Das gilt gewiss für die späte Zeit der Menuette, wo sie in der Frühklassik und Klassik zu einem festen Bestandteil der Satzfolge von Sinfonien werden und nicht mehr als konkreter Tanz, sondern mehr als eine Kunstform gemeint sind.
Im Threadtitel ist ausdrücklich von Barockmenuetten die Rede. Nun bringst Du Frühklassik und Klassik ins Spiel, sowie die Satzfolge von Sinfonien. Da mag der Betrachtungswinkel anders aussehen.
... auch wenn die einzelnen Sätze fast alle dem Namen und der Form nach "Tanz"-Sätze sind (also Allemande, Sarabande, Menuett, Gigue, Courante usw.) Das weist zwar auf den jeweiligen Tempo-Rahmen hin, ob sie aber vom Ausdruck her dem Tanz-Charakter folgen sollen bzw. wollen, ...
Kannst Du Beispiele nennen, in denen ein Menuett zu hören ist, dessen tänzerischer Charakter verschwunden ist, dessen Interpretation aber in deser Form vom Komponisten nachweislich gewollt ist?
"Tempo-Rahmen" ja, Ausdruck und Tanzcharakter nein? Warum?
An den oben herausgesuchten Beispielen sind "Interpretationsspannen" deutlich ablesbar und es zeigt, dass der Begriff "tanzbares" Tempo dehnbar ist, aber eben auch Grenzen hat. Diese Grenzen definieren ehrgeizige Profitänzer anders als Laientänzer (schneller, weiter, höher ... ) aber trotzdem sind da Grenzen, bei denen charakteristische Merkmale in ihrer ursprünglichen Form verloren gehen, der Fluß einer tanztypischen Bewegung dermaßen verändert wird, dass es im Ergennis "etwas anderes" ist und nicht mehr das Menuett (um beim Thema zu bleiben).
Die Frage, die sich nun für mich erhebt, ist, was
Du in diesem Zusammenhang unter "Ausdruck" und "Tanz-Charakter" verstehst? Ohne Dein Verständnis dieser Begriffe zu kennen, schreiben wir leicht aneinander vorbei.
nicht mehr als konkreter Tanz, sondern mehr als eine Kunstform gemeint sind.
Und was verstehst Du unter "konkreter Tanz"
Und was verstehst Du unter dem Gegenteil davon?
Eine Badinerie z. B., die als ein "tanzartiges Charakterstück" bezeichnet wird?
Den Begriff "Kunstform" verstehe ich so:
Die Noten in meinen Tanzsammlungen zeigen strophig zu spielende Weisen. Wenn ich "Kunstform" lese, verstehe ich darunter eine Musik, die ihrem Titel entsprechend die typischen Merkmale der zur genannten Tanzform gehörenden Musik aufweisen soll, jedoch wesentlich anspruchsvoller / kunstvoller durchkomponiert ist. Sobald derartige Kunstmusik nun losgelöst vom Tanz dargeboten wird, ist eine Rücksichtnahme der Musiker auf die Situation der Tanzenden natürlich nicht mehr notwendig. Aber wenn ein Menuett so schnell gespielt wird, dass es einen völlig anderen Charakter bekommt, dann ist es doch kein Menuett mehr.

Genau das drückt sich meines Erachtens in den veränderten Satzbezeichnungen aus, wenn die Tanzbezeichnungen weg fallen.
Ich finde es sehr spannend, den Charakteristica verschiedener Tänze in der Bewegung nachzuspüren und dann auszuprobieren, wie diese zu entsprechend betitelten Kompositionen passt. Das vermittelt einen völlig anderen Zugang zur Musik. Schaun wir mal nach Menuetten aus Sinfonien und ergründen die Tanzbarkeit ...
Tempo 135, eignet sich wunderbar für eine große Choreografie
Tempo 115, ebenfalls sehr schön für eine große Choreografie
Tempo 96 mit einer schnellen Badinerie kombiniert
Tempo 200 mit ausrollenden Schlüssen und Tempowechseln
Um die Musik als Menuett zu tanzen, braucht man ganz schön flotte Füße. Ich fühle mich bei der Musik schon eher an einen schwungvollen Walzer erinnert.
Sehr gut tanzbares Tempo, aber ich empfinde die zu hörende Interpretation mehr wie eine Ballettmusik, die nach mehr als der ursprünglichen Menuettform verlangt;
Wenn ich Dich richtig verstanden habe ... Die von Dir angedeuteten Änderungen kommen in dieser kurz zusammengefassten Werkbetrachtung zur Sprache :
http://www.haydn-sinfonien.de/text/chapter5.3.html
Gruß
Lisa