Will man etwas der Welt mitteilen? Ich glaube nicht an die Kraft von Wörtern, an magische Formeln, die tatsächlich beim Zuhörer ankommen, die als neu, als gut verstanden werden. Ich schreibe meine Lieder (und komponiere meine kleinen Jazzstücke) ohne den Anspruch des "Großen", des "Unglaublichen", wo, wenn richtig vorgetragen, jeder Zuhörer verharrt und nichts Anderes als "Wow, das war wirklich... wow" oder ähnliches hervorbringen kann. Auch wenn ich mich tatsächlich zum vorwiegenden Teil im Populären bewege, und auch die Beziehung zwischen Interpret und Konsument als eine der spannendsten betrachte, ist das doch nicht der Hauptzweck, warum ich meine Musik schreibe.
Warum also habe ich dann meine (bisher 199) Lieder geschrieben?
Aus dem selben Grund, warum ich diesen Beitrag hier verfasse: aus dem Selbstzweck heraus. Ich mag die deutsche Sprache, mag es, Formulierungen aneinander zu reihen, einen Ryhthmus zu entwickeln, fühle es fließen und mich mitnehmen, wenn ich so wohlgeschliffene (oder zumindest andeutungsweise bearbeitete
) Wörter niederschreibe. Inspiriert durch einen schönen Beitrag wie von dir, Stadtmensch, verspüre ich selbst die Lust, mich etwas ausladender auszudrücken und so meine alte Leidenschaft zu huldigen. Ich erwarte nicht, dass ich hier jemandem "die Augen öffnen" kann, hoffe nicht auf viele "Likes" anderer User - nein, ich genieße es einfach, mich zu spielen und meine Gedanken in einer Art und Weise zum Ausdruck zu bringen, dass es Spaß macht.
Und höre ich nun Musik, so will ich selbst Musik machen, und ich schreibe ein Lied namens "Rauchen wie Tom Waits", wo ich auf mein Lieblingslied von ihm Bezug nehme. Und ich schreibe "Halb Vier", wo ich eine Idee von Judit Holofernes in eigene Gedanken packe. Dann bin ich verliebt und schreibe Liebeslieder, vorwiegend auf Deutsch, spiele sie mir und auch ihr vor - wobei ihre Reaktion nicht so überschwänglich ausfällt, natürlich nicht, es ist wohl schwer möglich für andere, meine Songs mehr als ich zu lieben. Dann hab ich englische Zeilen, "I know the Girl with the Golden Pockets" und "Sweet Dollar Honey", wo ich bereits eine Melodie höre, die dazu passt, ich schreibe es nieder und freue mich daran, die Energie in diesen schnelleren Sachen zu spüren.
Und schließlich bin auch schlecht drauf, traurig - und schreibe Lieder, um mich zu trösten. "Über mir", um mit dem Tod meines Großvaters umzugehen, "Des Loch", wo ich mich den negativen Gefühlen in mir sowohl musikalisch als auch textlich zur Gänze hingeben kann - und schließlich auch "Cry, Boy, Cry", um mich daran zu erinnern, dass man die Scheiße in sich rauslassen muss. Lieder, wo negative Gefühle im Entstehungsprozess verwickelt waren - doch immer ist da auch das Licht am Ende des Tunnels. Ich werde vielleicht mal ein Lied schreiben ohne Licht, doch ist dann die Frage, wie mir das gefallen könnte - würde ich so etwas so ernst meinen wie meine anderen Stücke, dann müsste ich mich tatsächlich umbringen, oder zumindest eine ernsthafte Therapie angehen.
Mich würde bei den Befürwörtern der Theorie, dass unglückliche Menschen bessere Musik machen, die konkreten Beispiele interessieren: welche Werke sind es, die euch vorschweben, wo ihr sagt, dass kein glücklicher Mensch so etwas Großartiges hätte machen können?