Die Modellpolitik von Gibson ist mir (und eigentlich allen, mit denen ich darüber spreche) seit Jahren ein Rätsel ...
Die müssten es sich meiner Meinung nach "erlauben" können, lediglich die bekannten Modelle in den typischen, klassischen Specs am Leben zu halten. So, wie Fender das vormacht. Die haben bestimmt nicht umsonst alle Experimente mit Strats und Teles, die nicht aussehen und ausgestattet sind wie Strat und Tele, aufgegeben. Stattdessen gibt's bei Fender schöne Zitate und Hommagen an die eigene Historie, daneben dezent (!) und sinnvoll (!) modernisierte Varianten. Die aber immer noch 1:1 aussehen, wie die Ursprungsmodelle.
Gibson gibt sich bei den LPs der "Historic Collection" vielleicht noch Mühe, das eigene Erbe hochzuhalten, aber davon abgesehen erscheint mir die restliche Modellpalette zerfahren, willkürlich und lieblos.
Als Besitzer einer "echten" 1984er Explorer habe ich mich z.B. vor Jahren gewundert, was da als "1984 Reissue" aufgelegt wurde: Die Gitarre hatte eine andere Korpus-Form, andere Halsmaße, andere Kopfplattenform, andere Holzart. Das war einfach die normale "76er" in weiß ohne Schlagbrett. Na, wenigstens gab's überhaupt mal wieder eine schlichte Explorer-Variante, nachdem man das Feld Jahrzehntelang kampflos an ESP etc. aufgegeben hatte …
Aber auch hier eine merkwürdige Politik: Die Heavy-Gitarristen, die durchaus offen wären für modernisierte Varianten von Explorer und Flying V, werden komplett links liegen gelassen. Da gab's immer nur "barocken" 67er Flying V und 76er Explorer mit viel Plastik, Chrom und Schnickes. Modernisierte Variante dieser Urformen überlässt man ESP, Jackson, Schecter, Dean usw.
Bei der Les Paul und SG dagegen, wo doch eigentlich jeder ein klares Bild hat, wie so eine Gitarre eigentlich nur ausgestattet sein kann und aussehen muss, werden absurde Varianten auf den Markt geschüttet ...
Dabei gäbe es im Gibson "Back-Katalog" genug Varianten jedes Modells, die es wert wären, immer mal wieder in authentischer Form (!) aufgelegt zu werden. Da müsste man gar nicht versuchen, immer wieder neue, krude Abwandlungen (Vergewaltigungen?) der bekannten Designs vorzunehmen. Der "Höhepunkt" dieser "Innovationen" war für mich die Firebird X ...
Was ich als Außenstehender natürlich nicht beurteilen kann: Hat Gibson Erfolg mit dieser Politik? Wenn ich irgendwo eine Les Paul oder SG auf der Bühne sehe, dann sind es ganz klassische Ausführungen - aber vielleicht bewege ich mich auch in einer Parallwelt und die Verkaufszahlen für die Gitarren, die ich bestenfalls als "Gibson-Karikatur" bezeichnen würde, schießen durch die Decke ...?
Dann würde Gibson natürlich alles richtig machen und sollte keinesfalls auf verbohrte Gitarren-Traditionalisten wie mich hören, der einfach eine über Jahrzehnte "gelernte" Vorstellung davon hat, wie eine Les Paul, SG, Flying V, Explorer, Firebird aussehen sollte.