Alternativ gab es zu der Zeit nur ein Technics - ich weiß nicht welches Modell, was mir aber bei weitem nicht so zugesagt hat wie das Roland. Von Workstation war hier aber noch lange nicht die Rede, der eingebaute Sequenzer war ein Spielzeug, die internen Editiermöglichkeiten abslout limitiert, Effekte waren zwar vorhanden, aber sehr minimalistisch.
Das müßte damals das SX-KN800 gewesen sein, Technics' erster ernsthafter Schritt in Richtung dessen, was wir heute Arranger-Workstation nennen. Vorher hatten sie das SX-K700 (1987) und das SX-AX7 (1988) als die beiden Topgeräte. Ersteres war eher für Routinemucker, es klang besser, war aber weniger flexibel. Letzteres war eher was für die Frickler, wunderbar programmierbar, man konnte sogar an den Sounds schrauben und hatte einen editierbaren 5-Spur-Sequencer, 12 Rhythmusspeicherplätze und einen Speicherkartenslot, aber der Sound war nicht auf K700-Niveau, und das liebgewonnene Technichord fehlte auch. Blöderweise gab's jetzt kein Zurück mehr in beiden Richtungen, andererseits hatte Technics wohl eingesehen, daß es Quatsch ist, zwei total unterschiedliche Arten von Arrangern in der Spitzenklasse anzubieten. Man hat also beides zusammengegossen und einen mit anständigen Samples, Presets und Werksrhythmen ausgestatteten Arranger gebaut, dem auch erstmals kein proprietäres Display mehr spendiert wurde, sondern ein textfähiges 2-Zeilen-LCD. So entstand das SX-KN800, das 1989 vom Stapel lief und AFAIK als erstes Technics-Keyboard 16-Bit-Samples hatte - jedenfalls klang es nicht mehr so steril wie die ersten volldigitalen Technicsgeräte. Und, oh Wunder, erstmals gab's gegen Aufpreis ein Floppylaufwerk für die, die nicht mehr mit den hauseigenen Speicherkarten rumhantieren wollten. Natürlich wollte das SX-KN800 nie wirklich mit den damals aufkommenden Workstations konkurrieren, es sollte ja gleichzeitig noch für Alleinunterhalter bedienbar sein, speziell für die, die sich gerade vom Schock erholten, den ihnen das SX-AX7 beschert hatte ("Oh geil, schon nach einem Jahr ein neues Topkeyboard von Technics, haben muß" - wenn man das Teil dann hatte: "WTF ist das denn?").
Das SX-KN1000 war dann ein aufgebohrtes SX-KN800 mit aufstellbarem, vergrößertem Display, mehr Sounds, mehr Rhythmen, einem nochmals etwas verbesserten Sequencer, Floppy serienmäßig, und vor allem hat man diese komische Bender-Modhebel-Kombination vom SX-KN800, die auch in die etwa zeitgleich erschienene SX-GN9 eingebaut wurde, zu Gunsten von Bob Moogs zwei Wheels wieder weggezüchtet.
Der Aha-Effekt und eine extrem erhöhte GAS-Ansteckungsgefahr kam dann auch erst 1993 mit dem SX-KN2000, das von Lanze nicht ohne Grund immer wieder empfohlen wird. Großes Grafikdisplay wie in der SX-GA3, um den riesigen Soundvorrat überhaupt beherrschen zu können, endlich 16 Spuren im Sequencer, die Polyphonie war nun endlich auch für die Begleitautomatik ausreichend, und auch die Soundschraubermöglichkeiten waren verbessert worden - im Rahmen dessen, was die Syntheseengine ermöglichte, also nicht etwa 2 Multimodefilter mit Resonanz bis Selbstoszillation, FM, Ringmodulation, Hardsync und was nicht alles, in einem für Alleinunterhalter gedachten Rompler brauchte man das nicht, man hatte ja genug Samples an Bord™. Als Arranger-Workstation schlägt sich das Ding wacker.
Das SX-KN3000 war dann sozusagen das SX-KN2000 mit Klickibunti. Das allererste Keyboard überhaupt mit Farbdisplay. Ach ja, festplattentauglich war's wohl auch schon (es lag also schon ein Hauch von MIDI-File-Schieberei in der Luft, und gleichzeitig wollten die Mucker von den unzuverlässigen und zu offensichtlich zu wechselnden Disketten weg). Insgesamt hat man für den Gemeinen Alleinunterhalter eine Menge getan, für den Frickler aber einiges verschlimmbessert. Ich war damals als KN2000-Fan und -Nichtbesitzer frustriert, als alle Welt aufs 3000er aufzurüsten gedachte.
Und Yamaha hatte das Ganze verschlafen, bis sie dann den SY77 rausbrachten. Mit dem SY99 haben Sie dann aber auch eine der mächtigsten Workstations (Rompler, Sampler, FM, gute Effekte und Sequenzer) der frühen 90er rausgebracht.
Vor allem hat Yamaha solange krampfhaft an 4-Operatoren-FM festgehalten (6 Ops gab's nur in den Edelsynths), bis ihnen die Felle zur Konkurrenz (Post-LA-Roland, Technics) davonschwammen und sie auch außerhalb der Rhythmusgeräte Samples benutzen mußten. Den SY77 haben sie wahrscheinlich in erster Linie für diejenigen angeboten, die sonst nie von ihrem heißgeliebten DX7 aufgestiegen wären - war ja auch praktisch und 90er-mäßig, einen Rompler und einen Super-DX7 in einem Gehäuse zu haben. Mit dem kleineren SY55 wollten sie wohl ihren Marktanteil vom JV-80 wiederhaben. Na ja, und SY85 und SY99 haben sie frecherweise genau zwischen Korg und Kurzweil geparkt - letzteren hatten sie ja erst ein paar Jahre vorher verboten, der K2000 FM beizubringen.
Yamaha's Workstation-Sofortmaßnahme war übrigens der V-50 (1989, 4-OP-FM, PCM-Drums und 8-Spur-Sequencer).
Klingt, als wenn in dem Ding die Klangerzeugung vom PS-6100 werkelt, dem Schlachtschiff Yamato unter den Arrangern.
Martman