftiger Bass und tragende Höhen, zwar ein warmer Grundcharakter, aber mit einer deutlichen Nuance in den oberen Mitten und sehr durchsetzungsfähige Eigenschaften bei Leads. Dabei bleibt das typische, bauartbedingt leicht glasig-offene Klangbild immer erhalten. Die Akkorde lösen nicht ganz so transparent auf wie bei Single Coils, klingen aber auch nicht völlig zugeschmiert.
Mir persönlich ist das teilweise immer noch einen Tick zu dick, aber dieser typische, leicht bröselige Rock n Roll Crunch kommt sehr gut raus, und auch für die Country-Ecke hat man noch knapp genug Biss im Ton. Am Halspickup sind auch warme, tragende Akkorde gut machbar.
Mit High Gain oder auch nur kräftigerem Overdrive sollte man die Gitarre allerdings nicht konfrontieren. Bauartbedingt fängt dann sehr schnell alles an zu schwingen und dicke, tragende, vibrierende Saitenrückkopplungen brechen sich Bahn. Das kann man natürlich, z.B. im Indierock, auch gut einsetzen.
So bekommt man hier für sehr schmales Geld eine aufwändig konstruierte und sauber gefertigte Gitarre mit ausgeprägt musikalischem Charakter, die aber bei der Hardware noch Luft nach oben hat. Das macht unterm Strich ein mehr als faires Package, an dem sich andere holz verarbeitende Betriebe im Budget-Bereich durchaus noch was abschauen können.
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