Was ist sinnvoller beim Üben?

  • Ersteller grollimolli
  • Erstellt am
Hallo Brückentroll,

ja, Du hast Recht: Anfänger dürften damit überfordert sein. Es ist aber auch nur ein Hinweis auf bestimmte Übungsmethoden. Es passiert z.B. auch bei Jugend-musiziert-Wettbewerben, dass SpielerInnen aus der Spur geraten und trotz mehrfachem neuen Ansetzen nicht wieder ins Spiel finden und abbrechen müssen. Das ist wohl in erster Linie dem "Fingerdedächtnis" geschuldet, denn das setzt einen ununterbrochenen, störungsfreien Spielfluss voraus (s. "hustende Fliege"!). "Mentales" Spielen ist gegen Störungen dagegen eher unempfindlich, denn dabei hat man
entweder das Notenbild oder noch besser die Musik selbst vor dem geistigen Auge und kann dadurch an jeder beliebigen Stelle wieder beginnen. Ich meine, dass diese Hinweise zum Üben auch für Anfänger hilfreich sein können, in der Hinsicht, dass sie sich nicht nur auf die Finger verlassen, nach der Devise: die Finger werden schon wissen, wohin sie müssen. Der Schuss kann nämlich auch nach hinten losgehen, wie das Beispiel eines sehr prominenten deutschen Akkordeonlehrers zeigt, der mal auf der Bühne als Solist daran scheiterte, dass seine Finger (im Bass) absolut nur dorthin wollten, wo sie es "gewohnt" waren, obwohl das Stück einen anderen Fingersatz erforderte. Nach drei vergeblichen Versuchen ging er entnervt von der Bühne.

Gruß
play_bach
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 2 Benutzer
Es passiert z.B. auch bei Jugend-musiziert-Wettbewerben, dass SpielerInnen aus der Spur geraten und trotz mehrfachem neuen Ansetzen nicht wieder ins Spiel finden und abbrechen müssen. Das ist wohl in erster Linie dem "Fingerdedächtnis" geschuldet, denn das setzt einen ununterbrochenen, störungsfreien Spielfluss voraus (s. "hustende Fliege"!). "Mentales" Spielen ist gegen Störungen dagegen eher unempfindlich, denn dabei hat man entweder das Notenbild oder noch besser die Musik selbst vor dem geistigen Auge und kann dadurch an jeder beliebigen Stelle wieder beginnen.
Ja! Das kann ich bestätigen! Ich spiele regelmäßig (auswendig) Musettemusk bei Veranstaltungen mit einem Geräuschpegel, bei dem ich mich nicht immer komplett selbst hören kann (spiele ich lauter, stört es die Gäste ...). Und immer wieder muss ich auch noch anderen Umständen begegnen, z.B. Kellner oder Gästen, mit denen ich beim Herumgehen nicht kollidieren darf, oder Gästen, die sich mit mir während des Spielens noch unterhalten wollen - da geht die Konzentration schon mal flöten und ich verliere kurzzeitig den Faden. Aber da ich schon lange mit der Methode "Mentales Spielen" mein Auswendigspielen trainiere, gelingt es mir viel besser als früher, auf den passenden Harmonien zu improviseren und sehr schnell wieder in das Stück zurückzufinden.

Abgesehen davon sollte das Auswendigspielen m.E. ohnehin Ziel des Übens sein, denn erstens sieht es für das Publikum viel besser aus, wenn man sich nicht hinter den Noten verkriecht (die Leute schauen nun mal gern auf die Hände des Spielers), zweitens gelingt die Abstimmung mit Mitspielern viel besser, wenn man sich gegenseitig im Auge behält, und drittens kann man seine Konzentration ganz der Spieltechnik und musikalischen Gestaltung widmen und muss nicht zusätzlich noch die Noten lesen (was bei Auftritten mit ungewohnten Steh- oder Sitzverhältnissen, ungünstiger Beleuchtung, ungewohnter Akkustik oder bei Nebengeräuschen auch schon mal ein Kraftakt werden kann , unter dem die Darbietung dann leidet).
 
also, wenn ich mir jetzt auch noch Gedanken über Fingergedächtnis und metalem Spielen machen würde , dann könnte ich garnichts mehr lernen, das ist grad so, als wenn man einen Tausendfüssler fragt, wie er es schafft mit seinen vielen Beinen zu laufen, das geht einfach automatisch
 
also, wenn ich mir jetzt auch noch Gedanken über Fingergedächtnis und metalem Spielen machen würde , dann könnte ich garnichts mehr lernen, das ist grad so, als wenn man einen Tausendfüssler fragt, wie er es schafft mit seinen vielen Beinen zu laufen, das geht einfach automatisch
"Mentales Lernen" klingt vielleicht etwas zu tehoretisch /akademisch für das, was gemeint ist. Jeder entwickelt dafür wohl eigene Umsetzungen. Ganz simpel gesagt, sind es folgende Schritte:
Erster Schritt: Das Stück nach Noten einüben.
Zweiter Schritt: Das Stück mit verriegeltem Balg spielen: Man liest die Noten, drückt nach eingeübtem Fingersatz die Tasten - hört aber nichts. Die Melodie singt, summt oder pfeift man vor sich her, später dann entsteht sie ausschließlich im Kopf vor dem inneren Ohr.
Dritter Schritt: Instrument zur Seite legen, die Noten zur Hand nehmen und nach dem Notenblatt die Melodie vor dem inneren Ohr entstehen lassen und dabei die Finger dem eingeübten Fingersatz folgend bewegen - erst tatsächlich bewegen, z.B. auf der Stuhllehne oder frei in der Luft, später dann nur in Gedanken.
Letzter Schritt: Hinsetzen oder legen, Augen schließen, die Melodie vor dem inneren Ohr ablaufen lassen, und dabei die Finger bewegen, zuerst noch tatsächlich, später dann auch nur noch in Gedanken.
Insgesamt sieht das dann vergleichsweise so aus, wie z.B. Skiläufer oder Bobfahrer kurz vor dem Start im Fernsehen zu sehen sind: Die stehen auf einem Punkt, und man sieht, wie sie in Gedanken den bevorstehenden Lauf vor dem inneren Auge absolvieren - sie gehen in großer Konzentration mit angedeuteten Bewegungen den bevorstehenden Parcour nur in Gedanken durch. Das sieht lustig aus, aber sie würden es nicht machen, wenn es nicht hilfreich wäre. Und das funktioniert prima auch beim Üben des Auswendigspielens. Man muss sich zwar sehr konzentrieren, aber machst Du solche Übungen regelmäßig abends vor dem Einschlafen, wird sich Deine Leistung im Auswendigspielen spürbar verbessern. Versprochen.
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 4 Benutzer
Hallo Zamas
ich werd mir deine Beschreibung ausdrucken und ausprobieren, du hast es jetzt sehr gut erklärt. Vielen Dank ! Bin nämlich gerade dabei ein für mich schwieriges Stück zu erlernen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn ich mehr Zeit hätte, würde ich gern einen neuen Thread zum Thema "Kellner umschiffen und verbale Fanpflege während einer Performnce im Resaturant" anzetteln...

Zur Sache: Wenn man ein Stück im ersten Schritt nach Noten einübt, ist man doch eigentlich schon fertig...? Denn dann kann man es doch schon spielen...? Vielleicht nicht auswendig - aber man kann es. In dem Moment hat man das taktile Gedächtnis schon so weit trainiert, dass es vorherrscht.

Ich halte das auch nicht für besonders schlimm! Technische Schwierigkeiten sind wohl eigentlich die Hauptsache, die man beim Üben abzutragen hat. Vielleicht muß man manchmal noch an der eigenen Auffassung arbeiten, falls man dort überhaupt Defizite bemerkt - und dann sind es wieder die damit zusammenhängenden technischen Probleme.

Frage: in Deiner Reihenfolge legst Du als letztes die Noten weg. Warum? Ich kann je nach Sachlage manchmal das Stück eher auswendig als alles andere. Nur selten (if i play bach e.g.) entfällt mir der thematische Faden.

Ich denke, jede Musik und jeder Spieler braucht eine eigene Lernstrategie. Außerdem ändert es sich im Laufe des Lebens.

Ein Anfänger muß erst einmal üben, jeden Finger oder die Hände unabhängig voneinander zu bewegen. Dabei kann die Musik so einfach sein, dass er den Notentext (oder die Melodie) sofort begreift.
Später hat er die Bewegungsabläufe ohne Übung voll drauf (z.B. Oberkrainer) und lernt nur noch musikalische Strukturen. Der selbe Spieler wird aber sofort wieder zum Anfänger, wenn er z.B. die Rollen der Hände tauschen muß.

Ein letzter Punkt:
Gerade Bach oder manchmal Neue Musik (auch die spiele ich lieber auswendig) habe ich nach der von Dir beschriebenen Methode gelernt: Im Bett. Licht aus, Stück beginnt.
Es ist sooooo mühsam, die Takte aus dem Gehirn zu rekonstruieren und wenn man drei Takte (aus einer schriewirgen Struktur) geschafft hat, was durchaus schon mal 10 Minuten dauern kann, bin ich hellwach und stosse an irgendeine Grenze. Dann muß ich aufgeben weil ich schlafen will (demotiviert aber) oder ich greife zum Buch und arbeite die halbe Nacht durch. (nicht gerade gesund)

Es gibt auch lange keinen spürbaren Zusammenhang. Denn um im Ernstfall nutzbar zu sein, muß die Rekonstruktion im Gedächtnis in Echtzeit funktionieren. Bei diesem Schneckentempo bleibt es Therorie und nützt im Falle eines Fehlers nicht viel.

Trotzdem stimme ich Dir vollkommen zu, denn die Denkweise ist genau das, was am Ende übehaupt noch entwickelt werden kann, nachdem man das Stück eigentlich kann. Jeder weiß es:
Zu hause ging es doch noch ...

Es geht eigentlich darum, die Konzentration zu stärken.

---------- Post hinzugefügt um 15:37:55 ---------- Letzter Beitrag war um 15:27:13 ----------

Noch was Wichtiges vergessen:

So darf m natürlich nur Üben!!! Bei einer Performance muß man das alles wieder vergessen können und Emotionen ranlassen. ... auch ein weites Feld, wie man das Ein.. und Ausschaltet.

Völlig falsch:

Im Kämmerlein nach dem Motto "Es macht ja so einen Spass zu spielen", Emotionen voll an, Gedächtnis aus.

Auf der Bühne "Was habe ich mir hier eingebrockt, ich weiß ja nicht einmal welchen Finger ich zuerst nehmen soll" Gedächtnis voll an, Emotionen aus.
 
Hallo Zamas
ich habe es gerademal versucht, es ist für mich schon ein Problem das nachzuvollziehen,

denn ich weiss ich ja garnicht, ob ich mich mental vertippe ? Ich höre ja nichts ! Wenn ich normal spiele, höre ich meine Fehler, das kann ich dann verbessern und üben .....aber so ist das wie Schattenboxen.....sicherlich kann man das nicht so schnell erlernen, aber ich glaub da komm ich eher ins Durcheinander. Das ist nicht so das Wahre für mich.
Wenn ich das noch 100 mal spiel kann ich es auch auswendig, bin eben doch mehr der Tausendfüssler
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo Community!
Also ich spiel haupsächlich Oberkrainer(is gar nicht so leicht wie jetzt manche denken!!!!!!)und auch so Stücke wie Tico Tico oder Tanzende Finger.Die Letzteren lernte ich nach Noten ein,nach einer Woche gingen sie perfekt auswändig und so halbwegs flüssig.Lernstrategie hab ich keine,ich spiele einfach ein Stück einfach immer so lang,bis wieder ein Teil geht.Sprich,ich gehe teil für Teil vor.
Bei den Oberkrainern mach ich das so:Gefällt mir ein Stück,höre ich es einfach von der Aufnahme herunter.Das geht ganz gut,stehe ich mal bei ein paar Griffen oder bei einem ganzen Lied:D an,hilft mir mein Vater oder Musiklehrer.Find ich so besser als nach Noten lernen,da viele Oberkrainernoten von bekannten Verlagen einfach fehlerhaft sind und so auch das Hirn ein bisschen gefordert- und fördert wird.
 
Naja, ich habe meine Vorgehensweise geschildert - sie ist nicht exakt so, aber mir ging es darum, meine Gedanken dazu strukturiert kundzutun, und dann kommt eben schon mal ein eher abstrakt-theoretisches Gebilde dabei heraus ...

Mein Posting bezog sich auch weniger auf die Frage, wie man ein Stück so erlernt, dass man es auswendig spielt. Vielmehr wollte ich auf die Schilderung eingehen, dass es verschiedene Möglichkeiten des Auswendigspielens gibt, nämlich eine, die mit dem "Fingergedächtnis" funktioniert und auch schon mal durcheinander gerät, und eines die irgendwie nachhaltiger ist und einen verloren gegangenen Faden leichter aufzunehmen hilft.

Es prüfe sich jeder selbst und versuche, ein auswendig gespieltes Stück nicht von Anfang an zu spielen, auch nicht von einer markanten Stelle aus, z.B. dem Beginn des Trios o.ä., sondern einfach mal mittendrin. Schafft man die Stelle nur dann, wenn man sie von einem markanten Punkt aus anspielt, dann arbeitet man eher mit dem "Fingergedächtnis", mit der etwas intensiveren Technik sollte eine solche Übung leichter fallen. Und dann geht es im "Echtbetrieb" vor Publikum auch leichter.

Aber wie gesagt: Das ist meine ureigene Auffassung, die für mich passt. Es gibt sicher auch andere Lösungen, die genauso gut, vielleicht ja sogar besser funktionieren. Ich möchte auch niemanden missionieren.:)
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo,

@zamas - Deine vorgehensweise hast du gut erklärt. Ich werde das auch mal versuchen. Ich habe mir den oben genannten Artikel durchgelesen - sehr interessant - und habe aber diese Mentale Sache nicht so ganz verstanden.

Mir ist jetzt auch das erste Mal klar was mit Fingergedächtnis gemeint ist. Ich habe ja mal Unterricht gehabt (vor 6 Jahren auf Pianoakkordeon) und jede Menge Stücke gespielt. Es war aber immer so , dass wenn ich neue Stücke lernte ich die alten völlig vergessen habe -- null Erinnerung an Note oder Fingersatz, außer vielleicht die Melodie. Das ist irgendwie frustig gewesen.
Aber merkwürdigerweise konnte ich sogar vor paar Monaten einige Stücke teilweise spielen, einfach weil sie in den Fingern waren, sobald ich stockte, überlegte oder abgelenkt wurde war sofort aus --- ich konnte noch nicht mal sagen welche Noten ich spielte, weil die Hände das machten.
Natürlich konnten ich auch nur an bestimmten Stellen starten ---- das kann es ja wirklich nicht sein was man anstrebt.
Also versuche ich jetzt vor dem geistigen Auge zu spielen , wie welcher Finger zu welchem Knopf gehen und erzeuge dabei die Musik im Kopf.





Der obige Artikel ist aber auch extrem frustrierend, da man so viel falsch machen kann, bzw. seine Beschränkungen nicht findet und so auch nicht beseitigen kann.
Abgesehen von der Lernfähigkeit in Abhängigkeit des alters.....:(

Die Sache mit dem Parallelpielen habe ich überhaupt nicht verstanden - geht die Methode auch auf Knopfakkordeon :confused:


Dann die Sache mit dem Langsam üben (laut Text nicht gut aber wohl ab und an nötig) und getrennt spielen (laut Text auch nicht gut, aber auch nötig ).

Das verstehe ich nicht so ganz, spiele ich gleich schnell dann hört sich alles irgendwie hakelig und holprig an und man verspielt sich schneller:(
Wie geht man denn nun richtig vor:confused:


Ich habe mir jetzt überlegt es mal so zu versuchen wie im Text angedeutet, kurze Passagen (falls notwendig auch nur 2 oder 3 Takte) oft zu wiederholen und schnell das Tempo zunächst einhändig zu steigern und dann zusammen. Im Text wurde ja vorgerechnet, wie viel Zeit vergeht um 1000 mal ein Stück langsam zu üben , also stattdessen die schweren Stellen in weniger Zeit oft üben......Ist das ratsam, so wie das vorgeschlagen wird:confused::confused::confused:

Sinnvoll könnte es ja sein. Ich kann mich erinnern, dass ich damals die Stücke immer so geübt habe, dass ich abschnittsweise vorgegangen bin, aber sobald ein Abschnitt einigermaßen ging spielte ich immer von Anfang an bis zu dieser Passage. Resultat, ich konnte meistens die erste Seite sicherer spielen als den Rest des Stückes, welchen ich dann auch schneller vergaß.:gruebel:

Vielleicht noch eine letzte Frage - Triller , wie üben.

Ich erinnere mich an den Unterricht, dass mir das mit zählen der Schläge usw. nicht beigebracht wurde. Eher, triller gleichmäßig schnell und stoppe nach Gefühl???:confused:

Ich habe jetzt nochmals geübt, in der Literatur steht immer dass man 4 sechzehntel für eine Halbe Note spielen soll. Fange ich ganz langsam an (und zähle mit) ist es OK, werde ich schneller so verliere ich die Kontrolle welcher Finger wie oft schon angeschlagen hat. Also doch nach Gefühl und Gehör:confused:


Insgesamt eine interessanter Thread.

Gruß
meisterfisch
 
Zamas, ich finde Du hast das sehr schön beschrieben, ob ich das so anwenden kann? Ich weiß es nicht, kann es aber mal probieren. Was ich festgestellt habe, meine Finger haben offensichtlich auch schon ein "Gedächtnis" Ich habe schon öfters mal festgestellt, dass meine Finger von alleine dahin gehen, wo sie sollen. Ich bin auch schon oft im Gedanken was durchgegangen. Aber mit geschlossenen Balg Fingersätze üben? Das sehe ich wie tauberspatz, da höre ich doch nicht, wenn ich falsch bin. Meinen Michael Jackson spiele ich nach Noten, ich denke ich kann ihn im Prinzip auswendig, habe Teile davon jedenfalls schon auswendig gespielt. Auf Grund der Länge des Liedes und so einigen Wiederholungen, weiß ich nicht ob ich die richtig hin bekomme, aber sollte ich das Lied jemals irgendwo vorspielen, würde solche Fehler wahrscheinlich niemand hören. Ich denke jeder muss da seine eigenen Technik raus finden.

Gruß grollimolli
 
Hallo meisterfisch,

da ich sozusagen an diesem Thema "schuld bin", möchte ich mich dazu noch mal äußern:
Es gilt meiner Meinung nach die alte Regel: Wer langsam übt, übt schnell.
Meine Erfahrung ist die, dass man möglichst schnell beidhändig ein Stück üben sollte, wenn auch langsam.
Dass da zunächst das "Fingergedächtnis" angesprochen wird, ist glaube ich ganz natürlich. Man muss sich dazu nur mal anhören, was Hirnforscher in den letzten Jahren an Erkenntnissen in dieser Hinsicht gewonnen haben. Das Gehirn kann man wie einen Muskel ansehen. Training lässt ihn wachsen, Untätigkeit verkümmern. Da jede Aktivität, die wir machen, im Hirn elektrische Impulse zwischen den Nervenzellen auslöst und bei wiederholter Aktivität dadurch neue Verbindungen (Synapsen) zwischen diesen Nervenzellen wachsen, werden bestimmte Abläufe im Gehirn wie auf einer Festplatte oder einer CD "eingebrannt", d.h. es werden - wie bei den Pawlowschen Hunden - bei bestimmten Signalen damit verbundene Reflexe ausgelöst. Bei den Hunden war es der Speichelfluss auf ein Glockenzeichen hin, bei den Musikern ist es auf das Signal eines bestimmten Klanges hin der einprogrammierte Fingersatz. An jeder Stelle eines Musikstücks "wissen" die Finger, wohin sie als nächstes greifen müssen. Auch Tänzer profitieren von dieser einzigartigen "Mechanik" unseres Gehirns, sonst könnten sie sich nicht jeden Schritt merken. Das gleiche trifft für Balletttänzer, Eiskunstläufer usw. zu, also für alle Menschen, bei denen Bewegungen und Klänge "zusammengeschaltet" sind zu programmierten Abläufen.
Ich habe die Hinweise im Buch so verstanden, dass diese Stufe die erste ist, die sich quasi automatisch bei intensivem Üben einstellt. Die nächste Stufe ist die, bei der die Finger sich mit der bildlichen Vorstellung der Tasten verbinden oder auch des Notenblattes. Ich glaube zu verstehen, dass der Autor dies schon als "mentales Spielen" bezeichnen würde, da man es nun nicht mehr den Fingern überlässt, das Stück zu spielen, sondern der Automatismus des "Fingergedächtnisses" ersetzt wird durch die mentale Vorstellung des Notenblattes. Ein berühmter deutscher Klavierprofessor bringt es fertig, im Flugzeug die Noten eines Stückes zu lesen, um es danach gleich auswendig zu spielen (er spricht übrigen auch 5 Sprachen fließend). Das geht nur mit einem fotografischen Gedächtnis, bei dem das Lesen wie ein Kopierer funktioniert: gelesen - abgespeichert - ausgeführt.
Aber auch bei "normalen" Menschen kann es im Laufe der Zeit dazu kommen, dass sie wenigstens teilweise in der Lage sind, mental zu spielen. Das mag anfangs noch eine Mischung aus "Fingergedächtnis" und "innerem Auge" sein, was ja auch schon sehr gut ist.
Resümmee: Niemand soll sich jetzt plötzlich von "seiner" Übungsmethode verabschieden. Allerdings kann man selbst testen, wie weit entfernt oder wie nahe man schon an der mentalen Spielweise ist.
Eine Frage ist in diesem Zusammenhang überhaupt noch nicht diskutiert worden, nämlich wie man beim Vortrag, also wenns dann mal wirklich darauf ankommt, seine Nervosität bekämpft. Vielen Anfängern gehorchen dann plötzlich die Finger nicht mehr, ein Fehler zieht den nächsten nach sich und schon ist die ganze, vorher perfekt eingeübte, Vorstellung dahin. Von einer jungen Akkordeonistin, die 2007 als Einzige den "Bundeswettbewerb Jugend musiziert" mit der höchsten Punktzahl (25!!) in allen Kategorien gewonnen hat, weiß ich, dass in der Vorbereitung zum Wettbewerb nicht nur der musikalische Vortrag geübt wird, sondern auch Methoden, wie man seinen Puls wieder runterregelt oder einen Fehler geschickt überspielt ohne aus dem Konzept zu kommen.
Solche Methoden könnte ja auch mal ein Fachmann oder eine Fachfrau hier zum Besten geben.

Schöne Grüße
play_bach
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 2 Benutzer
Der Klavierprofessor braucht nicht zwingend ein fotografisches Gedächtnis. Es ist eine Sache des Verstehens. Man kann auf vielfältigste Weise verstehen, emotionales Verständnis, fotografisches Merken, musikalisches Gedächtnis, Vorstellungskraft von Bewegungsabläufen ... es setzt sich zusammen aus vielen Ebenen. Bei einem ist das eine, bei dem anderen das andere stärker ausgeprägt.

Ich wage zu behaupten, dass das eigentlich jeder kann, es darf nur nicht so komplex sein, wie das, was der Klavierprofessor vermutlich lernt.
Aber die Komplexität läßt sich durch Praxis auch steigern.

Versucht es mal mit einem leichten Stück aus dem Musikbuch der Grundschule oder so, eine Melodie, die ihr noch nicht kennt, eine Zeile oder so, mit drei Harmonien. Schaut mal 10 Minuten drauf und versucht es euch zu merken. Man braucht nicht einmal eine Strategie dazu. Wenn es einfach genug ist, also dem Stand entsprechend, kann das jeder.

Über die Psycholgie der Aufführungspraxis habe ich eine Diplomarbeit geschrieben ...
Ich denke hier ist es das Gleiche, je mehr man übt und je komplexer das Stück ist und je höher die eigene Erwartungshaltung ist, desto unsicherer wird man.
Auch Vorspielen ist Routinesache.
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 4 Benutzer
Hallo Klangbutter,

kann man diese Diplomarbeit irgendwo lesen? Würde mich sehr interessieren.
Hatte vor einigen Tagen ein Fernseh-Interview und sollte dann was praktisch auf dem
Akkordeon demonstrieren. Ich habe dann einen Choral von Bach gespielt. Bis auf einen
kleinen Bassfehler ging es so einigermaßen. Das Laienpublikum wird es kaum gemerkt haben.

Trotzdem es keine Live-Sendung war, konnten wir keinen zweiten Versuch machen und es musste
beim ersten Mal klappen. Das erzeugte natürlich eine entsprechende Spannung, die mich aber eher störte.

Bei einer ähnlichen Situation möchte ich in Zukunft besser darauf reagieren können, weiß aber nicht wie.

Gruß

play_bach
 
Vielleicht noch eine letzte Frage - Triller , wie üben.

Ich erinnere mich an den Unterricht, dass mir das mit zählen der Schläge usw. nicht beigebracht wurde. Eher, triller gleichmäßig schnell und stoppe nach Gefühl???:confused:

Ich habe jetzt nochmals geübt, in der Literatur steht immer dass man 4 sechzehntel für eine Halbe Note spielen soll. Fange ich ganz langsam an (und zähle mit) ist es OK, werde ich schneller so verliere ich die Kontrolle welcher Finger wie oft schon angeschlagen hat. Also doch nach Gefühl und Gehör:confused:

Hallo mrT,

Ich bin ein wenig verwirrt: meinst du mit "zählen der Schläge" die Anzahl Fingerbewegungen innerhalb eines vorgegebenen Notenwertes oder die Anzahl Schläge im Takt, die du durchtrillern musst?

Falls du das erste meinst: das ist zu aufwendig für etwas, das man laufen lassen sollte. Ein Triller wird gestartet, läuft weiter, während die andere Hand eine andere Aufgabe übernimmt, und sollte dann rechtzeitig so gestoppt werden können, dass man nicht in den ersten Schlag nach dem Triller "hineinfällt".

Falls du das zweite meinst: da kann man trillern und nebenbei
- eine Zahlenreihe aufsagen und bei einer vorbestimmten Zahl anhalten, oder
- z.B. 8x stampfen und auf dem 9. "Stampf" den Hauptton aushalten
- eine Bassbegleitung über eine gewisse Anzahl Takte dazu spielen.

Wichtig dabei ist, dass man schön gleichmässig bleibt und sich nicht verkrampft.

Ich hoffe, ich konnte dir etwas helfen.

Gruss
chnöpfleri
 
Die Arbeit ist schon alt. ich müßte sie mal mit einem OCR einlesen.
Vieles würde ich heute anders schreiben, es ist sehr "studentisch" geschrieben.
Ich mache das bei Gelegenheit.

Liebe Grüße
 
Hallo nochmals,

@chnöpfleri

Ich bin ein wenig verwirrt: meinst du mit "zählen der Schläge" die Anzahl Fingerbewegungen innerhalb eines vorgegebenen Notenwertes oder die Anzahl Schläge im Takt, die du durchtrillern musst?

Falls du das erste meinst: das ist zu aufwendig für etwas, das man laufen lassen sollte. Ein Triller wird gestartet, läuft weiter, während die andere Hand eine andere Aufgabe übernimmt, und sollte dann rechtzeitig so gestoppt werden können, dass man nicht in den ersten Schlag nach dem Triller "hineinfällt".

Ich meine auch das erstere. Also spielt man das so irgendwie nach Gefühl, ohne zählen.

Ich hatte auch schon (allerdings auf dem Pianoakk.) bei einigen Stücken den Triller dabei, das war immer mühsam, weil ich Schwierigkeiten hatte, gleichmäßig zu trillen und einen geschmeidigen Übergang zu nächsten Note zu machen.

Na, ja ich arbeite dran.

Ich hätte noch eine Frage, kam im Text auch vor. Wenn ich den Triller ausführen ist meine Hand relative angespannt (darauf habe ich jetzt mal geachtet), den Daumen spreize ich nach außen und die Finger 4 und 5 bewegen sich mit - das scheint doch nach dem Text unökonomisch, weil zu viele Muskeln entgegengestzt wirken usw. .

Gibt es da eine Übung wie man die Hand dabei entspannt spielt - ist es vielleicht nur eine Kopfsache, die man sich bewußt machen sollt?:confused:

In dem Text waren ja paar Übungen beschrieben, die man sogar auf der Oberfläche eines Tisches machen kann. Alle Finger aufsetzen und zwei Paare schnell bewegen.

Finger 2 und 3 gehen, mit Konzentration bleiben die anderen Finger auch ruhig. Was gar nicht geht, und enormen Streß verursacht , sind schnelle Fingerbewegungen mit 34 und 45.
Das empfinde ich extrem schwierig.:eek:

Ich erinnere mich an ein Stück was ich mal lernte, bei dem Doppelgriffe schnell wechselten, und zwar 1 3 mit 2 4, trotz langen Übens kam ich nicht auf Trillergeschwindigkeit, meine Lehrerin konnte das aber schon - na ja ich sollte das dann an der Stelle halt langsamer spielen ......
Gruß
mrT
 
Hallo ihr,

was mir immer nicht ganz klar ist: hier ist oft von bildlicher Vorstellung die Rede.
Es ist aber ja so, dass nicht jeder Mensch den gleichen Sinneskanal bevorzugt bzw. über jeden Sinneskanal gleich gut Informationen aufnehmen und erinnern kann. Beispielsweise kann ich mir kaum bildliche Vorstellungen machen, was einem visuell orientierten Menschen wahrscheinlich recht leicht fällt. Ein Notenbild erinnern, das würde ich nie schaffen, ich kann mir ja schon das Blatt Papier nur sehr grob vorstellen.
Aber ich kann die Melodie innerlich hören und orientiere mich dann daran. Und mein Fingergedächtnis funktioniert auch "trocken", also bei geschlossenem Balg eine Melodie spielen, die bereits im Fingergedächtnis drin ist, ist kein Problem, denn die Töne höre ich ja innerlich mit. Ich kann das alles auch rein in der Vorstellung machen, dann höre ich die Musik und fühle die Bewegung, aber an das Notenbild denke ich dabei nicht. Das fände ich sogar eher hinderlich.
Das ist doch dann aber auch etwas, was man als mentales Üben bezeichnen würde, oder?

@Klangbutter, schönes Diplomthema, würde mich auch interessieren.


Lieben Gruß,
Seelchen
 
Das ist doch dann aber auch etwas, was man als mentales Üben bezeichnen würde, oder?

Genau das ist es, was ich mit "mentalem Spiel" meinte. Wobei ich selbst schon versuche, mir das Notenbild einzuprägen, zumindest hinsichtlich der Harmonien (Bassbegleitung), damit ich mich für ein paar Takte darauf "über Wasser" halten kann, falls der Faden mal verloren geht. Denn das Stück abzubrechen und dann neu anzusetzen, kommt für mich nicht in Frage. Die Erinnerung an die Harmonie erleichtert es mir, notfalls zu improvisieren, bis ich wieder drin bin. Das ist aber letztlich auch eine Frage der Routine, für die ich viele Auftrittsjahre gebraucht habe. Meine ersten größeren Auftritte, z.B. bei Wettbewerben, die ich als Jugendlicher noch gespielt habe, waren sehr viel mehr mit Angst beladen, aus dem Stück zu geraten und nicht wieder hineinzufinden, als es heute der Fall ist. Früher hatte ich auch nur zwei oder drei Stücke für den jeweiligen Anlass auswendig drauf, heute ist mein auswendig abrufbares Repertoire um ein Vielfaches größer - aber wie gesagt: Heute lerne ich auch anders auswendig spielen als früher.
 

Ähnliche Themen


Unser weiteres Online-Angebot:
Bassic.de · Deejayforum.de · Sequencer.de · Clavio.de · Guitarworld.de · Recording.de

Musiker-Board Logo
Zurück
Oben