Knoten

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CiaranGrace
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Ein Text zum Mainzer Knotenaufstand 1790. Handwerker standen auf nach Zwistigkeit / erlittenem Unrecht (da ist man sich nicht so ganz sicher) durch Studenten.
Mal wieder im Stil eines Volksliedes, d.h. keine komplizierten Reimschemata, verzichten auf allzu komplexe Sprache.



Wir zogen abends spät / zum Tanzen in die Stadt
und hatten gute Hoffnung / auf Wein und Weiber satt
Dort standen wir und tanzten wir / auf Teufel-komm-heran
Bis wir spät nachts waren / wohl nur ein Dutzend Mann

Und wie wir uns erfreuten / an der Herrlichkeit der Welt
kamen junge Burschen / und wollten unser Geld
Studenten sein sie, adelig / aus wohlgelittenem Haus
"Gebt her das Geld, Ihr Knoten / sonst prügeln wirs heraus."

Dann gab es ein Gedränge / ein Gemenge und Geschrei
Es brauchte keine Weile / bis die Wache kam herbei
Doch schlugen sie uns nieder / bis das Blute kam heraus
Und schickten die Studenten / heim ins wohlgelitt'ne Haus

Doch glaubten wir auch dann noch / an Gerechtigkeit im Staat
so standen wir zum Nächsten / vor dem Magistrat
Man hörte uns're Klagen nicht / man gab uns keine Acht
Drum zur Universität / wir uns gestohlen in der Nacht

Schlaftrunken sie gewesen / und wie Kälber auf der Bank
Haben wir uns erst bedient / an feinem Speis und Trank
Dann haben wir sie verdroschen / Ob Professor oder Student
Immer feste draufgehauen / bis man sie nicht mehr kennt

Doch dann als die Meister / gehört, was nachts geschehn
Glaubten sie zu schauen, / was in Frankreich man gesehn
Sie brachten an Kokarden / an Hüten und noch viel mehr
Und riefen nach Gesetzen / wie von alten Zünften her

So sahen wir dabei zu / wie all's weitere geschah
in 1790 / dem verfluchten Jahr
Die Armee kam schnell herbei / und begrub der Meister Traum
Von Zünften die gewesen / vor vielen Ringen dort im Baum

Am Ende wir gelitten / unter uns'rer Meister Lärm,
Ins Zuchthaus wir gebracht / zusamm'n mit unsern Herrn
Doch von feinen Studenten / lassen wir uns nichts gefall'n
Wir würden so wieder tun / und noch eintausend mal

MfG
 
Eigenschaft
 
Ich finde es äußerst gut gedichtet. Gefällt mir sehr.

Deswegen bin ich mal pingelig und hoffe, ich lehne mich nicht zu weit aus dem Fenster:

an feinem Speis und Trank

"den Speis" gibt es tatsächlich. Eine Art Putz oder Mörtel. Beim leiblichen Wohl hätte ich jetzt eher auf das feminimum "an feiner Speis und Trank" getippt.


wir uns gestohlen in der Nacht

Keine Ahnung: Wäre "wir stahl'n uns in der Nacht" nicht etwas weniger umständlich? Ich bin auch nicht sicher, ob es diese Redewendung nicht nur im Paket mit "davon" gibt.

Anonsten keine Fragen.
 
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@antipasti :

Jup, Speis ist natürlich feminin, hast recht.

"sich wohin stehlen" in diesem Fall "zur Universität" ist zwar ein pervers archaischer Ausdruck, aber den gab es wohl. :) Es wäre wohl weniger umständlich, ja. Aber ich bin ein sehr großer Verfechter dieser ohne Hilsverben konstruierten Partizipiensätze :)
 
Hallo CiaranGrace,

ich habe sofort den Liedtext gelesen ohne vorher deine einleitenden Worte gelesen zu haben. Während ich die ersten 6 Zeilen des Textes gelesen habe und den Titel "Knoten" im Hinterkopf hatte, war ich mir sehr sehr sicher, dass es sich im Lied um eine Art Neufassung von Jacques Brel's ''Amsterdam'' handeln würde.



Dass ich an Brel's ''Amsterdam'' denken musste, ist dabei definitiv als Kompliment zu verstehen, da es ein Zeichen dafür ist, dass du es schon in den ersten 6 Zeilen geschafft hast, sowohl im sprachlichen Ausdruck, als auch in der Bildhaftigkeit den Leser (bzw. mich) direkt um mindestens 50 Jahre in eine nostalgische Vergangenheit zurückversetzt zu haben. Brel's Chanson ist ja aus den 1950er- oder 1960er-Jahren.
Als sich dann im weiteren Textverlauf wider Erwarten herausgestellt hat, dass es in deinem Liedtext nicht um die Verdammung von Prostitution geht - darum geht es in Brel's ''Amsterdam'' - fand ich deinen Liedtext umso überraschender und origineller.

Ich finde es äußerst gut gedichtet. Gefällt mir sehr.
Dem kann ich nur zustimmen! Ich finde es ebenfalls sehr gut gedichtet.

MfG,
LOVEGUNMASK...
 
Schließe mich antipasti an: sehr rund in Sprache gefaßt, schon beim Lesen erschließt sich der Rhytmus und die wohlgewählten Worte purzeln hintereinander wie rauflustige kleine Welpen. Wunderbar und das Thema ist auch allemal des Erzählens und Weitertragens wert.

Man könnte an einigen Stellen noch mehr auf ein quasi "historischeres" Deutsch zurückgreifen, wie weit man dies treibt, ist Geschmacksache. In diesem Sinne auch von mir noch einige Anregungen - wie gesagt: Geschmacksache und jenseits von Mängeln, die ich bei diesem Text nicht sehe, und ob es besser in den sprachlichen Fluß passt, bleibt auch noch abzuwarten:

Wir zogen abends spät / zum Tanzen in die Stadt
und hatten gute Hoffnung / auf Wein und Weiber satt
Alternativ:
Wir zogen wohl gen Mitternacht / zum Tanze in die Stadt
und waren guter Hoffnung voll / auf Wein und Weiber satt

Und wie wir uns erfreuten / an der Herrlichkeit der Welt
Und wie wir uns ergötzten / an der Herrlichkeit der Welt

Doch dann als die Meister / gehört, was nachts geschehn
Doch als dann uns´re Meister / gehört, was nachts geschehn
Beim ersten Lesen habe ich die Meister nicht zuordnen können, sie erschienen mir wie eine dritte Gruppe, bis ich dann darauf kam, dass sie zu den Handwerkern und Gesellen gehören - wenn dies so stimmt, fände ich uns´re einen Tick stimmiger ...

Herzliche Grüße

x-Riff
 
Hey,

@antipasti: Ich kannte den eigentlich auch nur so. :) Hab dann aber mal recherchiert, scheint aber früher mal weniger spielerisch als vielmehr pejorativ so benutzt worden zu sein.

@LOVEGUNMASK : Brel kenn ich zwar, das Lied aber nicht. Aber ein schönes Lied, danke.

@x-Riff : "ergötzten uns" ist für den Kontext etwas zu hoch gegriffen, wie ich finde. Es erzählen ja die Handwerksburschen, deswegen hast du natürlich sprachhistorisch recht, aber es sollte ja eher ein einfaches Lied bleiben, sozusagen für die damalige untere Mittelklasse. :)
"uns're Meister" ist in der Tat eindeutiger, aber es waren wohl, wie ich das verstanden habe, mehrere Meister daran beteiligt, die mit den beteiligten Burschen nichts am Hut hatten. Aber da kann man auch die künstlerische Freiheit mal walten lassen, ich werde das dann wohl so übernehmen. :)
 

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