Schade, daß ich diesen Thread erst jetzt lese.
Meiner Meinung nach fehlt ein Aspekt: Wenn ich den Klang eines akustischen Instrumentes aufnehme und dann, sei es über Vinyl, Chromdioxid-Tape, digital oder im Jahr 2200 durch ionisierende Laserdämpfe über Hifi-Lautsprecher, Kopfhörer oder antimaterielle Plasmaspeaker (im Jahr 2200) wiedergebe, habe ich ja immer schon die klangprägende elektronische Kette von Mikrophon, diversen Vor- und Nachverstärkern, verschiedenen Aufnahmematerialien und insbesondere der verschiedenen Abspielmembranen der Lautsprecher oder Kopfhörer durchlaufen. Dies alles sind ja schon elektronische und elektrische Klangerzeuger, auch wenn die Aufnahme ursprünglich mit einer akustischen Gitarre erfolgte.
Also ist meiner Meinung nach eine über Lautsprecher abgespielte akustische Westerngitarre schon elektronische Musik. Die Versuchsanordnung müßte daher meiner Meinung nach darin bestehen, daß man dem Probanden einerseits auf einer akustischen Gitarre etwas vorspielt und dann dasselbe Stück wieder durch eine Aufnahme über ein Lautsprecher-Wiedergabesystem abspielt. Man könnte das ja als Blindversuch z.B. hinter einem Vorhang machen. Da wäre dann die Frage, ob z.B. ein geübter Hörer den Unterschied besser wahrnimmt gegenüber einem ungeübten etc. Die wichtigere und entscheidendere Frage wäre aber meiner Meinung nach die folgende Problematik:
Wenn eine akustische Gitarre live und unverstärkt gespielt wird, ist ein lebendiger Mensch da, der sie spielt, eine musikalische Seele sozusagen, die in der gleichen Zeitmonade musiziert, in der der Hörende rezipiert. Ist jetzt das menschliche Ohr (des Zuhörers), das ja in seiner Eigenschaft selbst als lebend, als Teil eines lebendigen Organismus anwesend ist, in der Lage zu unterscheiden, ob die vorgeführten Klänge von einem anderen lebendigen Wesen stammen oder von einem rein mechanisch-elektrisch-elektronischem - also unbeseeltem - Wiedergabesystem. Um es mal drastisch auszudrücken: im Falle der Aufnahme handelte es sich in diesem Fall gewissermassen um eine musikalische Leiche, eine Mumie, da der Zeitpunkt, zu dem die aufgenommene Musik lebendig gegenwärtig war, längst vorbei ist. Ist das menschliche Ohr in der Lage, Leichen von Lebendem zu unterscheiden?
Die Frage wäre nun, ob ein Ohr, das jahrzehntelang auf Beschallung durch elektrisch-elektronische Musikwiedergabe konditioniert ist, diese Unterschiede anders wahrnimmt als ein Ohr, daß immer in einem lebendigen Klangumfeld von musizierenden Mitmenschen Musik aufgenommen hat. Im Hinterkopf ist dabei zu behaltem daß die Möglichkeit der musikalischen Klangkonservierung ja erst wenige Jahrzehnte alt ist, zuvor also Jahrhunderte oder Jahrtausende lang dieses Problem gar nicht bestand. Unsere musikalischen Vorväter, die die Fundamente unserer heutigen musikalischen Gegebenheiten gegossen haben, sind in einem Umfeld aufgewachsen, in denen es mechanisch/elektrisch/elektronische Wiedergabe von Musik gar nicht gab. Musik wurde immer nur von Lebewesen zu Lebewesen weitergegeben. In den letzten Jahrzehnten ist durch die (Elektro-)Mechanisierung der Musik ein riesiger historischer Umbruch in der Musikausübung und der Musikrezeption geschehen, eine Revolutionierung jahrtausendealter Hörgewohnheiten.
Mit Frequenzanalysen kommt man dieser Fragestellung allerdings nicht bei.
Viele Grüße,
McCoy
PS: Ich glaube, dies ist mein 500ster Post, da darf man so einen Unsinn schon mal schreiben
