Musik zu machen, zu improvisieren, und wohl auch zu komponieren ist wohl das Schwierigste, was man lernen kann. Grund ist, dass man keine Zeit hat. Jeder Ton muss -fast- auf die Millisekunde genau gespielt werden. Nicht im mathematischen Sinn auf ein fixes Zeitraster bezogen, sondern auf seinen musikalisch betrachtet richtigen Zeitpunkt.
Ein ganzheitlicher Ansatz es lernen zu wollen scheitert bei den meisten daran, dass es viel zu viele Dinge sind, die gleichzeitig beachtet werden müssen und die aber im Kopf zunächst einmal ungewichtet und gleichberechtigt nebeneinander koexistieren. Es beginnt mit der Technik, welcher Finger muss wie aufgesetzt werden, um eine geforderte Note überhaupt zum Klingen zu bringen? Wie muss es gestaltet werden? Percussiv, ostinat? Was ist mit der Dynamik? Was ist mit dem Anschlag? Was ist mit Soundgeschichten? Passt das überhaupt jetzt in den Kontext. Und überhaupt: Der Kontext muss wahrgenommen werden, jedes einzelne Instrument, was machen Drums gerade? Wo ist der Bass? Wie komme ich dem Keyboard nicht in die Quere usw. usf.
Vor diesem Hintergrund zu raten, erst mal Spielen zu lernen halte ich für ziemlich .. hm... arrogant.
Es kann nur so sein, dass jedes Themengebiet zunächst einmal als existent akzeptiert und dann mit entsprechenden Methoden isoliert und natürlich auch in der Gesamtheit (denn das ist ja das Ziel: Man möchte Musik machen, oder?) entwickelt werden muss.
Rhythmus? Klar, dafür gibt es schöne Übungen. Ist hier nicht Thema, aber unbedingt machen! Denn lernt man, sich in verschiedenen rhythmischen Kontexten zurechtzufinden, man lernt auf, und später vor oder hinter dem Punkt zu spielen. Man eintwickelt ein Gespür für Spannungsverläufe usw.
Skalen? Natürlich üben. Keine Frage. Und jede Skala bringt allein schon so viele technische Schwierigkeiten mit, dass es sich schon allein deswegen lohnt. Skalen: diatonische Skalen lernen. Ihre Bezeichnung helfen zwar, um sie sich zu merken, und um ihnen einen Charakter, den man in der Kommunikation z.B. zwischen Musikern: "Dorisches Feel im II-V-Kontext" und jeder weiß, wie es in etwa klingen wird. Lydisch? Ebenfalls: "Geheimnisvoll" usw. also kann man sich in etwa schon innerlich darauf vorbereiten. Moll ist traurig, Dur ist fröhlich. Wenn man aber aus Unwissenheit durch eine schwere Moll-Ballade munter Dur-Dreiklänge spielt, dann sägt man durch das Stück wie eine Flex durch eine Torte. Oder anders gesagt braucht man nicht auf den angekündigten Anruf warten ..."Gib mal Deine Telefonnummer, wir rufen Dich an"
Also Tonarten/Skalen: Lerne alle Tonarten in allen Lagen, alle diatonischen Modes einmal quer durch den Quintenzirkel. Lerne Terzschichtungen und nähere Dich so dem Thema Arpeggien und Akkorde. Lerne alle Lagen auf dem Griffbrett und erlange auf diese Weise die Freiheit, Dich mit jedem verfügbaren Ton ausdrücken zu können. Lasse Töne weg und gelange so zu den pentatonischen Skalen. Füge Töne hinzu und lerne auf diese Weise chromatische Durchgangstöne. Lerne, sie als Leitton/Terz zu deuten und nähere Dich so der Funktionsharmonik.
Singe jeden einzelnen Ton, wenn Du ihn spielst. Und höre jeden Ton im Kontext. Lege einen Akkord darunter. Z.B. einen Dm oder Dm7 und spiele darüber die C-Dur-Tonleiter. Permutiere das über alle Skalen und alle Akkorde, die Du aus der Skala bilden kannst.
Danach machst Du das Ganze auch mit Harmonisch Moll und Melodisch Moll.
Schaue Dir danach die Verminderte (°) und die Ganzton (+) Tonleitern an, gewöhne Dich an ihren Klang.
Und immer wieder: Trenne Üben von Spielen. Üben und Spielen sind grundsätzlich unterschiedliche Dinge. Wenn Du übst, dann übst Du und solltest Dich auf das, was Du üben willst, konzentrieren bis Du das Gefühl hast, dass es Teil Deines Vokabulars geworden ist.
Singen ist übrigens der Schlüssel, um eine Tonhöhe oder einen Ton innerlich voll umfänglich wahrzunehmen.
Besorg Dir Material über Hörtraining. Transkribiere.
Ob bei Dir daraus Musik wird? Ich denke, dass es dafür keine Garantie geben kann. Was Du daraus machen willst, das bleibt Dir überlassen. Ob Du den Mut haben wirst, in einer Mollballade ganz bewusst Durterzen und damit geniale harmonscihe Akzente zu setzen (für die Du später garantiert wieder angerufen wirst.. außer von den Schwachmaten, die das für unkorrekt, weil nicht durch die Theorie gedeckt halten), oder ob Du als Tanzmucker versauern wirst, das liegt ganz allein bei Dir.
Grüße Thomas
---------- Post hinzugefügt um 19:34:15 ---------- Letzter Beitrag war um 19:26:25 ----------
Ach so. die Frage war, "reicht Dur & Moll"..
Ja, damit schaffst Du 75% aller gängigen Radiostücke.
Nimm Harmonisch Moll hinzu und Du schaffst -sagen wir mal- 85%
Nimm vermindert hinzu und Du kommst auf 90%
Melodisch Moll 95%
Ganzton 97%
Und die restlichen drei Prozent teilen sich Chromatisch und exotische Skalen.
Grüße Thomas