LeGato
Mod Emeritus
"Sach ma, du gibst doch auch Unterricht..."
Irgendwie höre ich das immer mal wieder, sei es hier im Board oder auch im Real Life, und so gut wie immer kommen dann Fragen zum Thema "Ich überlege, ob ich auch Unterricht geben sollte, aber...".
Und dann folgen fast immer die selben Fragen:
"Was muss ich alles können, um Unterricht zu geben?"
"Was kann ich ich meinen Schülern alles zeigen?"
"Was muss ich meinen Schülern alles zeigen?"
"Was mache ich in den ersten Stunden?"
Und das sind tatsächlich auch schon die wichtigsten Fragen. Und weil die Antworten darauf auch immer die Selben sind, habe ich beschlossen, hier mal einige grundsätzliche Überlegungen aufzuschreiben. Vielleicht kann ja irgendwer etwas damit anfangen.
Wer hier jetzt allerdings nach Fingerübungen für seine neuen Schützlinge sucht, braucht nicht weiterzulesen, er/sie wird keine finden! Wer nicht sowieso schon jede Menge Übungen aller Schwierigkeitsgrade rumliegen hat und auch nicht in der Lage ist, sich selbst Übungen auszudenken, sollte vielleicht noch mal überlegen, ob er wirklich Unterricht geben sollte...
Ebenso wenig gibt es hier Tipps und Tricks zu den Themen "Unterricht und Finanzamt", "wie komme ich an Schüler", "brauche ich spezielles Equipment", "woher bekomme ich Lehrmaterial" etc... Das alles überlasse ich eurer Kreativität bzw. eurem Steuerberater.
Im Folgenden findet ihr "nur" einige grundsätzliche Gedanken für alle, die sich überlegen, ihre Kenntnisse in Zukunft an andere weiterzugeben. Alles Weitere ergibt sich dann eigentlich von selbst. Bzw. aus den Erfahrungen, die ihr dann im Laufe der nächsten 20 Jahre macht...
Und jetzt geht's endlich los:
"1.: Was sollte ich selbst können?"
Tja, gute Frage. Muss ich wirklich slappen können? Und tappen? Akkordspiel? Wie sieht's mit 16teln bei Tempo 250 aus? Und mit vom-Blatt-spielen?
Hmmm. Meine Erfahrung der letzten 15 Jahre hat gezeigt: Kommt auf den konkreten Schüler an. Ein Anfänger ist schon glücklich, wenn er erst mal lernt, wie herum man das Instrument richtig hält. Bei einem Profi, der sich "die höheren Weihen" bei dir holen möchte, kommt man u.U. schon in der ersten Stunde an seine Grenzen
Um jetzt mal keine Panik aufkommen zu lassen: 70% der Schüler sind blutige Anfänger, die lernen wollen, wie man Töne aus diesem sperrigen Ding herausbekommt. 29% sind Autodidakten, die seit einiger Zeit (einige Monate bis einige Jahre) so vor sich hindaddeln und feststellen, dass sie an ihre Grenzen gekommen sind.
Bleibt noch ca. 1%, bei denen man individuell erkunden muss, ob man ihnen noch etwas beibringen kann oder nicht.
Für die restlichen 99% sollte man bei folgende Stichworte nicht nur aus Büchern kennen:
aber auch:
Alles kein Problem? Ein Gmaj7 nötigt dir nur ein spöttisches Lächeln ab? Gut! Dann stelle dir bitte mal folgende Situation vor:
Du: "Wir haben uns ja letzte Stunde mit Dreiklängen beschäftigt..."
Schüler: "Ja..."
Du: "Und, alles verstanden? Oder gibt's noch Fragen?"
Schüler "Nee, alles klar!"
Du: "Ok. Und aus wie vielen Tönen besteht so ein Dreiklang?"
Schüler: "Ööhm..."
Du: "Überleg mal: Das Ding heißt wie?"
Schüler "Dreiklang!"
Du: "Und wieviele Töne enthält es dann wahrscheinlich?"
Schüler "Fünf...?"
Wie reagierst du?
[ ] a) ich brülle den faulen Sack an, weil er zu Hause mal wieder nichts gemacht hat
[ ] b) ich resigniere und schmeiße ihn raus, weil es eh keinen Sinn hat
[ ] c) ich wiederhole geduldig die Lektion und erkläre alles so lange, bis er es verstanden hat
Klar kreuzt hier jeder c) an. Aber ist man auch im realen Leben wirklich so geduldig? Immerhin erklärt man ständig Dinge, die einem selbst völlig klar sind, für die ein Schüler aber u.U. ziemlich lange zum Kapieren braucht. Oft sind mehrere Anläufe und verschiedene didaktische Ansätze nötig, bis eine Erklärung ihren Weg ins Gehirn deines Gegenübers findet. Das kann unglaublich nerven. Wer also zu Ungeduld oder gar cholerischen Anfällen neigt, sollte sich das mit dem Unterricht geben noch einmal überlegen...
Wenn ein Schüler etwas partout nicht verstehen will, könnte es sein, dass er a) ein Vollidiot ist oder b) man sich unverständlich ausgedrückt hat.
Leider zeigt die Erfahrung, dass b) WESENTLICH häufiger ist als a). Harte Erkenntnis, aber so isses halt.
Kleiner Test: Erkläre in einem einzigen kurzen Satz, was ein Quintenzirkel ist. Klingt einfach, oder? Na dann mal los!
Zwei Minuten Bedenkzeit gebraucht? Bandwurmsätze konstruiert? Ins Stammeln gekommen? Ein guter Lehrer muss auch komplizierte Sachverhalte so erklären können, dass auch ein totaler Anfänger versteht, worum es geht.
Vorgefertigte Formulierungen helfen nicht wirklich weiter, denn spätestens bei der ersten Nachfrage kommt man ins Schleudern. Das Einzige, was einigermaßen hilft, ist, ganz und gar verstanden zu haben, wovon man spricht. Wenn man die Lektion "Improvisationen über die II-V-I-Kadenz" gerade letzte Nacht zum ersten Mal selbst nachgelesen hat, wird man unweigerlich in Schwierigkeiten geraten.
Die gute Nachricht: Verständliches Erklären kann man trainieren
Zusammenfassung:
Man sollte handwerklich in der Lage sein, in den meisten Bands problemlos mitspielen zu können, ein eher milde-geduldiges Naturell sein eigen nennen und beim Erklären leicht verständlich den Kern einer Sache treffen.
2. Was soll ich meinen Schülern beibringen oder Der Schüler, das unbekannte Wesen
Deine Schüler sollen also alle Slappen wie Victor Wooten, Jazz-Standards locker aus dem Handgelenk schütteln und mehrstimmige Kompositionen im Handstand tappen. Schließlich bist du ja ein guter Lehrer, und der Rest ist ja nur noch eine gehörige Portion Transpiration!
Nur schade, dass dein Schüler eigentlich nur ein paar Grundtöne in der Schulband mitspielen wollte...
Was man einem Schüler beibringt, hängt stark davon ab, was er für Ziele hat. Wer nur ab und zu am Lagerfeuer mal ein bisschen mitspielen möchte, bekommt von mir selbstverständlich anderen Unterricht als jemand, der von Ehrgeiz zerfressen jeden Tag fünf Stunden übt, damit er nächstes Jahr bei Dream Theater einsteigen kann.
Ok, Übertreibung veranschaulicht, aber der Punkt ist: Unterschiedliche Schüler haben unterschiedlich ehrgeizige Ziele, und die sollte man berücksichtigen. Es wäre sinnlos, jemandem ein Übepensum von zwei Stunden oder mehr täglich aufzubrummen, wenn er Bassspielen nur zwischen Kegelabend und der geselligen Donnerstags-Stammtischrunde betreiben möchte.
Wer es dagegen "ernsthaft wissen will", soll natürlich auch entsprechend gefordert werden.
Das Wichtigste ist, ein Maß zu finden, mit dem der Schüler sich wohlfühlt. Denn sonst verliert er das Wichtigste überhaupt: Den Spaß an der Sache!
Also bitte weder übertriebener Ehrgeiz ("MEINE Schüler können das gefälligst!") noch chronische Unterforderung. Beides schadet mehr als es nutzt. Finde raus, was dein Schüler braucht. Das ist nicht ganz so leicht wie es klingt, denn in den seltensten Fällen wissen deine Schüler, was sie brauchen. Aber mit der Zeit bekommt man ein Gefühl dafür.
3. Erste Stunde - und jetzt?
Vor ca. 10 Jahren wurden meine Bandkollegen und ich gebeten, bei einer Veranstaltung in einem Jugendzentrum einen Nachmittags-Workshop für die jeweiligen Instrumente zu geben. Die Teilnehmer sollten dann abends mit ihren Bands live in diesem Jugendzentrum spielen.
Ich war hochmotiviert, legte mir Thema und Konzept zurecht, bereitete Handouts vor, überlegte mir den Zeitablauf etc. Kurz: Ich hängte mich richtig rein.
Dann kam der Workshop. Ich wollte möglichst einfach beginnen und bat die Teilnehmer, mal eben eine C-Dur-Tonleiter zu spielen. Von da wollte ich dann zu Improvisationen in verschiedenen Modi überleiten.
Es kam, wie es kommen musste:
"Hä? WAS sollen wir spielen?"
"Na ja, 'ne Dur-Tonleiter, von C aus".
"Was für 'ne Leiter...?"
Mein Konzept brach bereits nach ca. zwei Minuten zusammen.
Ich hatte gleich mehrere Fehler gemacht:
Und so hatte ich mein Publikum schon gleich am Anfang völlig überfordert. Statt irgendwelche Weisheiten aus der Tipps- und Tricks-Ecke anzuschleppen, hätte ich ihnen lieber etwas zum Umgang mit Lampenfieber, zur Vorbereitung von Gigs und zur Einstellung von bandtauglichen Sounds erzählen sollen.
You live and learn. Ich habe daraus Folgendes gelernt:
Gerade das mit der Überforderung passiert sehr viel schneller, als man denkt! Immer wieder bekomme ich mit, dass angehende Basslehrer die erste Stunde ihres neuen Schützlings so interessant wie möglich gestalten möchten und einen einfachen Song zum Nachspielen raussuchen. So kommt man gleich ans Bassspielen. Das ist nicht so trocken, macht also riesig Spaß, und die harmonischen Aspekte des Songs kann man als Dreingabe gleich in der nächsten Stunde verwursten. Ein idealer Einstieg also.
Denkste!
Gucken wir uns mal an, was wir von unserem Schüler verlangen, wenn er einen Song nachspielen soll:
Klar können wir als erfahrene Bassisten das alles im Schlaf, notfalls auch mit verbundenen Augen. Aber von einem Anfänger könnte man ebensogut verlangen, im Kopfstand mit der linken Hand drei Bälle zu jonglieren, während er mit der rechten Hand die 12. Wurzel aus 8972347934034 an die Tafel schreiben soll...
Oder anders gesagt: Wir überfordern ihn/sie hoffnungslos!
Es kommt natürlich auch wieder darauf an, auf welchem Level unser Schüler sich befindet. Wer das nicht ganz am Anfang so genau wie möglich herausfindet, fällt damit genauso auf die Nase wie ich mit meinem Workshop!
Erst wenn ganz klar ist, was man an Kenntnissen voraussetzen kann, kann man anfangen, darauf aufzubauen. Und von da aus dann in kleinen Schritten und schön der Reihe nach weiter.
Von meinen ersten Schülern habe ich mehr gelernt als sie von mir. Ich musste mir alles, was ich ganz selbstverständlich einfach spielte, wieder ganz genau ansehen. Wann bewege ich warum welchen Finger, und ginge das auch anders? Warum kann ich eigentlich nicht in Zeitlupe slappen (mittlerweile kann ich das)? Auf welche Zählzeit GENAU kommt eigentlich welche Note?
Ich habe gelernt, mir beim Spielen sehr genau selbst zuzusehen. Nur wenn ich weiß, was ich selbst tue, kann ich es meinen Schülern beibringen. Und das hat meine Spieltechnik, meinen Ton (nicht Sound!) und auch meine Harmoniekenntnisse enorm weitergebracht.
Wer also bereit ist, jede Kleinigkeit seines Spiels genau zu hinterfragen, um sie hinterher genau erklären zu können, wer akzeptiert, dass es keine dummen Fragen gibt, wer es schafft, seinen Schülern den Spaß am Spielen zu erhalten, indem er seinen Unterricht abwechslungsreich gestaltet und niemanden über- oder unterfordert und wer bereit ist, auch von seinen Schülern ständig dazuzulernen -
der wird ein sehr guter Basslehrer werden!
In diesem Sinne viel Spaß und los geht's!
Irgendwie höre ich das immer mal wieder, sei es hier im Board oder auch im Real Life, und so gut wie immer kommen dann Fragen zum Thema "Ich überlege, ob ich auch Unterricht geben sollte, aber...".
Und dann folgen fast immer die selben Fragen:
"Was muss ich alles können, um Unterricht zu geben?"
"Was kann ich ich meinen Schülern alles zeigen?"
"Was muss ich meinen Schülern alles zeigen?"
"Was mache ich in den ersten Stunden?"
Und das sind tatsächlich auch schon die wichtigsten Fragen. Und weil die Antworten darauf auch immer die Selben sind, habe ich beschlossen, hier mal einige grundsätzliche Überlegungen aufzuschreiben. Vielleicht kann ja irgendwer etwas damit anfangen.
Wer hier jetzt allerdings nach Fingerübungen für seine neuen Schützlinge sucht, braucht nicht weiterzulesen, er/sie wird keine finden! Wer nicht sowieso schon jede Menge Übungen aller Schwierigkeitsgrade rumliegen hat und auch nicht in der Lage ist, sich selbst Übungen auszudenken, sollte vielleicht noch mal überlegen, ob er wirklich Unterricht geben sollte...
Ebenso wenig gibt es hier Tipps und Tricks zu den Themen "Unterricht und Finanzamt", "wie komme ich an Schüler", "brauche ich spezielles Equipment", "woher bekomme ich Lehrmaterial" etc... Das alles überlasse ich eurer Kreativität bzw. eurem Steuerberater.
Im Folgenden findet ihr "nur" einige grundsätzliche Gedanken für alle, die sich überlegen, ihre Kenntnisse in Zukunft an andere weiterzugeben. Alles Weitere ergibt sich dann eigentlich von selbst. Bzw. aus den Erfahrungen, die ihr dann im Laufe der nächsten 20 Jahre macht...
Und jetzt geht's endlich los:
"1.: Was sollte ich selbst können?"
Tja, gute Frage. Muss ich wirklich slappen können? Und tappen? Akkordspiel? Wie sieht's mit 16teln bei Tempo 250 aus? Und mit vom-Blatt-spielen?
Hmmm. Meine Erfahrung der letzten 15 Jahre hat gezeigt: Kommt auf den konkreten Schüler an. Ein Anfänger ist schon glücklich, wenn er erst mal lernt, wie herum man das Instrument richtig hält. Bei einem Profi, der sich "die höheren Weihen" bei dir holen möchte, kommt man u.U. schon in der ersten Stunde an seine Grenzen
Um jetzt mal keine Panik aufkommen zu lassen: 70% der Schüler sind blutige Anfänger, die lernen wollen, wie man Töne aus diesem sperrigen Ding herausbekommt. 29% sind Autodidakten, die seit einiger Zeit (einige Monate bis einige Jahre) so vor sich hindaddeln und feststellen, dass sie an ihre Grenzen gekommen sind.
Bleibt noch ca. 1%, bei denen man individuell erkunden muss, ob man ihnen noch etwas beibringen kann oder nicht.
Für die restlichen 99% sollte man bei folgende Stichworte nicht nur aus Büchern kennen:
- Intervalle
- Dreiklänge
- Vierklänge
- Chromatische Tonleiter
- diatonische Tonleitern
- ionisches System
- Pentatoniken
- Quintenzirkel
- Wechselschlag
- Mikrotiming (bewusstes Treiben/Schleppen)
- Lagenspiel, Hammer on, pull off, Triller, Slide ...
aber auch:
- Funktionsweise eines Basses
- Halskrümmung/Saitenlage/Oktavreinheit einstellen
- Sounds einstellen
- Vorbereitungen auf den ersten Livegig
- Vorbereitungen für den ersten Studioaufenthalt
- Kaufberatungen für Bässe/Amps/Zubehör
- Hilfe bei "Schlagzeuger/Gitarristen/Sänger sind doooooof!"
- und und und...
Alles kein Problem? Ein Gmaj7 nötigt dir nur ein spöttisches Lächeln ab? Gut! Dann stelle dir bitte mal folgende Situation vor:
Du: "Wir haben uns ja letzte Stunde mit Dreiklängen beschäftigt..."
Schüler: "Ja..."
Du: "Und, alles verstanden? Oder gibt's noch Fragen?"
Schüler "Nee, alles klar!"
Du: "Ok. Und aus wie vielen Tönen besteht so ein Dreiklang?"
Schüler: "Ööhm..."
Du: "Überleg mal: Das Ding heißt wie?"
Schüler "Dreiklang!"
Du: "Und wieviele Töne enthält es dann wahrscheinlich?"
Schüler "Fünf...?"
Wie reagierst du?
[ ] a) ich brülle den faulen Sack an, weil er zu Hause mal wieder nichts gemacht hat
[ ] b) ich resigniere und schmeiße ihn raus, weil es eh keinen Sinn hat
[ ] c) ich wiederhole geduldig die Lektion und erkläre alles so lange, bis er es verstanden hat
Klar kreuzt hier jeder c) an. Aber ist man auch im realen Leben wirklich so geduldig? Immerhin erklärt man ständig Dinge, die einem selbst völlig klar sind, für die ein Schüler aber u.U. ziemlich lange zum Kapieren braucht. Oft sind mehrere Anläufe und verschiedene didaktische Ansätze nötig, bis eine Erklärung ihren Weg ins Gehirn deines Gegenübers findet. Das kann unglaublich nerven. Wer also zu Ungeduld oder gar cholerischen Anfällen neigt, sollte sich das mit dem Unterricht geben noch einmal überlegen...
Wenn ein Schüler etwas partout nicht verstehen will, könnte es sein, dass er a) ein Vollidiot ist oder b) man sich unverständlich ausgedrückt hat.
Leider zeigt die Erfahrung, dass b) WESENTLICH häufiger ist als a). Harte Erkenntnis, aber so isses halt.
Kleiner Test: Erkläre in einem einzigen kurzen Satz, was ein Quintenzirkel ist. Klingt einfach, oder? Na dann mal los!
Zwei Minuten Bedenkzeit gebraucht? Bandwurmsätze konstruiert? Ins Stammeln gekommen? Ein guter Lehrer muss auch komplizierte Sachverhalte so erklären können, dass auch ein totaler Anfänger versteht, worum es geht.
Vorgefertigte Formulierungen helfen nicht wirklich weiter, denn spätestens bei der ersten Nachfrage kommt man ins Schleudern. Das Einzige, was einigermaßen hilft, ist, ganz und gar verstanden zu haben, wovon man spricht. Wenn man die Lektion "Improvisationen über die II-V-I-Kadenz" gerade letzte Nacht zum ersten Mal selbst nachgelesen hat, wird man unweigerlich in Schwierigkeiten geraten.
Die gute Nachricht: Verständliches Erklären kann man trainieren
Zusammenfassung:
Man sollte handwerklich in der Lage sein, in den meisten Bands problemlos mitspielen zu können, ein eher milde-geduldiges Naturell sein eigen nennen und beim Erklären leicht verständlich den Kern einer Sache treffen.
2. Was soll ich meinen Schülern beibringen oder Der Schüler, das unbekannte Wesen
Deine Schüler sollen also alle Slappen wie Victor Wooten, Jazz-Standards locker aus dem Handgelenk schütteln und mehrstimmige Kompositionen im Handstand tappen. Schließlich bist du ja ein guter Lehrer, und der Rest ist ja nur noch eine gehörige Portion Transpiration!
Nur schade, dass dein Schüler eigentlich nur ein paar Grundtöne in der Schulband mitspielen wollte...
Was man einem Schüler beibringt, hängt stark davon ab, was er für Ziele hat. Wer nur ab und zu am Lagerfeuer mal ein bisschen mitspielen möchte, bekommt von mir selbstverständlich anderen Unterricht als jemand, der von Ehrgeiz zerfressen jeden Tag fünf Stunden übt, damit er nächstes Jahr bei Dream Theater einsteigen kann.
Ok, Übertreibung veranschaulicht, aber der Punkt ist: Unterschiedliche Schüler haben unterschiedlich ehrgeizige Ziele, und die sollte man berücksichtigen. Es wäre sinnlos, jemandem ein Übepensum von zwei Stunden oder mehr täglich aufzubrummen, wenn er Bassspielen nur zwischen Kegelabend und der geselligen Donnerstags-Stammtischrunde betreiben möchte.
Wer es dagegen "ernsthaft wissen will", soll natürlich auch entsprechend gefordert werden.
Das Wichtigste ist, ein Maß zu finden, mit dem der Schüler sich wohlfühlt. Denn sonst verliert er das Wichtigste überhaupt: Den Spaß an der Sache!
Also bitte weder übertriebener Ehrgeiz ("MEINE Schüler können das gefälligst!") noch chronische Unterforderung. Beides schadet mehr als es nutzt. Finde raus, was dein Schüler braucht. Das ist nicht ganz so leicht wie es klingt, denn in den seltensten Fällen wissen deine Schüler, was sie brauchen. Aber mit der Zeit bekommt man ein Gefühl dafür.
3. Erste Stunde - und jetzt?
Vor ca. 10 Jahren wurden meine Bandkollegen und ich gebeten, bei einer Veranstaltung in einem Jugendzentrum einen Nachmittags-Workshop für die jeweiligen Instrumente zu geben. Die Teilnehmer sollten dann abends mit ihren Bands live in diesem Jugendzentrum spielen.
Ich war hochmotiviert, legte mir Thema und Konzept zurecht, bereitete Handouts vor, überlegte mir den Zeitablauf etc. Kurz: Ich hängte mich richtig rein.
Dann kam der Workshop. Ich wollte möglichst einfach beginnen und bat die Teilnehmer, mal eben eine C-Dur-Tonleiter zu spielen. Von da wollte ich dann zu Improvisationen in verschiedenen Modi überleiten.
Es kam, wie es kommen musste:
"Hä? WAS sollen wir spielen?"
"Na ja, 'ne Dur-Tonleiter, von C aus".
"Was für 'ne Leiter...?"
Mein Konzept brach bereits nach ca. zwei Minuten zusammen.
Ich hatte gleich mehrere Fehler gemacht:
- Ich hatte mich nicht darüber informiert, auf welchem Level die Teilnehmer sich befinden. Hätte ich das gemacht, hätte ich gewusst, dass ich es hier mit jugendlichen Autodidakten mit maximal acht Monaten "Spielerfahrung" handelte.
- Ich hatte mich nicht über den weiteren Ablauf der Veranstaltung informiert. Sonst hätte ich gewusst, dass meine Schützlinge an diesem Abend mit ihren Bands ihren ersten Auftritt spielen würden und mit ihren Nerven dementsprechend am Ende waren.
Und so hatte ich mein Publikum schon gleich am Anfang völlig überfordert. Statt irgendwelche Weisheiten aus der Tipps- und Tricks-Ecke anzuschleppen, hätte ich ihnen lieber etwas zum Umgang mit Lampenfieber, zur Vorbereitung von Gigs und zur Einstellung von bandtauglichen Sounds erzählen sollen.
You live and learn. Ich habe daraus Folgendes gelernt:
- Wenn möglich, informiere dich vorab über deine Schüler
- Überfordere dein Gegenüber nicht!
Gerade das mit der Überforderung passiert sehr viel schneller, als man denkt! Immer wieder bekomme ich mit, dass angehende Basslehrer die erste Stunde ihres neuen Schützlings so interessant wie möglich gestalten möchten und einen einfachen Song zum Nachspielen raussuchen. So kommt man gleich ans Bassspielen. Das ist nicht so trocken, macht also riesig Spaß, und die harmonischen Aspekte des Songs kann man als Dreingabe gleich in der nächsten Stunde verwursten. Ein idealer Einstieg also.
Denkste!
Gucken wir uns mal an, was wir von unserem Schüler verlangen, wenn er einen Song nachspielen soll:
- Finger rechts sortieren (Daumen als Stütze, Zeige- und Mitelfinger gestreckt, schön abwechseln, bis zur nächsten Saite durchziehen...)
- Finger links sortieren (Saite mit richtigem Finger im richtigen Bund runterdrücken, nicht schnarren...)
- Rhythmus verstehen, evtl. sogar mitzählen
- Auf die Tonwechsel achten
- Mit dem Fuß die Viertel mittappen
- Atmen nicht vergessen...
Klar können wir als erfahrene Bassisten das alles im Schlaf, notfalls auch mit verbundenen Augen. Aber von einem Anfänger könnte man ebensogut verlangen, im Kopfstand mit der linken Hand drei Bälle zu jonglieren, während er mit der rechten Hand die 12. Wurzel aus 8972347934034 an die Tafel schreiben soll...
Oder anders gesagt: Wir überfordern ihn/sie hoffnungslos!
Es kommt natürlich auch wieder darauf an, auf welchem Level unser Schüler sich befindet. Wer das nicht ganz am Anfang so genau wie möglich herausfindet, fällt damit genauso auf die Nase wie ich mit meinem Workshop!
Erst wenn ganz klar ist, was man an Kenntnissen voraussetzen kann, kann man anfangen, darauf aufzubauen. Und von da aus dann in kleinen Schritten und schön der Reihe nach weiter.
Von meinen ersten Schülern habe ich mehr gelernt als sie von mir. Ich musste mir alles, was ich ganz selbstverständlich einfach spielte, wieder ganz genau ansehen. Wann bewege ich warum welchen Finger, und ginge das auch anders? Warum kann ich eigentlich nicht in Zeitlupe slappen (mittlerweile kann ich das)? Auf welche Zählzeit GENAU kommt eigentlich welche Note?
Ich habe gelernt, mir beim Spielen sehr genau selbst zuzusehen. Nur wenn ich weiß, was ich selbst tue, kann ich es meinen Schülern beibringen. Und das hat meine Spieltechnik, meinen Ton (nicht Sound!) und auch meine Harmoniekenntnisse enorm weitergebracht.
Wer also bereit ist, jede Kleinigkeit seines Spiels genau zu hinterfragen, um sie hinterher genau erklären zu können, wer akzeptiert, dass es keine dummen Fragen gibt, wer es schafft, seinen Schülern den Spaß am Spielen zu erhalten, indem er seinen Unterricht abwechslungsreich gestaltet und niemanden über- oder unterfordert und wer bereit ist, auch von seinen Schülern ständig dazuzulernen -
der wird ein sehr guter Basslehrer werden!
In diesem Sinne viel Spaß und los geht's!
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