Ich kenne die genauen Hintergründe nicht und es weiss ja auch keiner genau, welche Verträge da am Laufen sind, aber ich gehe sehr stark davon aus, dass der Großteil der Gewinne eingefahren ist, wenn der "Star" gekürt ist. Ich vermute man plant noch eine halbwegs erfolgreiche erste Album-Veröffentlichung ein, mehr aber auch nicht.
Ob das den "Künstlern" was bringt, hängt vor allem vom Typus ab. Ich teile - unabhängig vom Talent - die Teilnehmer da in zwei Gruppen ein: Die "Musiker" und die "Sänger". Der "Musiker" versteht sich eigene kreative Personlichkeit, bewegt sich in einem musikalischen sozialen Umfeld (in der "Szene"), hat eine eigene Band, spielt meist ein oder mehrere Instrumente, schreibt eigene Songs, stellt eigene Projekte auf die Beine, spielt Gigs, geht ins Studio oder produziert selbst, etc., die "Sänger" können einfach "nur" singen. Wie gesagt, das hört sich jetzt vielleicht wertend an, so ist es aber nicht gemeint.
Für die "Musiker" ist die Sache "gefährlich". Die Chancen sind extrem groß, dass er nie wieder als echter Künstler wahrgenommen wird. Er erreicht die völlig falsche Zielgruppe (Mainstream: Zahnspangen-Chart-Teenies und Schwiegermütter) und vergrämt die Zielgruppe, die er eigentlich für eine ernsthafte, langfristige Karriere gebraucht hätte. Ein Thomas Godoj und ein Tobias Regner wird NIE wieder das Publikum erreichen für das sie, vor ihrem "Erfolg", eigentlich Musik gemacht haben. Wenn sie es schlau anstellen können sie sicherlich noch lange aus diesem Erfolg rein finanziell Kapital schlagen - das funktioniert auch jenseits der großen Medienöffentlichkeit. Als Künstler aber sind sie tot und damit dürften viele psychisch sehr schwer zu kämpfen haben. Tobias Regner könnte morgen ein Jahrhundert-Album à la Metallicas schwarzem Album 'raushauen, in Wacken würden sie ihn von der Bühen prügeln - überspitzt gesagt. Für den Künstler gehen also nicht nur "Türen" auf, sondern Einige durch den "Erfolg" für immer zu.
Was die "Sänger" angeht, für die ist das weit besser geeignet. Die brauchen ja sowieso eine externe Infrastruktur (Songs, Produzenten, Musiker, etc.) und haben zwar auch ein Image und eine eigene Identität, aber ja keine künstlerische Botschaft in dem Sinne. Die wollen ja nur sich und ihre Stimme präsentieren. Also müssen sie auch nichts aufgeben. Sie sind auch meist im musikalischen Mainstream beheimatet insofern treffen sie auch auf die richtige Zielgruppe. Ein langfristiger Erfolg ist auch hier natürlich schwierig. Wobei man auch hier wieder sagen muss Erfolg ist Definitionssache und er muss nicht in der großen Öffentlichkeit stattfinden. Ein Mark Medlock kann sicher auch noch in einigen Jahren für gute Gagen Firmenfeste etc. spielen und er kommt damit sicher eher klar als ein Tobias Regner.
Eine realistische Option wäre, so viel wie möglich "rauszuholen" und parallel Erfahrung sammlen und weitere Standbeine in der Branche aufbauen und später selbst Manager, Produzent, Songwriter, etc. zu werden. Dafür fehlt es aber solchen Kandidaten an "Substanz" - musikalisch, als auch geschäftlich.
Leicht polemisch könnte man also sagen: Wer Casting-Shows BRAUCHT, weil er anders nicht weiterkommt, dem nützen sie langfristig nichts, wer sie NICHT braucht, dem könnten sie unter Umständen nutzen aber auch kräftig schaden. (Mal abgesehen von dem nicht unerheblichen direkten finanziellen Gewinn, aber um "ausgesorgt" zu haben reicht all das sicher nicht)
Mit Biss und Arbeitswut - den vielbeschworen "Tugenden" der "Dee"s und Bohlens dieser Welt - hat das herzlich wenig zu tun. Da herrschen knallharte Marktmechanismen und Geschäftspraktiken. Wenn Du da als kleiner sog. "Superstar" reinkommst, bist Du ein austauschbares kleines Rädchen. Da hast Du nichts zu melden. Entweder Du spielst mit oder Du bist weg. Natürlich läuft das nicht so klischeehaft "mit der Peitsche", aber es läuft letztlich darauf hinaus. Die meisten dieser "Sieger" sind jung und hätten gar nicht die Persönlichkeit, um ernsthaft ihre Stimme zu erheben. Die sind Wachs in den Händen des professionellen Umfeldes, die wollen dann - ohne dass sie es selbst merken - schon selbst genau das, was ihnen vorgegeben wird.
Auf künstlerische Selbstverwirklichung zu hoffen wäre - nicht nur hier, aber hier besonders - naiv. Leute wie Elli Erl oder Max Buskohl, die sich quer gestellt haben und gemeint hätten, sie könnten das als Sprungbrett für "ihr eigenes Ding" nutzen, sind wohl auch derb auf die Nase gefallen.
Mich würde es zumindest arg stören, z.B. auf die Songauswahl und auch im sonstigen künstlerischen Bereich (Fotoshoots, Videodrehs) kein Mitspracherecht zu haben.
Davon kannst Du aber ausgehen, dass da letztlich de facto kein Mitspracherecht besteht. Natürlich ist es oft auch im Sinne "des Produktes" und damit auch im Sinne der Verwerter (Plattenfirma, etc.), wenn der Künstler "mitredet" bzw. sich mit den Massnahmen wohlfühlt, dass sich der Künstler mit dem kreierten Image auch identifizieren kann. Das hat aber natürlich enge Grenzen. Vorallem, wenn die Vorstellungen zu weit auseinanderdriften. DIE sitzen letztlich am längeren Hebel, DIE zahlen die Zeche. Nicht DU bist der Mittelpunkt, sondern DAS PRODUKT, Du arbeitest lediglich an dem Produkt MIT, aber nicht DU bist das Produkt. Und um dieses Produkt läuft ja auch eine professionelle Maschinerie. Man trifft sich da ja nicht mal eben auf einen Kaffee und schmiedet gemütlich Ideen für einen Videodreh. Da legen Profis Konzepte vor und die Entscheider sagen dann an was gemacht wird. Wenn Du Glück hast, wirst Du auch ernsthaft nach deiner Meinung gefragt, aber Du kannst sicher nicht sagen: "Gefällt mir alles nicht, ich würde das gerne so und so machen."
Es ist aber auch ein grundlegendes Missverständnis, dass die ganzen bekannten Künstler, die reine künstlerische Selbstverwirklichung betreiben würden. Es ist ein Geschäft. Und sobald Du Partner (Plattenfirmen) hast oder Kunden (Fans), die jede Menge Geld investieren oder dein Produkt kaufen, ist das einfach nicht mehr "dein Ding". Die reden dann mit. Völlig natürlich. Wenn die Plattenfirma dann deine neuen Songs als nicht vermarktbar sieht, dann wird sie Dir das ganz deutlich sagen. Wenn die Plattenfirma sagt, mit der E-Gitarre läuft das Ding nicht im Radio, dann fliegt entweder DIE raus oder DU. Wenn Du heute Pop machst und morgen aber aus künstlerischer Selbstverwirklichung heraus Free-Jazz machen willst, dann zeigt dir dein Publikum wahrscheinlich den Vogel, aber nicht ihre Geldbörsen.
Das vergessen viele und das sind Probleme, die kannten schon Bach, Mozart und Beethoven. Da geht's nicht um ein paar böse Buben in der Musik- und Medienbranche, sondern um ganz elementare wirtschaftliche und soziale Mechansimen. Da werden immer Kompromisse gefragt sein. Die Vorstellung vom Künstler, der freien Herzens ohne Beschränkungen genau das erschafft was er gerade will und der dafür geliebt, verrehrt und bezahlt wird - davon muss man sich verabschieden. Das gab und gibt es - wenn überhaupt - allerhöchstens in absoluten Ausnahmefällen.